Kapitel 22 - ,,Geh zu ihm!"

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Das Läuten der Schulklingel unterbricht aprubt meine Erzählung und reißt mich wieder in das Hier und Jetzt.

Leicht lächel ich Elliot und Jordan zu, während ich mein Zeug zusammenpacke und eilig zu meinem nächsten Unterrichtsraum laufe.

Der restliche Tag verläuft eher langweilig und die meiste Zeit verbringe ich damit, an Jason zu denken.

Was für eine Krankheit hat er? Braucht er Hilfe? Stirbt er gerade einsam unter einer stark befahrenen Brücke und zittert vor Kälte und Angst?

Nervös bearbeite ich meine Unterlippe mit den Zähnen, während ich gefühlt alle zwei Sekunden auf die Uhr starre und aufgewühlt mit dem rechten Bein wippe.

Heute habe ich nach der Schule wieder Fußballtraining, aber diesmal denke ich ernsthaft darüber nach, das einfach mal ausfallen zu lassen und zu gucken, ob Jason wieder arbeiten geht.

Sobald das Ende des Tages angekündigt wird, schnappe ich mir eilig meinen Rucksack und hetzen hinaus in die Freiheit.

,,Whoa, whoa, wohin so eilig, Dickerchen?", höre ich die spöttische Stimme von Trevor und als ich aufschaue, sehe ich ihn und seine Freunde, die sich bedrohlich vor mir aufbauen.

,,Hast du nicht langsam mal gelernt, dass du dich nicht mit mir anlegen sollst, Wilkes?", frage ich ihn so ruhig wie möglich.

,,Ich kann nichts dafür, wenn du so aussiehst als hättest du dir einen Schlag in die Fresse verdient.", kontert er und wirkt dabei so, als wäre er von seinen eigenen Worten überzeugt.

,,Naja immerhin lag ich öfter als du, wenn du verstehst, was ich meine.", sage ich grinsend und zwinker ihm kurz zu.

Dann will ich mich an ihm vorbei drängen, aber er und seine Freunde versperren mir geschickt den Weg.

,,Du bist ein Freak, Dicker. Du bist Abschaum. Gott hat keine schwulen Menschen erschaffen und deshalb finde ich, du gehörst nicht auf diese Welt.", zischt er mir bedrohlich zu.

,,Ich glaube, Gott wäre viel mehr von dir enttäuscht als von mir, weil ich Menschen nicht verletze, nur weil sie so sind wie sie sind. Du schon. Vielleicht solltest du mal die Bibel lesen, bevor du so eine gequirlte Scheiße von dir gibst."

Plötzlich ertönte ein lautes Klatschen und im nächsten Moment spüre ich sich schon ein schmerzhaftes Brennen auf meiner Wange.

,,Du...", bringe ich geschockt hervor und fasse mir reflexartig an die Wange, ,,du schlägst wie ein Mädchen."

,,Du mieses kleines - ", setzt er an, wird dann jedoch von einem quirligen roten Haarschopf abgelenkt, der so stürmisch gegen ihn rennt, dass mein Widersacher zu Boden geht.

Lässig setzt Holiday Tucker ihre Sonnenbrille ab und lächelt mich an.

,,Steig ein."

Das muss sie mir nicht zweimal sagen und schnell lasse ich mich auf den Beifahrersitz fallen.

Kaum bin ich angeschnallt, rast sie auch schon los und lässt somit Trevor und seine Freunde hinter uns.

,,Danke."

,,Du brauchst dich nicht zu bedanken.", zischt Holly plötzlich.

Während der gesamten Fahrt versucht ich nicht noch einmal, ein Gespräch zu beginnen, denn ganz ehrlich, ein wenig Angst vor dem rothaarigen Teufelchen habe ich schon.

Und trotzdem sitze ich gerade neben ihr und habe keine Ahnung, wo sie hinfährt.

Nach ungefähr 10 Minuten, die wir in einem angespannten Schweigen verbracht haben, fährt sie in die Einfahrt von einem großen Haus, welchen überwiegend einen lilanen Anstrich hat und hier und da kann ich ein paar Graffitis sehen, die bunt auf der Hauswand prangen.

Zögerlich steige ich aus und folge Holly, die zielstrebig auf das mir fremde Haus zugeht.

,,Ähm Holly, wo genau gehen wir hin?", frage ich dann doch, als meine Neugier überhand nimmt.

,,Home sweet home.", sagt sie nur und stößt die Haustür auf, währke ich mich fühle, als wäre ich von einen Bus überrollt worden.

Was.

Zur.

Hölle.

Das erste, was mir auffällt, sind die vielen bunten Graffitis, die jeden Zentimeter der Wand füllen und in allen Farben des Regenbogens schillern.
Es gibt aber auch einige schwarze und graue Motive, die aus der bunten Masse herausstechen.

Die Möbel bestehen hauptsächlich aus schwarzem Leder und als ich inbdas Wohnzimmer komme, sehe ich sofort zweinchlagzeuge in den Ecken stehen, wobei einen ebenfalls schwarz und das andere silberfarben ist.

,,Meine Eltern sind Punks.", erklärt mir Holly, als eine ältere Frau mit lila Haaren und einem Nasenpiercing in der Tür erscheint, die fröhlich ,Good sage the Queen' von den Sex Pistols singt.

,,Oh!", ruft die Frau erstaunt aus, als sie uns beide wahrnimmt, ,,Ich wusste gar nicht, dass du heute einen Jungen mit nach Hause bringen wolltest."

Als Antwort verdreht Holly nur genervt die Augen und geht zu einem Regal hinüber, wie ein ziemlich teuer aussehendes Soundsystem steht und ich bin mehr als froh, dass sie die ohrenbetäubende Musik leider stellt.

Eine Sekunde später betritt ein Mann das Wohnzimmer, dessen Haare blau und grün schillern. Es hat bestimmt Stunden gedauert, solche Farben hinzubekommen. Außerdem trägt er ein schwarzes Shirt, sodass ich auf seinen Armen ein paar Tattoos erahnen kann, die ich definitiv nicht näher betrachten möchte.

,,Was ist mit meiner Musik passiert?", fragt er neugierig und für meinen Geschmack eine Spur zu unfreundlich.

Ich meine, es ist doch bloß Musik, oder?

Holly scheint das genau so zu sehen, denn untätig verschränkt sie ihre Arme vor der Brust und starrt ihren Vater an.

Plötzlich gleitet der Blick des blauhaarigen Mannes zu mir und es wirkt, als hätte er meinetwegen seine Einstellung geändert, denn er knufft seiner Tochter freundschaftlich in die Seite, bevor er auf dem Absatz kehrt macht und das Wohnzimmer wieder verlässt.

,,Oh", sagt er noch, bevor er aus unserem Blickfeld verschwindet, ,,Habt bitte keinen Sex auf der Couch."

,,Dad!", ruft Holly peinlich berührt aus und daraufhin geht der Mann wir noch, zwinkert Holly dann aber noch einmal zweideutig zu.

Läuft bei dem, würde ich mal sagen.

Ohne ein Wort zu verlieren, kommt sie auf mich zu und zieht mich mit aus dem Wohnzimmer und eine Treppe hinauf.

Ganz ehrlich, sowas zieht mich mit so einer hohen Geschwindigkeit in die obere Etage, dass ich in meinen Leben zum ersten Mal das Gefühl habe, fliegen zu können.

Eilig schiebt Holly mich in das nächstgelegene Zimmer, welches sich als ihr eigenes entpuppt.
Dann lässt sie mich los und schreit ganz laut ,,Mach schon, geht zu ihm!" bevor sie ihre Tür lautstark zuknallt.

Mein Atem stockt, als ich meinen Engel auf ihrem Bett liegen sehe und als ich bemerke, wie demoliert sein Gesicht ist, schießen mir dicke, heiße Tränen in die Augen.

Tiefe Kratzer zieren seine Wangen und sein linkes Auge ist angeschwollen, während sein Haar wild von seinem Kopf absteht .

Jason scheint uns gar nicht bemerkt zu haben, denn sein Blick ist reglos gegen die Decke gerichtet.

,,Jason?", laufe ich flüsternd auf ihn zu und berühre in sanft an der Schulter, ,,Was ist passiert?"

***

Was ist euer Traumberuf und warum? Welchen Beruf würdet ihr nie ausüben wollen und warum nicht?

Star Gazers (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt