Was es ist

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Kostas

In den nächsten Tagen stellte ich Mik eine Menge Fragen. Eigentlich die gleichen Fragen, die ich ihm vor Wochen schon über Mädchen gestellt hatte, nur diesmal nicht auf ein Geschlecht reduziert. Jetzt beantwortete er jede meiner Fragen, auch wenn er mich bei der einen oder anderen Antwort nicht ansah, sondern verlegen den Blick senkte. Er hatte auf seinem Planeten bereits zwei Freunde gehabt, allerdings war er zu dem Zeitpunkt, als man ihn von dort weggeholt hatte, Single gewesen.

Es war komisch ihn so darüber reden zu hören. Immerhin hatte ich mein Leben lang gelernt dass es falsch sei, so zu sein, wie er. Doch ihn nun erzählen zu hören, machte mich nachdenklich. Vielleicht lag es an der Art wie er darüber sprach, aber so wie er es schilderte, erschien es mir kein bisschen falsch, eklig oder abnormal. Im Gegenteil. Es interessierte mich, seine Sicht der Dinge kennenzulernen und ich hörte aufmerksam zu als er schließlich berichtete, und ich fragte immer weiter nach, forderte ihn auf, ins Detail zu gehen. Vielleicht interessierte es mich ein bisschen zu sehr.

An den Abenden ertappte ich mich dabei ihm nachzusehen, wenn er in sein Zimmer ging.

Ich konnte ihn gut leiden. Mochte es, wie vertraut wir miteinander umgingen. Und aus dem, was er mir in den letzten Tagen erzählt hatte, war Stück für Stück eine Neugierde entstanden, die ich nicht einordnen konnte. Am liebsten wäre ich dort gewesen, hätte mit eigenen Augen gesehen, wie es bei ihm zu Hause ablief. Diese Freiheit, sich selbst finden zu können, egal in welche Richtung es ging. Das musste toll sein. Ich hatte die Mädchen in der Schule immer gemocht. Hatte ihnen nachgesehen und mir vorgestellt wie sich ihre Haut unter meinen Fingern anfühlen würde. Doch damals hatte ich nie über eine Alternative nachgedacht. Jetzt wo ich darüber nachdachte, hatte ich schon das Gefühl, dass ich auch durchaus andere Jungs attraktiv gefunden hatte. Ich hatte diese Gedanken, diese Seite an mir allerdings nie zugelassen. Sie nie ernst genommen. Oder bildete ich mir jetzt etwas ein? Ich war mir nicht sicher. Vielleicht stellte ich mir diese Frage auch nur, weil Mik mir von seinen Erfahrungen erzählt hatte. Vielleicht vermische ich die Schilderungen seiner Vergangenheit inzwischen mit meinen eigenen Erinnerungen, einfach weil ich mich so gut in seine Worte hineindenken konnte?

Als er ein paar Tage später beim Abendessen neben mir saß, nahm ich seine Gegenwart ganz anders war. Ich saß nahegenug neben ihm, um seinen Geruch ständig in der Nase zu haben. Er roch gut. Ich wollte am liebsten näher kommen, ihn berühren, herausfinden was diese Gedanken und Gefühle bedeuteten. Doch ich konnte es nicht. Diese unsichtbare Grenze schwebte über mir. Ich wusste, dass es verboten war. Dass ich diese Erfahrung nicht machen durfte. Aber vielleicht lag es auch genau an diesem Verbot, dass es mich mit jeder Sekunde mehr reizte, ihn zu berühren. Herauszufinden, wie es sich anfühlen würde ihn zu küssen. Wer sollte es denn je erfahren?

Mik

Kostas sagte keinen Ton, seit wir mit dem Abendessen begonnen hatten. Inzwischen waren wir fast fertig den Tisch abzuräumen, und immer noch herrschte dieses merkwürdige Schweigen. Warum sagte er nichts? Die letzten Tage, hatte er mich mit allem gelöchert was ihm nur eingefallen war, von sehr niedlichen diskreten Fragen bis hin zu genauen Details zu meiner Sexualität. Jetzt wo die Sache ausgesprochen war, wollte er offenbar alles darüber wissen, was ja auch in Ordnung war. Doch was sollte jetzt diese Stille? Eigentlich hatte ich den Eindruck gehabt, dass er die die ganze Sache recht gut aufgenommen hatte. Jetzt war ich mir plötzlich nicht mehr sicher.

Als er nach dem Abräumen des Geschirrs immer noch nichts gesagt hatte, ging ich wieder zu meiner Zimmertür. Doch kaum hatte ich ein paar Schritte in die Richtung gemacht, sagte Kostas leise: „Stopp."

Das reichte um mich innehalten zu lassen. Denn eigentlich wollte ich auch gar nicht aus seiner Nähe verschwinden.

Er kam auf mich, langsam, fast als würde er bei jedem Schritt überlegen, ob er überhaupt weiter gehen sollte. Schließlich stand er vor mir, und tat es wieder. Er legte die Arme um mich und zog mich in eine feste Umarmung. Meine Arme legten sich wie von selbst um seine Hüften, so dass ich ihn auch an mich drücken konnte. Mein Herz frohlockte in meiner Brust, während mein Kopf immer noch vollkommen ratlos war.

Als er mich nach einigen Sekunden wieder los ließ, grinste er verlegen.

„Ich wollte nur mal wissen, wie sich das anfühlt", sagte er leise. Jetzt musste ich auch grinsen.

„Und?", fragte ich, fast noch leiser.

„Es ist schön", gab er zu.

„Dann komm doch wieder her."

Und promt legte er wieder die Arme um mich und sein Gesicht auf meine Schulter. Wir standen eine Weile einfach nur so da, atmeten und ich genoss die Wärme. Seine und die die sich in meinem Inneren ausbreitete. Mir war klar, dass er nicht das gleiche Empfand wie ich. Wie sollte er auch? Er war nur ein verwirrter Teenanger, der so einsam war, dass es ihm inzwischen egal war, wer es war, der ihm den Wunsch nach körperlicher Nähe erfüllte. Dennoch genoss ich die Zeit die ich ihm nahe sein konnte, so gut ich konnte. Diesmal dauerte es wesentlich länger, bis er die Umarmung löste. Er nahm meine Hand wog sie in seiner. Als teste er wie es sich anfühlte sie in seiner zu halten. Dann sah er mich abschätzend an.

„Ich will nicht, dass du schon wieder in deinem Zimmer verschwindest.", sagte er ernst.

„Okay", sagte ich leise. „Dann bleibe ich."

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt