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Die Nacht war kühl. Wind stob durch die Bäume und der Schnee fiel leise auf die Gestalt herab, die inmitten der Bäume stand. Vollkommen regungslos hob sich der Schatten schwarz von dem weißen Schnee ab. Er war nicht lange unterwegs gewesen. Höchstens ein paar Stunden, doch auch das hatte seinen Geist nicht klären können. Seine Beine hatten ihn immer weiter und weiter getragen, bis er schließlich eine Stimme gehört hatte. Es war die eines Mannes und als sich der Schatten zwischen die Bäume gestellt und umgesehen hatte, konnte er in einiger Entfernung den Schein eines Feuers erkennen.

Langsam näherte sich nun der Schatten dem Lichtschein. Es war das Lagerfeuer von Jägern. Darüber hing der Körper eines Hirschs. Das Fell lag abgezogen neben einem Stein, auf dem ein Mann in Winterkleidung hockte. Er rauchte Pfeife und das Jagdgewehr lag neben ihm im Schnee.

„Man, habe ich einen Kohldampf", maulte der Mann und drehte sich leicht herum. Hinter ihm waren die Umrisse eines provisorisch errichteten Zeltes zu erkennen. Die Plane bewegte sich und dann trat ein weiterer Mann heraus. Die Nase war dick und rot und unter seiner Mütze lugten braune Locken hervor.

„Ich auch. Aber wir müssen noch ‚ne Weile warten", antwortete der Lockenmann und setzte sich zu seinem Freund ans Feuer. „Hast du eig'tlich von diesem Mörder gehört?"

„Du meinst den Typ'n, der rumrennt und nischt besseres zu tun hat als Menschen abzuschlacht'n?" Ein Lachen verließ die Kehle des Mannes. „Isch glaube ja, dass der Könisch das nur rumerzählt, weil er kene Ahnung hat, was wirklissch dursch sein Land zieht."

„Meinst'de?" Der Lockenmann wirkte unsicher und stach mit einem Messer in den Körper des bratenden Tieres. „Ich weiß ja nich', aber bevor wir los sind, habe ich ein paar Gardisten durch die Straßen laufen sehen. Sah aus, als hätten 'se was gesucht."

Die Männer schwiegen eine Weile, zuckten mit den Schultern und rauchten dann ihre Pfeife weiter.

Der Schatten näherte sich den Männern. Er konnte bereits die Wärme des Feuers auf seinem Mantel spüren. „Zu dieser Jahreszeit sollten Sie sich nicht hier aufhalten", sagte er und beide Männer zuckten zusammen.

Sie blickten auf den Neuankömmling, der selbst im Schein des Feuers wirkte wie ein tiefschwarzer Schatten.

„Ähm...Guten Abend", sagte dann einer der beiden und stand auf. Das Jagdgewehr lag neben ihm im Schnee. „Kann ich ihnen..." Der Rest des Satzes ging im Gurgeln seines Blutes unter. Es war so schnell passiert. Der Lockenmann sah zu seinem Freund, dem ein Messer im Hals steckte. Blut lief aus der Wunde und dann drehten sich die Augen des Freundes nach hinten. Seine Hände, eben noch auf die Wunde gepresst, ließen locker und dann viel der Körper zu Boden.

Erschrocken sprang der Lockenmann auf, schnappte sich sein Gewehr und zielte auf den Unbekannten. Er hatte sich nicht bewegt und kurz überlegte der Jäger, ob es der Mann wirklich gewesen war. So schnell hatte sich noch nie jemand bewegt und er hatte den Mann beobachtet. Er hatte keine Bewegung gesehen.

„Versuche nicht erst wegzurennen." Die tiefe Stimme des Mannes war leise, doch der Jäger hörte sie genau. Seine Hände begannen zu zittern, doch er hielt das Gewehr auf den Mann gerichtet. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch schloss ihn wieder.

Und da war sie: die Bewegung. Es war ein Kurzes Zucken, doch der Jäger hatte es gesehen – und war zu langsam. Die Klinge eines schmalen Dolches bohrte sich in seine Brust. Das Gesicht des Mannes lag im Schatten und das Feuer hinter ließ seine Gestalt zusätzlich im Dunkeln scheinen.

Ein schmerzvolles Keuchen verließ die Lippen des Jägers und seine Augen waren weit aufgerissen. „Weißt du, was euer Fehler war?", fragte der Mann und der Jäger konnte hören, dass er grinste. „Euer erster Fehler war, dass ihr im Wald mitten in der Nacht ein Feuer gemacht habt." Der Unbekannte drehte die Klinge in der Brust. Der Jäger keuchte auf. „Euer zweiter Fehler war, zu glauben, dass ihr in Sicherheit seid."

Der Schatten zog die Klinge raus, der Jäger fiel auf die Knie und mit einer flüssigen Bewegung schnitt der Dolch durch den Hals. Die Augen des Jägers verdrehten sich ins Weiße und erstarrten. Blut spritze auf den Schnee, tropfte aus seiner Brust. Er neigte sich zur Seite und fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Boden.

Der Unbekannte sah auf die Leichen hinab, blickte zum Himmel, schloss die Augen und lächelte. Ruhe. Ein bisschen Ruhe. Er spürte, wie sich das Ziehen in seinem Körper zurückzog. Wie der Drang in seinen Fingern nachließ.

Dann öffnete er seine Augen, drehte sich zum Feuer und nahm ein heißes Stück Holz heraus. Dass er sich dabei beinahe die Finger durch seine Handschuhe verbrannte ignorierte er. Langsam schritt er zu den beiden Leichen. Und noch langsamer, fast schon genüsslich drückte er beiden das glühende Stück Holz ins Gesicht. Dort, wo sonst die Augen sind, waren nur noch schwarze, verkohlte und leere Höhlen.

Zufrieden lächelnd nahm er sein Messer und ritzte mit geschmeidigen Bewegungen ein umgedrehtes Dreieck mitten auf die Stirn seiner beiden Opfer.

White SkullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt