Kapitel 26 - Wie ein Engel

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,,Es ist furchtbar.", murmelt Jason und legt die Zeitung neben sich. Dann schaut er genauso wie ich zu dem farbenfrohen Horizont, ,,Warum sind Menschen so schrecklich und fügen anderen Schaden zu?"

,,Ich weiß es nicht.", antworte ich ihn ehrlich, ,,Aber es ist richtig beschissen."

,,Stimmt.", sagt er und fährt sich mit den Finger über seinen Bartschatten.

Plötzlich schaut er mich mit einem hoffnungsvollen Ausdruck an, bevor sein Blick an meiner geschundenen Lippe hängen bleibt.

,,Es muss doch irgendetwas geben, was wir tun können. Etwas, das noch keiner getan hat und wo wir uns sicher sein können, dass es funktionieren wird."

,,Du meinst, um das Mobbing zu stoppen?", frage ich dümmlich nach.

,,Ja. Ich warte mit Freude auf den Tag, wenn die ihre gerechte Strafe kriegen und dann so erbärmlich dastehen, wie sie es in Wirklichkeit sind."

,,Ich bin sicher, der Tag wird kommen.", versuche ich, Jason Mut zu machen, auch wenn ich nicht so recht daran glauben kann.

,,Ja.", haucht mein Engel in die Dunkelheit und verzieht seinen Mund dann zu einem neckischen Grinsen, ,,und bis dahin opfern wir ein wenig von deinem jungfräulichen Blut, damit, wer auch immer da oben ist, zufrieden ist. Mal sehen, ob das auch funktioniert."

Als er geendet hat, lächelt Jason mich immernoch an und obwohl ich weiß, dass das nur ein Scherz war, sinkt meine Stimmung extrem.

,,Cole?", fragt Jason verwirrt, weil er sieht, dass ich nicht mitlache. Als er meinen verletzten Gesichtsausdruck sieht, rückt er ein wenig näher an mich heran und legt einen Arm um meine Schulter.
,,Was ist los?"

Ich kann ihn nicht ansehen, sodass ich stur auf den dreckigen Boden vor meinen Füßen starre.

,,Cole?", fragt mein Engel mit Nachdruck und legt einen Finger unter mein Kinn, um dieses sanft anzuheben, sodass ich ihn nun doch in seine blauen Augen sehen muss.

Nur daran zu denken, lässt mich schmutzig fühlen. Schmutzig und minderwertig.

Er würde mich nicht mehr wollen, wenn er die Wahrheit kennen würde.

,,Ist alles in Ordnung?", fragt er mich immernoch besorgt.

,,Nein, ist es nicht.", antworte ich ihm zitternd.

,,Was ist denn los, Kleiner?"

,,I-ich bin keine Jungfrau mehr."

Zischend holt Jason Luft und sieht mich dann undefinierbar an.

,,Oh."

Erneut schaue ich weg und vergrabe meinen Kopf zwischen den Knien, damit ich den wunderbaren Jungen neben mir nicht ansehen muss.

,,Du hast nichts falsch gemacht.", sagt er, damit ich mich nicht ganz so schlecht fühle, nur leider scheitert sein Vorhaben.

Nervös und ängstlich kaue ich auf der Innenseite meiner Wange herum und versuche mich zu entscheiden, ob ich ihm davon erzählen soll oder nicht.

Etwas ganz tief in mir drinnen, sagt mir, dass Jason die Wahrheit verdient und ja, eigentlich möchte ich auch, dass er all meine Fehler kennt, egal, ob es mir wehtut, dies zu erzählen.

,,Erinnerst du dich an die Nacht, in der du nicht gefunden hast?"

Ein wenig perplex schaut er mich an und schließlich bringt er doch noch ein Nicken zustande.

,,Ja, wie könnte ich das vergessen?"

Mit leichtem Herzklopfen sehe ich dem hübschen Jungen ins Gesicht und kann den Blick nicht von seinen elektrisierenden blauen Augen abwenden.

Ein paar Sekunden lang starren wir uns gegenseitig in die Augen und dies lässt mein Herz noch ein paar Takte höher schlagen.

Vor Nervosität und Angst.

,,Möchtest du wissen, warum?"

Jason unterbricht kein einziges Mal den Blickkontakt und nach ein paar Sekunden der Stille sagt er schließlich ja.

Langsam schließe ich meine Augen und atme zitternd ein, bevor ich zu Reden beginne. Von dem Anfang, wo all das Schreckliche passiert ist.

,,Vor ein paar Wochen habe ich meinem besten Freund gebeichtet, dass ich schwul bin. Kurz darauf hat er sich von mir abgewandt und es den Leuten erzählt, die mich Tag für Tag gemobbt haben, sodass er dadurch ein Teil ihrer Gruppe wurde. Nach all den Jahren unserer Freundschaft hat er mich wie Abfall links liegen lassen. Als ob ich ihm nie etwas bedeutet hätte. Seine neuen "Freunde" hatten eine Weile Spaß daran, mich zu ärgern, aber als ihnen dann langweilig wurde, haben sie nach neuen Wegen gesucht, um mich fertigzumachen. An dem Tag, als du mich gefunden hast, waren sie bei mir zu Hause und haben das Wort Schwuchtel an die Haustür gesprüht. Mein Dad wusste von all dem nichts. Als meine Mum gestorben ist, ist er zum Alkoholiker geworden und als er in dieser Nacht nach Hause gekommen ist, hat er sich vollkommen vergessen. Jason, er war so sehr betrunken und gewalttätig, sodass er versucht hat, all das Schlechte aus mir heraus zu prügeln."

Schluchzend wische ich mir mit den Ärmel die heißen Tränen von der Wange, die ich einfach nicht aufhalten kann, weil die Erinnerungen so schlimm sind.

Zitternd atme ich ein, bevor ich fortsetze:
,,Er hat mich an sämtlichen Stellen geschlagen, bevor... bevor er mich vergewaltigt hat."

Ich kann ihn nicht anschauen.

Ich kann den Anblick seines liebevollen Gesichtsausdrucks nicht ertragen.

Gott, ich fühle mich einfach so schwach und erbärmlich.

Er will mich nicht.

Keiner wird mich je wollen.

Eine Hand auf meine Schulter unterbricht meine trübseligen Gedanken und kurz kann ich in das Gesicht meines Engels schauen, bevor ich an seine Brust gezogen werde.

Müde schließe ich die Augen und atme seinen angenehmen Geruch ein und versuche, mir diesen Moment so gut es geht einzuprägen, denn es ist einfach wunderschön. Er gibt mir die nötige Wärme und Geborgenheit.

Ich möchte ihn am liebsten nie wieder loslassen.

,,Du musst dich nicht dafür schämen, was passiert ist, Cole. Es ist mich deine Schuld.", wiederholt Jason immer wieder sanft und liebevoll.

Ich bringe keine Worte zustande, sodass ich nur nicke und mich auf seine Dinger konzentriere, die kleine Kreise auf meinen Rücken malen.

Nach einer Weile, die zugegebenermaßen viel zu schnell verging, lehne ich mich wieder zurück und frage: ,,Du findest mich also nicht ekelhaft?"

Energisch schüttelt Jason den Kopf.

,,Das würde ich nie."

Zaghaft nicke ich und wische die letzten verbleibenden Tränen weg.

,,Sorry, dass ich so eine einzige Katastrophe bin."

Vorsichtig greift Jason nach meinen Armen und nimmt sie von meinem Gesicht.

,,Du hast noch nie schöner ausgesehen."

Dann lehnt er sich wie in Zeitlupe nach vorn und drückt seine Lippen vorsichtig auf meine, sodass mein Herz droht, aus meinem Brustkorb zu springen. Es ist nur ein kleiner Kuss und als er sich ein wenig zurücklehnt und mich mit viel Liebe anschaut, kommen all die Gefühle über mich.

Wie kann jemand so perfekt, so schön und stark, sein und so liebevoll gucken? Wie kann er mich nach all dem nicht hassen? Er ist wirklich wie ein Engel, wie kann er mich also genauso mögen, wie ich ihn? Vor allem, weil ich so jemand perfektes wie ihn gar nicht verdient habe.

,,Nun, ich würde mir nicht so viele Gedanken darüber machen.", sagt Jason plötzlich und schaut lächelnd zu mir herüber, ,,Dann nehmen wir stattdessen ein wenig von meinem jungfräulichen Blut. Vielleicht hört ja dann das Mobbing endlich auf."

***

Schreibt drei Dinge in die Kommentare, die ihr machen würdet,
wenn ihr einen Tag tun und lassen könntet, was ihr wollt.

Star Gazers (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt