Rede mit mir

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Kostas

Da Mik schon seit Stunden in seinem Zimmer hockte, und offenbar keine Lust hatte mit mir abzuhängen (was mich ehrlich gesagt ziemlich ärgerte) machte ich einen Holoanruf bei Brian.

„Alter", sagte er, anstatt einer Begrüßung. „Das war ja krass. Ich wollte dich auch grad anrufen!" Ich schmunzelte.

„Auch wirklich?"

„Klar. Meine Eltern erlauben, dass ich dich für ein paar Wochen besuchen komme. Ich kann nächste Woche schon da sein, wenn euch das passt. Der Flug dauert etwa drei Tage, also muss ich schnell wissen, ob dein Vater das erlaubt"

„Das ist ja... ich meine, das is großartig. Man, hätte nicht mehr gedacht, dass das noch was wird bei dir". Seine Eltern hatten es ihm aufgrund der großen Entfernung nie erlaubt mich zu besuchen. Aber nun hatte er sie offenbar weichgeklopft.

„Ich ruf gleich mal meinen Pap an. Dann melde ich mich wieder bei dir!"

Schnell versuchte ich meinen Vater zu erreichen, aber natürlich hatte ich keinen Erfolg. Also sendete ich ihm eine Nachricht. Als ich wieder aufsah, stand Mik in der Tür. So unverhofft, dass ich glatt erschrak.

„Wer will dich besuchen?", fragte er, ohne sich von meinem fast Herzinfarkt beeindrucken zu lassen.

„Mein bester Freund. Brian. Keine Angst, du wirst ihn mögen, denke ich."

Mik lachte. „Das klingt nicht sehr überzeugt"

„Naja, er hat einen speziellen Humor. Aber er ist in Ordnung." Er nickte.

„Okay"

„Was ist nun? Wieder fähig am Leben teilzunehmen?", fragte ich ihn stichelnd.

Er knuffte mich in die Seite. „Ja. Ich denke schon."

Wir verbrachten den Nachmittag im Pool. Diesmal schwammen wir ein paar Bahnen. Mik war immer noch ziemlich in sich gekehrt. Ich versuchte einen Grund dafür zu finden, aber leider kam ich dabei nicht wirklich weit. Irgendwann setzte ich mich an den Rand des Pools, und lies nur noch die Beine ins Wasser hängen. Mik schwamm weiter, zog seine Bahnen durch den Pool und ich beobachtete, wie er sich durchs Wasser bewegte. Was auch immer es war, was ihn gerade beschäftigte, ich würde das schon herausfinden. Denn wie sehr ich mich auch darauf freute, dass Brian mich besuchen würde, ich hatte jetzt einen weiteren besten Freund. Mik war in den letzten Wochen irgendwie zu meinem Lebensmittelpunkt geworden. Und auch wenn ich vorher über Wochen und Monate einsam gewesen war, war das nichts gegen einen Nachmittag, an dem Mik nicht in meiner Nähe war. Wenn er da war, war alles so viel erträglicher.

Am Abend rief ich nochmal bei meinem Vater an, und klärte die Sache mit Brian ab. Wie ich bereits vermutet hatte, gab er grünes Licht für unser Treffen, was mich außerordentlich freute. Dafür, dass wir bester Freunde waren, sahen wir uns nämlich viel zu selten. Wie es wohl sein würde mit Mik und Brian eine ganze Woche zu verbringen? Ich hoffte nur, die beiden würden sich verstehen. Sonst könnte das ziemlich schwierig werden. Vielleicht sollte ich Brian nochmal anrufen und ihm erklären, dass er Mik auf keinem Fall wie einen Sklaven behandeln sollte. Oder zumindest nur dann, wenn mein Vater hier auftauchte.

Mik verschwand an diesem Abend direkt nach dem Essen in seinem Zimmer. Er hatte es inzwischen raus, zu kommen und zu gehen, wie es ihm passte. Keine Fragen, kein Pflichtgefühl. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte er diese Gesten so schnell abgelegt, dass ich bezweifelte, dass er sie jemals richtig verinnerlicht hatte. Gut so. Sie hatten ihn in diesem Lager nicht brechen können.

Dennoch machte es mich traurig, dass er schon wieder aus meiner Nähe verschwand. Was sollte ich denn den ganzen Abend machen, ohne ihn?

Mik

Ich war noch nicht lange in meinem Zimmer, da stand Kostas mal wieder in der Tür. Meistens klopfte er wenigstens an. Heute hatte er sich das allerdings gespart.

„Warum bist du so früh schon in deinem Zimmer?", fragte er frei heraus. Ich zögerte. Manchmal hielt ich es schlecht aus in seiner Nähe. Wenn die Sehnsucht zu groß wurde, floh ich lieber, als mich durch irgendeine Ungeschicktheit zu verraten. Ich konnte ihm jetzt nicht mehr ständig nahe sein. Nicht, ohne den Verstand zu verlieren. Irgendwann würde ich mich nicht zurückhalten können. Ich irgendetwas tun und sagen, was mich auffliegen ließ. Das durfte niemals passieren.

„Ich komm dann gleich nochmal rüber, wenn du willst. Ich brauche nur kurz eine Minute für mich", sagte ich leise.

„Aber du wixt dir jetzt nicht heimlich einen, oder?", fragte er, mit seinem verschmitzten Grinsen.

„Vielleicht schon", sprang ich einfach auf den Zug auf. Wenn er sich selbst eine Erklärung für mein Verhalten ausdachte – umso besser. Solange er nicht hinter die Wahrheit kam...

Kostas machte die Tür zu, allerdings von innen und schmiss sich neben mich aufs Bett. Das hatte er noch nie getan. Außer bei dem klärenden Gespräch neulich, war er nie länger in meinem Zimmer gewesen. Doch nun lag er neben mir, und auch wenn sich unserer Arme nicht berührten, spürte ich doch seine Wärme ganz deutlich.

Er drehte sich auf die Seite, und sah mich an. „Was ist los mit dir? Du kannst es mir sagen, egal was es ist!", sagte er leise. Ich spürte jedes seiner Worte als sanften Luftzug an meiner Schulter.

„Ich hab doch gesagt, dass nichts ist.", brachte ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Er war mir viel zu nahe. Wie sollte ich das aushalten?

„Wolltest du dir nicht einen runter holen?", fragte er plötzlich. Ich sah ihn verwirrt an.

„Was? Hier vor dir?", meine Stimme zitterte leicht.

„Wieso nicht? Wixen Jungs in unserem Altern nicht öfter zusammen? Meine Freunde an der Schule..."

„Jaja, habs verstanden.", sagte ich schnell. „Bei uns gab es ähnliches. Aber ich glaube es war anders als hier. Es war alles weniger... verschlossen. Sexualität gehörte einfach zu unserem Leben dazu. Es war nichts, was heimlich und hinter verschlossenen Türen stattfand. Wenn man es am Strand getan hat, und zufällig andere vorbei kamen, die dort spazieren gingen, war das kein Grund aufzuhören."

Kostas lauschte mir gebannt. Er sah mich abschätzend an.

„Du wirkst aber immer so verschlossen. Dieses Thema hast du doch selbst immer gemieden. Es ist total komisch dass du jetzt sagst, es wäre so locker gewesen bei euch."

„War es aber. Es ist nur... Ich kann nicht einschätzen was davon in Ordnung ist. Denn einiges was bei uns ganz normal ist, wäre es hier nicht. Ich will nichts Falsches sagen." Ich war selbst erstaunt darüber, wie die Worte plötzlich aus mir raussprudelten. Vielleicht hatte ich bereits zu viel gesagt, doch andererseits tat es gut, endlich darüber zu reden. Aber wie viel konnte ich ihm sagen?

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt