Kapitel 9 - Dunkelheit

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Kalt.

Alleine.

Einsam.

So einsam.

So einsam und hilflos.

Ich hasse das Gefühl, hilflos zu sein, aber ich kann rein gar nichts dagegen tun, dass der Sand aufhört, in meine Lungen zu strömen. Ich kann nichts dagegen tun, damit die Dunkelheit aufhört, meine Gedanken zu verschlingen und mich in eine verschleierte Welt führt.

Eine verschleierte Welt voller Schmerz.

Voller Leid.

In all den Jahren war Ben derjenige, der immer für mich da gewesen ist. Er war derjenige, der mich aus meiner depressiven Phase geholt hat.

Er war derjenige, der mir geholfen hat, von meiner Loser-Mutter wegzukommen, aber auch von meinem Vater, der ebenfalls ein Loser ist, aber auf eine andere Art als meine Mutter.

Ben hat mich gerettet und nun ist unsere Freundschaft zerbrochen, sodass ich jetzt alleine bin.

Und das fühlt sich echt schrecklich an.

Ich weiß nicht, wie lange ich in der Jungstoilette war und geweint habe. Geweint um meinen besten Freund und darum, wie er mich betrogen hat. Geweint um die Veränderungen, die jetzt auf mich zukommen werden und geweint, weil mein Geheimnis nun kein Geheimnis mehr ist.

Die Gespräche sind verstummt und der Unterricht hat vor ein paar Minuten begonnen, aber ich bringe es einfach nicht übers Herz, dort hin zurückzugehen. Stattdessen greife ich nach meinem Rucksack und renne zu dem nahegelegensten Ausgang.

In meinen ganzen Leben habe ich noch kein einziges Mal Hockey gespielt, aber ich glaube, der Schmerz, den ich gerade spüre, ist schlimmer als auf dem Feld.

Mein Gesicht ist nass und tränenüberströmt und bestimmt ganz rot und fleckig vom vielen Weinen.

Mit einem erleichterten Seufzen fällt die Eingangstür hinter mir zu und laufe ohne nachzudenken einfach los.

Erst nach einer Stunde erinnere ich mich, dass mein Fahrrad noch vor der Schule steht, weil ich heute früh ja lieber zur Schule gestrampelt bin als den Bus zu nehmen.

Aber naja, dann fahre ich halt morgen nach dem Ungerricht einfach mit dem Rad nach Hause zurück...

Aber auf jeden Fall muss ich erst einmal nach Hause zurück und das wird mich etliche Minuten kosten, da ich genau in die entgegengesetzte Richtung geflüchtet bin.

Zum ersten Mal schaue ich mich um und nehme meine Umgebung bewusst wahr.
Ich stehe vor einem massiven, grauen Eisentor und als ich ,,Friedhof", über dem Tor lese, laufen die Tränen erneut über meine Wangen.

Quietschend öffne ich das Tor und schlüpfe frech den schmalen Spalt hindurch, wo ich anschließend den schmalen Fußweg folge, bis hin zu einem hellen, ja fast schon weißen Grabstein.

Olivia Decker
Ein Engel hat die Erde verlassen

Zitternd sinke ich auf die Knie und murmel kaum verständliche Worte zu dem Grabstein meiner Mutter.

,,Hey, Mom.", hauche ich, obwohl ich weiß, dass ich keine Antwort bekommen werde. Laut schluchze ich auf und fahre mit dem Zeigefinger die Buchstaben nach. Ich brauche etliche Sekunden, bis die Schluchzer nachlassen und ich weitersprechen kann.

,,Ich wünschte, du wärst hier. Du weißt immer alles. Du weißt immer, was zu tun ist."

Traurig setze ich mich vor ihr Grab und vergrabe meinen Kopf zwischen den Knien, welche ich mit meinen Armen umschließe.

,,Dad geht es gar nicht gut. Er ist die ganze Zeit betrunken und meistens kommt er erst nach Hause, wenn es schon dunkel ist. Manchmal kommt er auch gar nicht nach Hause, was mir eigentlich viel besser gefällt."

Weinend starre ich auf den dreckigen Boden vor mir, während ich an meinen Dad denke.

,,Er wird auch richtig wütend, Mum. Eigentlich ist er es die ganze Zeit, denn er denkt, dass es seine Schuld ist, dass du gegangen bist und deshalb trinkt er sich zu Tode oder zumindest so lange, bis er sich vergessen hat."

Unwillkürlich stecke ich die Hand aus und zupfen ein paar Grashalme heraus, welche dann traurig zu Boden rieseln.

,,Ab und zu schlägt er mich auch, aber ich weiß, dass er das eigentlich gar nicht will, denn er macht das nur, wenn ich ihm vom Trinken abhalten will oder ihm seinen Alkohol wegnehme."

Die nachfolgende Stille lässt mein Herz ganz schwer werden, aber nach ein paar Minuten spüre ich, wie befreiend mein kleiner Monolog gewesen ist. Mit einem verschleierten Blick schaue ich auf den weißen Stein vor mir.

,,Ich fühle mich so alleine, Mum.", flüstere ich, ,,K-kannst du mir bitte helfen, wenn du mich hörst? Ich brauche jemanden, der mir hilft, diese Dunkelheit zu überwinden. Ich brauche jemanden, damit ich nicht mehr so einsam bin. Ich.. ich habe Angst davor, was ich mir antun könnte, wenn ich alleine bin. Bitte."

Und sofort laufen mir die Tränen wieder in Strömen aus den Augen und mein ganzer Körper zittert, als ich erneut laut aufschluchze.

Das ist nicht fair.

Das ganze Leben ist nicht fair.

Ich fühle mich wie ein Klecks, der auf einer Schnur aufgewickelt wird und ohne Ben habe ich keine Ahnung, wie ich mich wieder entwirren soll.

Zögerlich wische ich mir die Tränen weg und stehe dann langsam auf.

,,Es tut mir leid, dass ich lange nicht mehr hier war, Mum.", sage ich und werfe einen letzten Blick auf ihren Grabstein, ,,Aber ich werde bald wiederkommen. Versprochen."

Dann setze ich meinen Rucksack auf den Rücken und mache mich auf den langen Weg nach Hause.

***

A/N

Wie fandet ihr das Kapitel?

Seid ihr auch so traurig darüber, was unser Cole alles durchmachen musste?

Ich hoffe, ihr habt nach dem kleinen Einblick in eine andere Seite von ihm weiterhin Lust, dieses Buch zu lesen und ich würde mich freuen, wenn ihr mir ein kleines Feedback geben würdet, wie euch meine Übersetzung gefällt.

Eure Chan17ti

***

Wenn ihr in der Zeit reisen könntet, in welches Jahr, wohin und warum würdet ihr dort hin wollen?

Star Gazers (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt