Kapitel 8

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Im Schatten der Tür, zu der Kammer in der mein Vater saß, lehnte ich und beobachtete wie die drei Männer in den Raum traten. Tony war ihnen gefolgt und zu ihnen gestoßen, genau wie es der Plan war. Vermutlich hatte er schon kurz nach dem Verschwinden des Winter Soldiers alles herausgefunden, was er wissen musste. Jetzt gingen sie auf die Tanks zu, noch immer der Überzeugung, ihnen und den eingefrorenen Soldaten würde diese ganze Aufmerksamkeit zu Gute kommen.
"Wenn es euch tröstet, sie sind im Schlaf gestorben", erklärte ich und trat aus dem Schatten.
"Sad...", er klappte sein Visier nach oben und ich erkannte deutlich, dass sich Tonys Augen kurz weiteten. Ich war mir sicher, dass er bereits geahnt hatte, dass ich in dieser ganzen Sache verstrickt war. Vielleicht hatte er das getan, was er schon vor einiger Zeit besser getan hätte und meinen Hintergrund gecheckt. Wenn er das getan hatte, dann wusste er wer ich war. Aber Wissen bedeutete eben nicht immer glauben.
"Tony. Hast du dich etwas geprügelt?", ich musterte das blaue Auge und die Schrammen im Gesicht. Sie hatten sich schon geprügelt, bevor sie das Video sahen? Ich wusste ja immer, dass sie sich gerne stritten aber sich zu prügeln. Da musste etwas aber noch stärker im argen liegen als gelaubt. Wobei sich Cap und Tony eigentlich ständig stritten. Ich hatte das nur nie für voll genommen. Ein Gewehr wurde auf mich gerichtet. "Oh komm schon, Schneemann. Ich habe heute schon fünf Supersoldaten deiner Art getötet. Fünf ist eine schöne Zahl, dabei würde ich es gerne belassen." Auf diese Distanz hatte ich sogar eine gewisse Chance, dass diese Aussage nicht nur leeres Gerede war.
"Du hast die Soldier erschossen?", ich blickte wieder zu meinem ehemaligen Chef. Er hatte die Stirn gerunzelt und er schien nur langsam zu realisieren, was da vor sich ging.
"Ja", entgegnete ich gefasst. So gefasst wie ich konnte, denn meine Hände zitterten allein bei dem Gedanken. "Bist du enttäuscht? Deine kleine, brave Musterschülerin von einer Assistentin. „Ja, Mr. Stark. Nein Mr. Stark". Tag und Nacht bereit deine Katastrophen auszubügeln. Eure Katastrophen." Ich blickte von Tony zu Rogers und zurück. "Und wisst ihr, was das Ironischste ist? Eure Katastrophen haben mein Leben zerstört."
"Was meinst du damit?", Steve machte einen Schritt auf mich zu.
"Sokovia", flüsterte Tony. "Du kommst aus Sokovia." Langsam setzte sich das Puzzle für ihn zusammen.
"Sokovia war eine Ruine, lange bevor ihr eine Stadt darauf habt fallen lassen", erklärte die Stimme über die Anlage. Alle blickten zu dem Fenster.
"Wer ist das?", fragte Steve.
"Ihr Vater. Da habe ich doch Recht, oder? Du bist als Sadie Zemo in die Staaten gekommen", Tony sah zwischen uns Beiden hin und her. Langsam nickte ich. "Und ich dachte, ich hätte ein gestörtes Vater-Sohn-Verhältnis." Wenn es so einfach wäre.
"Sadie, ist dir eigentlich bewusst, was dieser Mann getan hat? Er hat Unschuldige in Wien getötet, nur um uns hier her zu locken", Steve schien an mein Gewissen appellieren zu wollen. Kein Schlechter Plan, so im Großen und Ganzen, kam mir irgendwie bekannt vor. Aber ich war eben nicht Steve. Ich hatte kein Herz aus purem Gold. "Das kann dir nicht egal sein, das bin ich nicht bereit zu glauben. Ich habe dich kennen gelernt."
"Das ist ein netter Versuch, Mr. Rogers", hörte ich meinen Vater lachen. "Aber ich habe ihr die Wahl gelassen. Sehr oft. Sie hat sich entschieden."
"Was sind Sie nur für ein kranker Mann?", Steve lief auf die Scheibe zu.
"Ich habe Sie studiert, Captain", erklärte er. "Jeden Tag, seit Sokovia. Aber jetzt wo Sie vor mir stehen, entdecke ich da ein bisschen grün in Ihren Augen. Wie schön zu erkennen, dass auch Sie nicht makellos sind."
"Wieso tun Sie das alles?", er blickte ihm für einen Moment starr in die Augen.
"Ich habe ein Versprechen geleistet", antwortete mein Vater dann.
"Sie...ihr habt jemanden verloren", ich um griff meine Waffe fester. Tony blickte zu mir.
"Wir haben jeden verloren, der noch in Sokovia war", antwortete ich und die Aufmerksamkeit flog zu mir. "Ich war in den Staaten, ich konnte nichts tun. Mein Vater hat sie nach Außerhalb gebracht. Sie haben geglaubt, dass sie da sicher sind." Ich blickte zu Tony. "Er hat sich gefreut, er konnte vom Auto aus sogar Iron Man sehen. Er hat dich vergöttert, Tony. Dich und deinen Haufen Schläger. Und du hast ihn umgebracht, du mit deiner Maschine. Du hast meinen kleinen Bruder getötet. Ihn, meinen Großvater und meine Stiefmutter, indem du dieses Ding auf die Welt losgelassen hast." Er wirkte überrascht und getroffen. "Was? Denkst du etwa, ich hätte nicht recherchiert? Ich weiß von Ultron und dass du ihn ins Leben geholt hast." Ich ließ ihn meine Trauer sehen, meine Wut und all den Schmerz. 
"Das war nicht meine Absicht, Sad...", stammelte er. "Ich schwöre, dass das nicht war, was Ultron sein sollte, dass ich nicht wollte, dass das passiert." Ich schüttelte bloß den Kopf und wandte den Blick ab. Die Wut loderte in mir, während sich gleichzeitig eine eisige Kälte in mir breit machte.
"Als sich der Staub legte, da habe ich zwei Tage gebraucht. Zwei Tage eh ich unser Haus gefunden habe", erzählte mein Vater weiter, doch Tonys Blick lag noch immer auf mir. Ich erkannte, dass ihm die Worte nahe gingen, der Verrat und die Erkenntnis, dass er die Schuld an all dem trug.
"Eigentlich solltest du mir danken, Tony. Vielleicht habe ich dich verraten aber ich habe es dir auch selbst gesagt und ich tue sogar noch mehr", ich ging langsam zu der Tür der Kabine. "Ich werde dir zeigen, wer dich noch verraten hat. Vorher ziehe ich mich aber zurück, hier könnte es nämlich gleich hitzig werden und das ist wirklich nicht mein Kampf." Der Bildschirm im Raum ging an und ich verschwand hinter der Panzertür.
"Was ist das?", fragte Tony.
"Ein Imperium, dass von seinen Feinden niedergeschlagen wurde kann wieder auferstehen", sagte mein Vater und lächelte vor sich hin. Auf denGesichtern der drei Männer herrschte Verwirrung, doch nur so lange, bis erst über das von Barnes, dann von Rogers Erkenntnis huschte.
"Aber ein Imperium, dass von Innen zerfällt wird für immer am Boden bleiben", er blickte mich an und nickte mir zu. Er war zufrieden mit mir und ich fühlte mich ihm zum ersten Mal seit einer langen Zeit verbunden.
"Wir sollten den Schauplatz erstmal räumen. Ab hier wird es ein Selbstläufer", er erhob sich und griff das Buch. Zusammen folgten wir einem Gang, der zurück zum Eingang führte. Den Weg über schwiegen wir. Ich fühlte mich nicht glorreich, ein wenig erleichtert vielleicht aber trotzdem...ich hinterfragt mich selbst. All die Monate war ich mir sicher gewesen, dass ich ihnen nur etwas vorgespielt hatte, ich war Sadie McMiller gewesen, wenn ich nett war, dann war das nicht wirklich ich gewesen. Ich hatte die Menschen, die ich kennen gelernt hatte gleichzeitig mögen und hassen können. Jetzt, wo ich durch die stillen Gänge ging, fühlte ich mich mehr mit mir im Zwiespalt als je zuvor. Im Moment fühlte ich keinen Hass gegenüber Tony oder Steve. Natürlich würde ich Tony nie ganz vergeben können, was er angerichtet hatte aber jetzt, nach allem was passiert war, nachdem ich ihm all meine Wut an den Kopf geworfen hatte, da war nicht mehr so viel davon übrig. Im Großen und Ganzen war ich nur traurig. Ich betrauerte Sokovia und das Leben, dass ich geopfert hatte um das hier durch zu ziehen. Ich musste mir eingestehen, dass ich gerne Sadie McMiller gewesen war, dass ich gerne Zeit bei den Menschen hinter den Avengers verbracht hatte. Ich hatte gern mit Pepper und Happy gearbeitet, ich hatte Spaß an meinen Aufgaben gehabt und ich hatte gerne mit Wanda gesprochen und Natascha, Vision und Sam. Als wir nach draußen traten und ich auf die Weiten der sibirischen Schneelandschaft blickte, fragte ich mich, was jetzt kommen sollte. Wo würden wir hin gehen, was würden wir tun? Wenn Steve oder Tony das überlebten, dann könnten wir nie mehr normal in der Gesellschaft leben, sie würden uns finden und vermutlich waren sie ziemlich wütend. Sadie McMiller war wieder die alte Sadie Zemo geworden, die Studentin, die ihr ganz normales Leben gelebt hatte und konnte es doch nicht bleiben. Jetzt musste ich wieder zu etwas Neuem werden oder wieder das sein, was nach Sokovia aus geworden war und der Gedanke gefiel mir gar nicht. Obwohl ich lange trainiert hatte um zu der Person zu werden, verabscheute ich sie im Moment genauso wie ich sie brauchte. Ich brauchte sie um weiter zu machen, um nicht all die Handlungen, all die Toten zu betrauern, um nicht zusammen zu brechen, um einen Weg zu finden, mit mir zu leben. Ein wenig mehr Hass wäre mir dabei vermutlich ziemlich hilfreich gewesen. So trübte er nicht meinen Blick, viel mehr sah ich alles um Einiges klarer als zuvor, jede Entscheidung, die ich getroffen und jeden Weg den ich gegangen war. Ich wollte gerade die Tür des Schneemobils öffnen, dann erkannte ich, dass mein Vater sich auf einem Fels in der Nähe nieder gelassen hatte.
"Papa?", ich lief zu ihm und kniete mich neben ihn in den Schnee. "Wir sollten von hier verschwinden."
"Gib mir noch ein paar Minuten. Ich muss nachdenken", meinte er leise. Na zumindest da ging es uns wohl gleich. "Ich bin ehrlich, Kleines. Ich weiß nicht wie es weiter gehen soll. Das war alles, was ich mir die letzten Jahre erträumt habe. Ich bin am Ziel und am Ende." Er zog eine Waffe aus seiner Tasche. "Du hast noch Chancen im Leben, Sadie. Ich weiß nicht, was aus dir werden wird aber du hast noch Chancen. Ich bin verbraucht, ich habe alles verloren. Meine erste Frau, meine zweite Frau, meinen Vater, meinen Sohn. Ich werde dir ein Klotz am Bein sein, dein Leben lang."
"Du hast mich noch und du bist kein Klotz", wisperte ich und musterte die Waffe skeptisch. Er schwieg. Er schwieg eine ganze Weile. Ich zuckte herum, als ich das leise Knirschen des Schnees vernahm. Meine Waffe richtete sich auf einen dunkelhäutigen Mann in einem schwarz und silbernen Anzug.
"Das würde ich lassen", er hatte einen ziemlichen Akzent, er kam wohl nicht von hier, also aus Amerika. Aus Russland aber sicher auch nicht.
"Ich fühle mich mit einer Waffe in der Hand wohler, was nicht heißt, dass ich nicht abdrücke, wenn ich nicht muss", entgegnete ich.
"Lass gut sein, Sadie", murmelte mein Vater. "Mir tut der Tod ihres Vaters Leid. Er schien ein guter Mann gewesen zu sein, mit einem guten Sohn." Ich musterte den Mann kritisch und schloss aus den Worten, dass es sich hier um T'Challa, T'Chakas Sohn handeln musste. Der Prinz eines kleinen Entwicklungslandes namens Wakanda...wobei, inzwischen wohl König.
"War das alles was ihr wolltet? Dass sie sich gegenseitig zerfetzten?", er kam einige Schritte näher und ich spannte mich sofort kampfbereit an.
"Als sich der Staub gelegt und ich meine Familie gefunden hatte, da hielt mein Vater noch immer meine Frau und meinen Sohn in seinem Arm. Er hat versucht sie zu beschützen", flüsterte mein Vater. "Ich wusste, dass ich sie nicht töten kann. Sehr viel mächtigere Männer hatten das versucht und waren gescheitert. Aber wenn ich es schaffen würde, dass sie sich gegenseitig umbringen...nun ja." Er blickte starr nach vorne.
"Deine Sehnsucht nach Rache hat dich aufgefressen", er blickte zu mir. "Euch Beide. Sie frisst sie auf." Er zog die silbernen Krallen an seinem Anzug wieder ein, mit welcher Technik auch immer das funktionierte. "Und fast hätte sie mich aufgefressen doch das lasse ich nicht länger zu. Die Gerechtigkeit wird kommen."
"Erzähl das den Toten", ich reagierte schneller als ich es selbst für möglich gehalten hatte. Ich ließ meine Waffe fallen, fuhr herum und drückte die Waffe von ihm weg. Den Schmerz spürte ich, bevor ich den Schuss war nahm und bevor ich schreien konnte. "Sadie! Was hast du getan?!"
"Ich kann dich nicht verlieren. Ich hab nichts mehr, ich...", ich spürte, dass Blut über meine Hand ran, nicht wenig, wenn man mich fragte aber mein Körper verarbeitete den Schock, indem mir schwindlig wurde und mir langsam schwarz vor Augen wurde, bis ich schließlich ganz das Bewusstsein verlor.

Spy // "Avengers"-FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt