[GEMMA]
Noch einmal atmete Gemma tief ein, ehe sie die Bar durch den Hintereingang betrat. Sie durfte sich ihre Wut nicht anmerken lassen. Keine Emotionen zeigen, die die Gäste neugierig machen konnten. Während die junge Frau sich die Schürze umband, die Bluse versuchte etwas höher zu richten, bemerkte sie, dass ihre Hände zitterten.
Als sie mit Viper am Tag zuvor in ihrem Versteck eingetroffen ist, hatte sie ihrem Anführer Bericht erstattet und er forderte sie genau auf das zu tun, was sie nicht wollte.
"Sie soll sich wie eine Hure verkaufen, nur, um an Informationen zu gelangen? Bryan, bist du übergeschnappt?" Viper ist ausgerastet, hatte sich beinah auf den blonden Anführer gestürzt, der das ganze gleichgültig beobachtete. Orion selbst war noch nicht zurück und so war Gemma froh, dass nicht auch noch ihr Zwillingsbruder mit der Sache konfrontiert wurde.
Sie wollte nicht, dass er das mitbekam.
Sich an Männer zu verkaufen war unrein und ihre Mutter selbst hatte sie vor diesen Dingen gewarnt. "Sowas läuft schnell aus dem Ruder. Wendet euch niemals dieser Seite zu. Egal wie dringend ihr Geld braucht, lasst die Finger davon. Euer Körper ist unbezahlbar."
Doch Bryan hielt nichts von den Grundsätzen des Glaubens. Er hielt auch nichts von Gemma's persönlicher Grenze. Da, wo ihr Schamgefühl einsetzte, wo sie sich unwohl fühlte und es als unangebracht erachtete.
"Wenn sie so an Informationen kommt, dann ist das wohl die einzige Chance.", hatte Bryan gezischt und seine Worte duldeten keinen Widerspruch.
Zwar wollte sich Viper nicht zufrieden geben, doch als Gemma ihn schließlich am Arm gepackt und zu den Privaträumen gezogen hatte, hörte er auf zu schreien.
"Ich will,", hatte sie gesagt und sich auf ihr Bett sinken lassen, "dass du Orion auf keinen Fall davon erzählst. Es würde unsere Beziehung zueinander zerstören und ich will ihn nicht verlieren. Er ist der Einzige aus meiner Familie, den ich noch habe. Ich könnte das nicht ertragen."
Vipers braunen Augen hatten sie panisch, entsetzt und voller Trauer und Mitleid angesehen. "Du gedenkst also wirklich mit den Männern ins Bett zu steigen, um an Informationen zu gelangen, die wir auch anders beschaffen könnten?" Er hatte ihre Hand ergriffen und ihr fassungslos in die Augen gestarrt. "Wir holen uns die Informationen anders. Ich sehe doch, dass es dich innerlich zerfrisst. Dass du das nicht willst."
"Scheiße, Viper, ja!", hatte sie gerufen und sich seinem Griff entzogen. "Ich will das nicht, aber wir haben weder eine bessere Chance, noch die Zeit, um anderweitig an Informationen zu kommen. Ich werde das durchziehen und ich werde den Männern die Informationen entlocken, ehe sie auch nur einen Finger an mich legen können." Zuversichtlich hatte sie sich vor den Mann gekniet und zu ihm aufgesehen. Er hatte ihr kurz über den Kopf gestrichen, sich dann mit einem Nicken erhoben und ist aus dem Zimmer gegangen.
Nun betrat Gemma die Schenke, mit zittrigen Händen, doch als sie die Mitarbeiterin sah, der sie am Vortag bescheid gab, dass sie früher gehen würde, verebbten die Zuckungen ihrer Hände. Die Mitarbeiterin, Henna, hieß sie, blickte Gemma lieblich an. Zu lieblich. Ihre Augen funkelten bösartig und mit einer ausladenden Geste reichte sie Gemma das Wischtuch.
"Herzlich Willkommen, Gemma.", sagte sie und lachte leicht. "Heute wird es eine lange Nacht für dich. Die Stunden, die du gestern verbummelt hast, darfst du heute hinten dran hängen."
Bestürzt riss Gemma die Augenbrauen hoch. "Was? Aber..."
"Versuche nicht dich rauszureden. Ich habe dich gesehen. Auf dem Bike von dem Typen. Dein Freund?"
"Geht dich nichts an", zischte Gemma, entriss Henna das Tuch und fing an die nassen Gläser abzutrocknen.
"Hab' einen schönen Abend." Lachend verschwand Henna im Hinterzimmer und kurze Zeit später knallte die Hintertür.
Die Wut brodelte in Gemma, als sie die getrockneten Gläser in den Schrank stellte.
"Was fällt dieser Mistkuh eigentlich ein?", murmelte sie und schloss kurz die Augen, um die Beherrschung beizubehalten. Nach dieser Ansage schien es für sie noch schwieriger zu werden. Sie konnte nicht alleine die Schenke und Herberge bewachen und gleichzeitig an Informationen gelangen.
"Hallo, meine Hübsche." Eine tiefe, recht bekannte Stimme ließ sie herumfahren. Der königliche Wachmann von gestern stand an der Theke, hatte sich abgestützt und funkelte Gemma aus seinen grauen Augen an. "Ich hatte gehofft, dass du heute wieder hier bist und als mir deine nette Kollegin verraten hat, dass du sogar Nachtschicht hast, konnte ich kaum glauben, dass ich deine Anwesenheit bis Sonnenaufgang genießen darf."
Ein anzügliches Lächeln trat auf seine Lippen und seine Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Sie verzog ihren Mund zu einem leichten Grinsen und zog fragend eine Augenbraue hoch. "Weshalb denkt ihr, dass ich euch die ganze Nacht über Gesellschaft leisten werde?"
Der Mann lachte. "Tja, Süße. Ich werde wohl hier unten sitzen bleiben und dir die Ohren vollheulen, wenn du mich verschmähst."
Gemma entfuhr ein Schnauben, welches sie hinter einem Lachen versteckte. "Der Laden muss in der Nacht abgeschlossen sein und ich kann niemanden hier unten verweilen lassen, der kein Zimmer hat."
"Oh, meine Süße. Ein Zimmer habe ich schon. Deine Kollegin hat mir nur noch nicht den Schlüssel gegeben."
Gemma schluckte. Was ihr das Schicksal gestern noch für positive Gedanken beschert hatte, artete nun im Gestank der Hölle aus. Würde sie nicht wissen, dass es sich hierbei um einen Wachmann der königlichen Garde handelte, könnte sie die Informationen auch auf eine andere Art und Weise beschaffen. Nur ist diese nicht ganz schmerzfrei.
"Woran denkst du, meine Hübsche?"
Langsam beugte sie sich vor, stützte sich demonstrativ mit ihren Ellenbogen auf dem Tresen auf, sodass die Bluse ein Stück ihrer Oberweite präsentierte und hauchte: "Ich habe mir gerade vorgestellt, was ich alles mit euch machen würde, wenn ihr euch in meiner Gewalt befändet."
Grinsend lehnte sie sich zurück, als sie bemerkte, dass ihre Worte die Wirkung erzielten, die sie beabsichtigt hatte. Zwar dachten sie beide an ganz verschiedene Dinge, doch Gemma war es egal. Sollte der Mann sich doch in seinen perversen Gedanken suhlen. Innerlich folterte sie ihn, sodass sie beinahe zu glauben schien, dass seine Schreie durch ihre Gedanken nach außen an die Welt drangen.
Die Wangen des Mannes waren gerötet und seine Augen bereits etwas glasig. "Oh, du weißt ja gar nicht, was du gerade schon mit mir anstellst, Süße.", grunzte er und stand auf. "Ich gebe für mich und meine Männer eine Runde aus." Damit drehte er sich um und setzte sich an den Tisch, wo die anderen Bediensteten der königlichen Garde saßen.
{-~-}
Es war weit nach Mitternacht, als die Männer endlich Ruhe gaben. Sie waren entweder zu betrunken und torkelten langsam in ihre Zimmer nach oben oder aber waren auf der Bank eingeschlafen. Lange haben sie geredet, gelacht und Gemma in ihren Gedanken ausgezogen - so kam es der jungen Frau jedenfalls vor.
Nun aber wusch sie noch die letzten Gläser ab, weckte die schlafenden Männer, schickte sie nach oben, schloss die Tür und stellte die ersten Stühle hoch. Den Boden würde sie noch fegen und wischen müssen, ehe in ein paar Stunden die Türen wieder geöffnet werden würden.
Mit einem schnellen Blick prüfte sie, ob der Wachmann mit den grauen Augen noch immer am Tisch saß. Die ganze Zeit über war er noch der lauteste gewesen. Hat, je mehr er getrunken hat, noch lauter geschrien und sogar angefangen zu singen. Auch konnte Gemma erfahren, dass er der Hauptkommandant der ganzen Gruppe war und somit die Oberhand hatte. Während sie die Gäste bedient hat, hatte sie mitbekommen, wie sie über den König und irgendeinen Jungen geredet haben, dessen Dorf von einer Legende zertört worden wäre. Doch als Gemma ihnen die siebte Bestellung von Met gebracht hatte, waren sie alle verstummt. Lediglich ein unschuldiges Lächeln hatten ihr die Männer geschenkt.
Gemma wusste, dass dies Informationen waren, die sie nur dem Mann mit den grauen Augen entwenden konnte.
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White Skull
FantasyDie White Skulls sind ein Clan, der im Verborgenen lebt und sich mit dem Erledigen von nicht ganz legalen Aufträgen den Lebensunterhalt sichern. Doch nicht alle Missionen sind einfach. Denn während die Mitglieder ihren Pflichten nachkommen, bahnt...