Kapitel 5 - Neugier

754 49 6
                                    

Nach meiner Panikattacke im Bad gehe ich wieder zurück in Bens Zimmer und lasse mich sofort auf dessen Bett fallen.

Zur Beruhigung atme ich einmla tief ein und streiche mir mein Haar aus der Stirn, während ich darüber nachdenke, was ich am besten sagen könnte.

Gott, ich glaube, das ist das schwierigste, was ein fünfzehnjähriger aud diesem Planer jemals tun musste.
Na gut, meine Mutter zu verlieren war noch viel schlimmer.

Sobald Ben in das Zimmer kommt, steigt mir der süße Geruch des Popcorns in die Nase, sodass ich mich im Bett aufsetze und hungrig auf die zwei Schüsseln in seiner Hand starre.

,,Achtung.", warnt er mich vor, bevor er mir eine der beiden Gefäße zuwirft, welche ich ohne große Mühe auffange und den leckeren Duft tief einatme.

,,Wollen wir einen Film gucken?", frage ich und starre auf den leeren Fleckchen Wand, wo einst sein Fernseher hing, der ihm aber weggenommen wurde.

,,Hör auf, dauernd darauf herumzureiten, Decker.", murrt mein bester Freund und lässt sich neben mich auf sein Bett fallen, ,,Rede du lieber zuerst über diese Sache."

,,Da gibt es nicht viel zu sagen.", versuche ich es mit einem Schulterzucken herunterzuspielen, ,,Ich hab dir doch gesagt, dass es nichts ist."

,,Verarsch mich nicht. Ich habe doch nicht für umsonst den ganzen Tag darauf gewartet."

Angst steigt in meinem Magen wie giftige Säure nach oben, als ich den Blickkontakt erwidere.

,,Versprichst du mir, nicht auszurasten?", frage ich und beiße mir nervös auf die Lippe.

,,Warum sollte ich denn?"

,,Versprich es mir einfach."

,,Okay, ich gebe mein bestes und versuche, nicht auszurasten."

,,Okay.", hauche ich hab atme ein letztes Mal tief durch, bevor ich mit der Wahrheit herausplatze, ,,Ich glaube, ich bin schwul."

,,Wirklich?", fragt Ben mich und schaut mich plötzlich so an, als würde er angestrengt über etwas nachdenken.

,,Ja.", flüstere ich und beobachte jede seiner Bewegungen in abzuschätzen, wie er reagieren könnte.

,,Cool.", sagt er nur und ich ziehe verwirrt meine Augenbrauen zusammen, bevor mein bester Freund sich zu mir herüber lehnt und mich sanft auf die Lippen küsst.

Meine Augen werden groß, als ich realisiere, was hier gerade geschieht.

Mein bester Freund küsst mich.

Auf die Lippen.

Nachdem ich ihm gebeichtet habe, dass ich wahrscheinlich schwul bin.

Was zur Hölle?

Als er den zarten Kuss unterbricht, lehnt er sich zurück und grinst mich an.

,,Hast du... hast du mich gerade geküsst?", frage ich dämlich.

,,Ja.", sagt mein bester Freund nur, ,,Und ich werde es wieder tun."

,,Was - ", will ich gerade fragen, aber da hat er sich schon wieder zu mir herüber gebeugt und meine Lippen in Beschlag genommen.
Unwillkürlich mache ich ein seltsames Geräusch, als wenn noch näher zu mir rückt und mit einer Hand eine Haarsträhne hinter mein Ohr streicht.

Spontan schließe ich meine Augen und erwidere den Kuss mit einem sanften Druck.

Seine Lippen sind so unfassbar weich, aber... aber es ist Ben, mein bester Freund, den ich hier gerade küsse und normalerweise küssen sich Freunde nicht.

Freundschaft bedeutet, freundschaftliche Dinge zu tun und nicht das hier.

Weich. Seine Lippen sind so schön weich.

Plötzlich umschließt Ben mein Gesicht mit seinen Händen, zieht mich näher zu ihm und öffnet langsam seine Lippen, sodass ich spüre, wie er über meine Unterlippe leckt.

Als ich realisiere, was wir hier gerade machen, unterbreche ich hastig den Kuss. Ich brauche Antworten. Und zwar sofort.

,,Du bist schwul?"

Ben zuckt nur gleichgültig mit den Schultern und sagt: ,,Ich nenne es lieber Neugier."

Und dann küsst er mich wieder.
Gott, was passiert hier nur? Seine Lippen bewegen sich wieder gegen meine während er wieder an meiner Unterlippe saugt und leckt.

Es fühlt sich schön an, aber irgendwie auch komisch, weil er es ist, der mich küsst.

Wieder unterbreche ich den Kuss.
,,So habe ich mir diese Unterhaltung nicht vorgestellt.", gebe ich atemlos zu.

Ben kichert leise und zerwühlt mir mein Haar.
,,Unser Popcorn wird langsam kalt, Coley. Willst du trotzdem noch den Film schauen?"

,,Ich denke schon, aber... werden wir jetzt nicht über diese Sache reden?"

,,Über was denn?"

,,Darüber, dass du mich einfach so geküsst hast.", schlage ich vor.

,,Das ist doch keine große Sache, Cole. Du sollst es halt nur niemanden erzählen."

,,Keine große Sache? Das war mein erster Kuss! Für mich ist das schon eine große Sache.", erkläre ich ihm entrüstet.

,,Okay. Aber sag es bloß keinem."

,,Das ist alles? Mehr Antworten bekomme ich nicht?", frage ich enttäuscht und lehne mich mit verschränkten Armen gegen seine Wand.

,,Was willst du denn noch hören, Cole? Du bist schwul, ich bin neugierig und ich dachte, weil du schwul bist, stört es dich nicht, wenn ich - "

,,Ich dachte, ich bin dein Freund, Ben und kein Versuchsobjekt.", unterbreche ich ihn harsch, ,,Du hast keine Ahnung, wie schwer es für mich war, mich vor dir zu outen und dann tust du mir so etwas an!"

,,Cole - "

,,Nein! Ich gehe nach Hause.", sage ich und muss mir meine aufkommenden Tränen zurückhalten.

Wie insensitiv kann ein Mensch bitteschön sein?

Schnell greife ich nach meinem Rucksack, der unachtsam auf dem Boden herumliegt und stürme aus der Tür, als er mir ein ,,Wie auch immer" hinterher ruft.

Während unserer ganzen Freundschaft haben wir uns noch nie gestritten und sobald die Haustür hinter mir ins Schloss fällt und ich meinen langen, einsamen Heimweg antrete, habe ich mich noch nie so schrecklich gefühlt.

Heiß laufen jetzt doch die Tränen über meine Wangen und tropfen zart auf den Boden.

Ich möchte jetzt nicht nach Hause gehen und heile Welt spielen, aber ich kann auch nicht zurück zu meinen besten Freund gehen.

Nicht nach dieser Sache.

Also laufe ich widerwillig in die dunkle Nacht hinein.

***

Wenn ihr euch eine übernatürliche Fähigkeit aussuchen könnt, welche würdet ihr da gern haben?

Star Gazers (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt