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[GEMMA]

Ihre Hand drückte den Lappen aus und schnell hatte sie den Laden durchgewischt. Die einzige Lichtquelle war die Lampe an der Treppe, die zu den Zimmern im Obergeschoss führte und eine Kerze, die noch auf dem Tresen brannte.

Es war still und vereinzelte Schnarcher drangen nach unten. Gemma war erschöpft und müde rieb sie sich über die Augen. Den ganzen Vormittag hatte sie noch mit Viper Ausdauertraining gemacht. Ihre Muskeln schmerzten noch leicht, doch sie wusste, dass sie das Lokal nicht dreckig hinterlassen durfte, wenn ihre Identität nicht auffallen sollte.

Als sie sich damals hier beworben hatte, wurde sie gefragt, ob sie in dem Business bescheid wusste. Sie hatte zugestimmt, doch in Wirklichkeit hatte sie keine Ahnung gehabt. Dank ihrer Ausspionierfähigkeit aber, hatte sie den Laden mehrere Wochen beobachtet und sich ein genaues Bild von den Mitarbeitern und Kellnern gemacht, sodass sie fehlerfrei Bestellungen abarbeitete und die Tätigkeiten einer in der Herberge arbeitenden Frau meistern konnte.

"Eine bessere Angestellte hätten wir nicht finden können", hatte die Wirtin gesagt und sie lächelnd umarmt. Gemma mochte die Frau, hatte sie jedoch seit ein paar Tagen schon nicht mehr gesehen. Doch es ging ihr nicht zu nah. Die Frau war weg und somit musste sie zwar mehrere Schichten übernehmen, doch konnte gleichzeitig an Informationen gelangen, die ihr Clan benötigte, um auf dem neusten Stand zu bleiben.

Holz knarzte und erschrocken wirbelte Gemma herum. Der Oberkommandant mit den grauen Augen stand auf der Treppe. Sein dunkles Haar war leicht zerzaust und er trug ein einfaches Hemd über einer Hose. In dem fahlen Licht konnte man die Stoppeln sehen, die sein Kinn und die Mundpartie umschmückten.

"Kann ich noch etwas für Sie tun?", fragte Gemma und trocknete ihre Hände an der Schürze ab.

Die grauen Augen funkelten sie an und ein Lächeln huschte auf seine Lippen. "Meinen Zimmerschlüssel. Ich habe ihn noch nicht bekommen."

"Wo habt ihr dann bis eben die Nacht verbracht?", fragte sie und versuchte einen beiläufigen Ton zu halten, während sie den letzten Schlüssel aus der Box nahm und ihn dem Mann hinhielt.

"Seid ihr etwa eifersüchtig, meine Hübsche?", fragte er, packte ihr Handgelenk und zog sie zu sich heran. Er roch nach Met, Seife und Honig. Obwohl er so viel Alkohol getrunken hatte, wirkte er nicht mehr betrunken. Seine Augen waren zwar glasig, doch das konnte auch an der Müdigkeit liegen, die ihm anzusehen war. Er lächelte, als Gemma nicht antwortete.

"Begleitet mich doch nach oben", forderte er sie auf und zog sie noch weiter zu sich. Widerwillig, doch lächelnd tat sie, wie ihr gehießen.

Eine bessere Chance werde ich nicht bekommen, sagte sie sich und schloss die Tür zu dem Zimmer auf. Das Zimmer war recht spärlich eingerichtet. Ein Bett, eine Kommode, ein Tisch und ein Hocker. Auf dem Boden lag sogar ein großer, gewebter Teppich, der Gemma's Schritte verstummen ließ. Sie spürte den Blick des Mannes auf ihrem Rücken, als sie langsam an den Tisch trat und sich dann umdrehte. Das Fenster neben ihr ließ silbernes Mondlicht hereinscheinen.

"Wie heißen Sie eigentlich? Wie soll ich Sie nennen?", fragte Gemma und blickte den Mann an. Er hatte die Tür geschlossen und drehte nun den Schlüssel im Schloss herum.

"Nadir Woldark. Oberkommandant der königlichen Garde.", stellte er sich vor. "Und du, meine Hübsche?" Er kam weiter in den Raum rein, sodass das silberne Licht die Kanten seines schmalen Gesichts schärfer wirken ließ. "Wie darf ich dich nennen?"

"Gemma.", sprach sie leise.

"Gemma." Nadir sprach den Namen langsam aus, als wolle er sich den Klang jedes einzelnen Buchstaben auf der Zunge zergehen lassen. "Sag mir, Gemma. Woher kommst du? Deine Arme spiegeln eine weitaus anstrengendere Tätigkeit aus, als du sie hier in der Herberge verrichtest. Deine Finger zieren keinen Schmuck, lediglich deine zarten Ohren. Du bedeckst auch deinen Hals nicht, was sonst nur Jungfrauen tun. Außerdem trägst du Hosen. Normalerweise tragen Frauen in Schenken, Bars oder Herbergen Kleider. Du scheinst dich darin wohl zu fühlen, daraus schließe ich, dass du nicht zu den...öffentlichen Frauen des Landes gehörst."

White SkullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt