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Die Glieder waren steif vor Kälte und der Mann kam nur schleppend voran. Er stapfte durch den tiefen, frisch gefallenen Schnee. Ziellos irrte er durch den Wald. War da ein Knacken? Der Mann blieb stehen, sah sich um und blieb letztendlich stocksteif stehen. Dort, keine zehn Meter von ihm entfernt, stand ein Reh. Es war klein, vielleicht noch ein Jungtier. Und es schien ihn nicht wahr zu nehmen. Erst als er einen vorsichtigen Schritt auf das Tier zu machte drehte es seinen Kopf.

Mit scheuen Augen sah es ihn an und er wusste, dass er jetzt handeln müsste, wenn er es erlegen wollte. Langsam griff er in seine Manteltasche und tastete nach seinem Messer. Er spürte das kühle Metall in seinen Fingern, als er die Klinge umgriff und sie vorsichtig aus der Tasche zog, um das Reh nicht zu verjagen. Es starrte ihn immer noch an, hatte sich aber nicht verscheuchen lassen. Nun musterte es ihn nur noch aus seinen braunen Augen.

Blitzschnell hatte er das Messer geworfen, welches sich gezielt in das Fleisch des Tieres gegraben hatte. Das Reh sackte zu Boden und atmete hektisch.

Gut. Es ist noch nicht tot.

Zielstrebig ging der Mann jetzt auf das Tier zu ging in die Hocke und zog seine Klinge langsam und genüsslich aus dem Fleisch. Das Reh sah ihn angsterfüllt aus seinen großen Augen an und er genoss jede Sekunde davon. Er saugte die Angst förmlich auf und schloss für einen Moment die Augen, um diesen Moment zu genießen. Dann nahm er das Messer leckte einmal über die blutige Klinge, ehe er mit flinken Händen, so als er hätte er in seinem Leben nichts anderes getan, dem Tier die Kehle durchschnitt.

Durch die Baumwipfel fiel der schwache Mondschein. Das rote Blut mischte sich mit dem Weiß des Schnees. Das Farbenspiel sah fast schon poetisch aus. Er war ein Künstler. Er erschuf neue Bilder, mit der Hilfe anderer Lebewesen.

Der Wind, der durch die Bäume blies, war wie eine säuselnde Zustimmung für die Gedanken des Mannes gewesen. Lächelnd rammte er die Messerklinge in den Schnee und zog sie wieder raus. Das meiste Blut war bei diesem Vorgang abgegangen. Der Mann steckte das Messer zurück an seinen Platz und erhob sich. Das Tier, welches er zuvor getötet hatte, nahm er an den Hinterläufen und zog es hinter sich her. Die Blutspur hinter ihm schien zu leuchten.

Eine Weile lief er mit seiner Beute durch den Schnee und die dichten Wälder, ehe er auf eine kleine Lichtung stieß. Das Mondlicht war hier deutlich stärker. Er lies die Beine des toten Rehs los und sah sich um. Vor ihm war unberührtes weiß. Es wirkte fast wie in einem Märchen.

Der Mann lies das Reh in der Mitte der Lichtung liegen und ging zurück in den Wald um Holz zu sammeln. Schnell hatte er Äste und Wurzeln beisammen, schichtete sie auf und holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche. Es dauerte nicht lange und dann brannte ein kleines Feuer auf der Lichtung. Mit einem zufriedenen Lächeln zog er das Messer wieder heraus und begann, das Reh zu häuten. Plötzlich aber, hörte er ein Knacken. Sein Kopf fuhr nach oben.

Dies war kein Tier, dachte sich der Mann. Dafür war das Knacken zu laut und auch die Schritte, die näher kamen, sprachen für die Bewegungen eines Menschen. Langsam zog er das Messer durch die Haut des Rehs, griff mit seinen Fingern nach dem Fell und zog es behutsam, ganz langsam ab. Seine Augen scannten derweil die Umgebung ab. Da. Eine Bewegung zwischen den Bäumen.

Der Schein einer Lampe huschte über die Stämme und schien dann in das Gesicht des Mannes. Blinzelnd hielt er sich eine Hand über die Augen. Das Licht kam näher und richtete sich endlich auf den Schnee. Ein Mann in Uniform und silbernem Schutzpanzer starrte den am Lagerfeuer sitzenden Mann an. "Sir, sie sollten sich nicht alleine in dieser Gegend aufhalten", sprach der uniformierte Mann. Es war ein Wachmann des Königs und hinter ihm tauchten weitere Gardisten auf.

"Das gleiche könnte ich Ihnen sagen", brummte der Mann und zog die Haut weiter ab. Seine Finger kribbelten und ein innerer Druck drängte ihn zum Feuer. Er spürte bereits, wie seine Hände den dicken Ast griffen, wie das heiße Holz warme Spuren auf seinen Handschuhen hinterließ. Er hörte die Schreie der Männer. Wie sie erschrocken aufschrien und ihr Schrei schließlich im Gurgeln ihres Blutes unterging.

"Wir haben in dieser Gegend schon lange keine Jäger mehr gesehen, Sir. Von wo kommen Sie?" Der Mann zog die Haut ab, legte das Reh auf den Boden und putzte sein Messer im Schnee.

Vollkommen unnötig, dachte sich der Mann. Gleich wird es wieder mit Blut beschmutzt werden.

"Das wollen sie nicht wissen", sagte er leise. Noch im gleichen Moment, als der Gardist erneut etwas sagen wollte, sprang der Mann auf und rammte die Klinge nach vorne. Das schmatzende Geräusch, als er die Klinge im Hals herumdrehte und sich warmes Blut über seine Hand ergoss, klang wie Musik in seinen Ohren. Der Gardist röchelte noch kurz, dann fiel er zu Boden.

So schnell er diesen Mann getötet hatte, konnten die anderen Gardisten nicht reagieren. Sie alle sprangen erschrocken nach hinten und griffen an ihre Gürtel. Laserwaffen und Schwerter fielen in ihre Hände, doch der Mann schüttelte den Kopf. "Ihr seid dumm, wenn ihr denkt, ihr könntet mich aufhalten."

Seine Stimme war leise, doch das Lachen, was danach folgte laut und hysterisch. Seine Augen blitzten wild auf und mit einem animalischen Grinsen sprang er zum Feuer. Seine Hand griff nach zwei brennenden Ästen und in der nächsten Bewegung drehte er sich zu dem einen Gardisten. Ein Stöhnen verließ seine Lippen, als sich der Ast in seine Brust bohrte. Dampf stieg auf und mit einem Ruck ragte der Ast aus seinem Rücken.

Der Mann hörte hinter sich Schritte, zog mit einem Ruck den Ast aus dem Mann, drehte sich um und jagte dem Gardisten hinter sich den anderen Ast ins Bein. Der Schrei des verletzten Mannes war laut und stieß in den Himmel. Wie ein Tänzer bewegte er sich um den Gardisten, warf sein Messer auf den nächsten Wachmann, traf ihn in der Stirn und musste sich zwingen die letzten beiden Männer zu töten und nicht dabei zuzusehen, wie sich die Augen verdrehten, ehe er nach hinten in den Schnee fiel.

Mit den heißen Ästen in den Händen, erstach er den Mann, dessen Bein bisher nur verletzt war und dann ging er auf den letzten Mann zu. Er erkannte, dass er noch recht jung war, doch das war ihm egal. Seine Hände kribbelten und die stetige Ruhe im Kampf durchfloss ihn und wärmte ihn von innen. Der Gardist hob sein Schwert, hielt es in seinen zittrigen Händen und stolperte nach hinten.

"Es wird ganz schnell gehen", murmelte der Mann, ließ die Äste fallen, sprang nach vorne und stieß den jungen Gardisten um. Ein Schrei verließ seine Kehle, dann knackten Knochen und der Kopf lag verdreht im Schnee.

Schnell atmend richtete sich der Mann auf. Er drehte sich um und blickte auf die fünf Leichen. Sah das Blut, das den Schnee sprenkelte und unter den Körpern in Lachen zusammenfloss. Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Mit großen Schritten ging er zum Feuer, nahm sich ein dickes Stück Holz heraus, drehte die Leichen auf den Rücken und drückte dann die heiße Seite auf die Augen. Es zischte, Dampf stieg auf und mit geschlossenen Augen zog der Mann den Geruch von verbranntem Fleisch durch die Nase.

Fünf Mal.

Zehn verbrannte Augen.

Das Lächeln wurde breiter und breiter. Es erstarb nicht. Selbst dann nicht, als er den Leichen allesamt ein Dreieck in die Haut geritzt hatte. Selbst dann lächelte der Mann noch immer. Und als der Mond auf die Lichtung schien, sich die Wolken verzogen hatten, erst dann drehte sich der Mann um und verließ die Lichtung. Sein Herz hämmerte wie wild gegen seine Brust. 

White SkullWo Geschichten leben. Entdecke jetzt