Kapitel 19 - ,,Dann gehe ich eben zu dieser sinnlosen Therapie."

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,,Hey.", sage ich, während ich mich auf den Stuhl fallen lasse.

Emma schaut von ihrer Lektüre auf und wirkt so, als ob sie überrascht ist, dass ich sie anspreche.

,,Ähm, hey.", gibt sie schüchtern zurück und richtet mit einer habe ihre Brille, die ein wenig herunter gerutscht ist.

,,Wollen wir heute Abend an unserem Projekt weiterarbeiten?", schlage ich ohne große Umschweife vor.

,,Ich kann nicht. Ich muss auf meinen kleinen Bruder aufpassen.", sagt sie, ihne von ihrem Buch aufzusehen.

,,Und wie wäre es mit morgen?"

,,Ja, sicher.", antwortet Emma monoton.

,,Okay.", age ich eine wenig unbehaglich und kaue auf der Innenseite meiner Wange herum, ,,Wo und wann?"

,,Wie wäre es gleich nach der Schule in der Bibliothek?", schlägt sie zu meinem Erstaunen vor und sieht wieder zu mir herauf.

,,Da kann ich leider nicht. Ich habe bis 18 Uhr Training."

,,Dann in diesem Diner gleich hier um die Ecke um 19 Uhr?"

Mit leichtem Herzklopfen kaue ich auf meiner Lippe herum. Das Diner, welches sie meint, ist dort, wo Jason arbeitet.

,,Ja, das passt.", Stimme ich dennoch zu und verziehe im nächsten Moment mein Gesicht, weil mich etwas Hartes am Hinterkopf trifft.

Es ist ein großer, zu einer Kugel zerknpllter Zettel.

Eilig hebe ich ihn vom Boden auf und sehe im Augenwinkel, wie die Jungs aus dem Basketballteam schallend lachen.

Grummelnd erhebe ich mich und gehe so lässig wie möglich zu dem Eimer vorn neben der Tür, um das Papier hineinzuwerfen.

Selbst wenn etwas auf dem Blatt geschrieben stehen würde, wäre es nicht wert, das Gekritzel zu lesen.

Ein paar Minuten später kommt dann Mrs. Robinson in den Raum und beginnt auch sogleich ihren Unterricht und unterbricht somit das dämliche Gekicher von den Jungs.

***

,,Hey, Schätzchen.", begrüßt mich Tante Liza, als ich von einem noch weiter erwähnenswerte Training nach Hause komme.

,,Hey.", grüße ich sie müde zurück.

Nachdenklich beißt sich meine Tante auf die Lippe, während sie nervös mit ihren Fingern auf die Tischplatte trommelt.

Fragend ziehe ich die Augenbrauen nach oben und mustere sie von oben bis unten, während ich meinen Rucksack in eine Ecke werfe und dann meine Arme vor der Brust verschränke.

,,Spuck's aus."

Seufzend sieht Liza zu mir nach oben.

,,Ich denke, du solltest wieder zu deinem Therapeuten gehen."

,,Ich bin nicht krank, Liza.", sage ich mit eine leichten Gänsehaut auf den Armen und will mich schon abwenden, als sie eine Hand auf meine Schulter legt.

,,Ich weiß, aber als ich gesehen habe, wie du auf Adam reagiert hast... ich mache nur Sorgen um dich, Cole."

,,Mir geht es super. Ich war nur ein wenig verwirrt und deshalb habe ich so reagiert. Es wird nicht wieder passieren."

,,Also ist es für dich in Ordnung, wenn er heute zum Abendessen herkommt?"

Erneut überkommt mich eine Gänsehaut, als ich an seine stechend grüne Augen denke.

Langsam schüttel ich meinen Kopf und murmel: ,,Nein, das ist es nicht."

,,Aber ich dachte, dass alles in Ordnung ist.", sagt sie spöttisch mit einer falschen, überraschten Stimme.

,,Ach weißt du was? Mach, was du willst. Dann gehe ich eben zu dieser sinnlosen Therapie."

,,Gut, ich habe nämlich schon vor einer Stunde einen Termin gemacht."

Stöhnend schnappe ich meinen Rucksack und begebe mich nach oben in mein Zimmer.

Ich habe es schon immer gehasst, zu den Therapiesitzungen zu gehen, denn sie hat immer wieder all die schlimmen Erinnerungen heraufbeschworen und fragte mich genau die Sachen, über die ich nie wieder reden wollte. Dann machte sie sich auf ihren Zettel Notizen und ich fühlte mich immer unbehaglicher dabei, wie sie mein Privatleben zu Papier brachte.

Leise seufze ich und lasse mich kraftlos auf mein Bett fallen, sodass ich völlig fertig mit der Welt gegen die weiße Decke starre.

***

,,Erzählst du mir, wie das passiert ist, Cole?", fragt die Therapeutin höflich, während sie ihren Stift schnell über das noch weiße und unbeschriebene Papier gleiten lässt.

Durch die vergangenen Sitzungen kennt sie fast mein ganzen Leben, deshalb hoffe ich, dass sie nur nach einem geeigneten Weg sucht, un ein Gespräch zu beginnen.

,,Ich jin jemanden begegnet, der so ähnlich aussah wie... er... und da habe ich halt sehr stark darauf reagiert.", beginne ich und verschränke meine Arme vor der Brust, während ich mich tiefer in die Ledercouch sinken lasse.

Hastig schreibt sie ein paar Worte auf, bevor sie mich wieder ansieht.

,,Und wie hast du reagiert?"

Schmerzhaft beiße ich die Zähne zusammen.

,,Ich bin in Ohnmacht gefallen."

Weiteres Gekritzel.

,,Und was denkst du, war die Sache, die dich an deinen Va- ", schnell unterbricht sie sich selbst, als sie mein blasses Gesicht sieht und ändert ihre Wortwahl, ,,die dich an ihn erinnert haben?"

Scheinbar gelangweilt zucke ich mit den Schultern und starre mit geweiteten Augen an die gegenüberliegende Wand, während ich versuche, sie wenig wie möglich an das Monster zu denken.

,,Grün.", stoße ich mit angehaltenem Atem aus.

,,Grün?"

,,Grüne Augen. Generell seine Statur. Und ein wenig seine Nase."

Schreiben, rascheln, räuspern.

,,Und deine Tante trifft sich mit diesem Mann, oder?"

Langsam nicke ich.

Nachdenklich tippt sie mit dem Stift gegen ihre Lippen, bevor sie zu meiner Verwunderung lächelt.

,,Das könnte eine wunderbare Chance für dich sein, Cole."

,,Was?", hauche ich mehr als verwirrt.

,,Du kannst nicht den Rest deines Lebens damit verbringen, vor jedem Mann mit grünen Augen wegzurennen, Cole.", erklärt sie mir scheinbar offensichtliche Dinge, ,,Du hast zu viele schlechte Erinnerungen, die du damit in Verbindung bringst. Aber wenn du dich an diesen Mann gewöhnst, kannst du ein paar dieser Erinnerungen durch neue - bessere - ersetzen."

,,Ich kann Ihnen nicht folgen.", sage ich völlig durcheinander.

,,Ich möchte, dass du mehr Zeit mit dem neuen Freund deiner Mutter verbringst. Mache neue Erfahrungen. Vielleicht kann er dir auch zeigen, wie es ist, einen richtigen Vater zu haben. Ich werde auf jeden Fall deiner Tante diesen Vorschlag machen!"

,,Aber - ", versuche ich mich herauszureden, aber da ist sie schon aus dem Raum gestürmt.

Müde wische ich mir einmal durch mein Gesicht und versuche nicht daran zu denken, in was für eine Hölle ich mich bald befinden werde.

***

Mit welchem Element würdest du dich spontan am meisten identifizieren? Wasser, Wind, Feuer oder Erde?

Star Gazers (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt