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[VIPER]

Die Sonnenstrahlen lugten hinter den Wolken hervor und kündigten das baldige Untergehen der Sonne an. Seit Mittag hatte es aufgehört zu schneien und die Mitglieder der White Skulls haben sich durch den Wald nach Hoplor durchschlagen können. Viper hatte den ganzen Weg über Gemmas Hand gehalten, sie gestützt und aufgemuntert weiterzulaufen. Seit zwei Tagen schwieg sie und geschlafen hatte sie auch nicht. Ein paar Mal war sie beim Lagerfeuer eingenickt, schreckte aber kurz darauf wieder auf. Und weil Viper auf Gemma aufpassen wollte, hatte er ebenfalls nicht geschlafen. Er vermutete, dass sie alle mitgenommen aussehen mussten.

Mit steifen Gliedern stiegen sie den Berg zum Haus hoch, waren froh im Dorf niemandem begegnet zu sein, und öffneten schließlich die Tür. Die Kohle im Kamin glühte und die Asche war noch heiß. Bryan nutzte das Haus noch, die White Skulls waren sozusagen seine Kellerbewohner, doch von oben drang kein Geräusch nach unten und da die Holzscheite neben dem Kamin ausgegangen waren, ahnte Viper, dass ihr Anführer bereits unten sein musste. Grace öffnete den Geheimgang, sie alle gingen hindurch und stiegen die Treppe hinab.

Viper sah sich in der Höhle um. Es war totenstill und das bereitete ihm etwas Sorgen. Sie waren mehrere Tage unterwegs gewesen. Der Auftrag war schiefgegangen und sie hatten keine Möglichkeit gehabt Bryan zu kontaktieren. Er musste sich Sorgen machen. Doch der blonde Mann war nirgends zu sehen.

"Bring Gemma ins Bett, sie muss sich wärmen und ausruhen. Ich komme nachher nochmal vorbei", sagte Grace und lächelte Viper müde zu. "Ich gönne mir erst einmal eine heiße Dusche."

Viper nickte und ging langsam mit Gemma zu ihrem Zimmer. Das Licht im Flur flackerte und seine Stiefel hinterließen nasse Abdrücke auf dem dunkelgrünen Teppich, der ausgelegt war, um wenigstens ein bisschen heimische Atmosphäre in die Höhlen zu bringen.

"So, jetzt leg dich erstmal hin." Viper führte Gemma zum Bett, die sich stumm darauf niederließ. Ihre Finger zitterten und waren an den Spitzen, wo die Handschuhe sie nicht mehr bedeckten, rot vor Kälte. "Ich bringe dir einen heißen Tee. Zieh dir den nassen Mantel aus." Gemma blickte ihn nicht an und Viper wusste auch nicht, ob sie ihn gehört hatte, doch er wollte schnell heiße Getränke holen.

Mit flinken Schritten ging Viper durch den Flur zurück, hinunter in die Küche. Die eingebauten Heizungsrohre, die Bryan verlegt hatte, wärmten den Boden und heizten gleichzeitig die Zimmer auf. Viper kochte Wasser, füllte Teeblätter in eine Kanne und goss dann das heiße Wasser auf. Seine Gedanken hingen bei Gemma. Er sah sie vor sich. Sah, wie ihre Fäuste immer und immer wieder auf die gefrorene Seefläche einschlugen. Wie ihr Blut sich mit den Splittern mischte. Wie ihr Schrei in seinen Ohren widerhallte. Er sah sie vor sich - und gleichzeitig Orion. Das leblose Gesicht im Wasser, wie seine Haare aufgewirbelt wurden. Wie paradox das Lächeln auf seinen Lippen gewirkt hatte.

Er verbrannte sich die Finger, als er die Kanne zu lange in der Hand hielt. Fluchend machte er sich mit zwei Tassen auf den Weg zurück. Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Er drehte sich um. Es war Bryan, der in T-Shirt auf ihn zukam.

Wie albern, dachte Viper. Wir streifen tagelang durch die Wälder, mitten im Winter, spüren kaum die Wärme und Bryan läuft rum, als wäre es Sommer.

"Viper. Schön dich zu sehen. Ich habe mir schon Sorgen gemacht", begann Bryan und klopfte dem Mann auf die Schulter. "Ich habe Grace kurz getroffen. Sie hat mir flüchtig erzählt, dass eure Bikes kaputt waren und ihr laufen musstet."

Viper nickte knapp. „Es ist weit aus mehr passiert, als nur kaputte Bikes." Er legte seine Hand an die Klinke von Gemmas Tür.

„Dann berichte es mir."

White SkullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt