Kostas
Mik trug immer dieses Halsband. Immer. Es war um seinen Hals befestigt, und er durfte und konnte es nicht abnehmen. Im Handbuch hatte ich gelesen, dass es den Sklaven unmittelbar tötete, sollte dieser Versuchen es abzunehmen. Dies geschah über einen winzigen Sprengsatz in seinem Kopf. Man kann sagen, ihm würde das Gehirn in seinem Schädel explodieren. Kein besonders beruhigender Gedanke. Noch weniger beruhigend war, dass es eine Funktion gab, dies auch manuell auszulösen. Ich konnte also jederzeit für den Tod eines Menschen sorgen. Ohne dass mir irgendwelche Konsequenzen drohten. Doch meistens ignorierte die diesen Fakt. Ich hatte diese Tatsache tatsächlich erfolgreich verdrängt, bis sie mir heute wieder ganz plötzlich eingefallen ware, weil das Halsband plötzlich eine Rolle spielte.
Ich hatte mich so an das Teil gewöhnt, dass es mir im Normalfall gar nicht mehr auffiel. Es war wie ein Schmuckstück, das er trug. Ein Teil von ihm. Heute aber war es anders. Denn heute würden wir nach draußen gehen und das bedeutete, dass ich ihm die „Leine" anlegen musste. Die Kette, die an seinem Halsband befestigt wurde und an einem Armband an meiner linken Hand. Einen Schlüssel gab es nicht. Das Band war nahezu unzerstörbar und nur Kimmy konnte es hier zu Hause verriegeln und entriegeln. Damit war Mik während wir draußen waren an mich gebunden. Konnte keinen Schritt ohne mich tun. Am liebsten hätte ich ja auf diese Leine verzichtet, doch Sklaven ohne Kette konnten an jedem Kontrollpunkt ohne Vorwarnung erschossen werden, was diese Option ausschloss. Ich hatte das selbst einmal miterlebt als Kind. Mein Vater hatte mich getröstet, mir erklärt, dass es „nur" ein Sklave gewesen war. Keine richtige Person. Aber seit ich Mik bei mir hatte, erschien mir diese Abwertung der versklavten Menschen immer merkwürdiger. Was unterschied sie denn von uns? Warum waren sie unfrei und zu niederen Arbeiten verdammt? Was gab uns das Recht diese Dinge mit ihnen zu tun?
„Wollen wir dann gehen, oder nicht?", riss mich Mik aus meinen Gedanken. Er hielt die Leine in der Hand und drückte sie mir in die Hand.
„Hier. Los, mach das Ding da fest, dann haben wir es hinter uns", sagte er mit einem minimalen Augen rollen.
„Mir gefällt das auch nicht, weißt du.", sagte ich leise, während ich die Kette einhakte, und danach Kimmy das Zeichen, für die Verriegelung gab. Er hatte sich nie beklagt. Doch ein Blick von ihm genügte um mir zu zeigen, dass er diese Kette nicht gern trug. Aber wer trug schon gerne Fesseln?
Wir stiegen direkt von der Terrasse in einen Shuttle und ließen uns bis ins Stadtzentrum fliegen. Das kleine Fluggerät surrte leise, während es sich in den Strom der anderen Gefährte einreihte und die mit Lichtstrahlen markierte Flugbahn hinabsauste. Es dauerte nur einige Minuten, bis wir auf einem hell erleuchteten Platz aussteigen konnten. Menschen. Überall Menschen. Die meisten von ihnen wuselten geschäftig umher. Wir aber blieben beide einfach in Mitten des Platzes stehen und sahen uns um.
„Ich war eine halbe Ewigkeit nicht mehr allein hier draußen", sagte ich leise. Ich folgte Miks Blick und erkannte schnell, wie er wiedermal alles in sich aufnahm. Die von Metallisch schimmernden Farben geprägten Outfits der Vorbeiziehenden, Die Sklaven, welche stumpf hinter ihren Besitzern her trotteten und die verschiedenartigen Haustiere und Mechas die teils geführt, teils selbstständig unterwegs waren. Er war wie ein Schwamm, der aufnahm, was auch immer man ihm anbot. Gierig aufsaugte, was ihm seine Umwelt bot und alles blitzschnell verarbeitete. Er war kaum eine Woche bei mir und hatte jedes Spiel verstanden, was ich ihm erklärte (in einigen schlug er mich sogar bereits), jeden Fakt behalten, den ich ihm über unseren Planeten oder meiner Familie erzählt hatte. Es war einfach nur erstaunlich.
„Was machen wir jetzt?", fragte ich nach einer Weile und Mik grinste mich schelmisch an. Ein paar Passanten sahen empört zu uns hinüber, weshalb er schnell seinen Blick wieder abwandte und zu Boden sah. Natürlich. Ein zu vertrauter Umgang mit seinen Bediensteten war ja nicht gern gesehen.
„Lass uns einfach mal durch die Läden gucken", sagte ich leise, und zog ihn an seinem Halsband mit mir. Nicht weil ich das so wollte, sondern einfach, weil es von mir erwartet wurde. Mik schien diese Geste allerdings zu verstimmen. Er sah mich für die nächste halbe Stunde nicht mehr an. Ich kaufte ein paar Schuhe und ein neues Spiel für mein Computersystem, ohne dass er auch nur ein Wort mit mir sprach.
„Seit wann habt ihr denn Bedienstete?", fragte plötzlich eine Stimme hinter mir, und ich drehte mich abrupt um. Da ich meine Bewegung nicht geplant hatte, riss ich dabei an Miks Kette, sodass er vor mir auf die Knie stürzte und vor Schmerz aufstöhnte.
„Sorry, man.", sagte ich leise.
Ich hatte Resa nicht gesehen. Sie war früher in meiner Klasse gewesen.
„Seit ich mir einen gewünscht habe. Pa meint, wir brauchen ihn nicht, aber ich habe gern jemanden um mich, der mit mir zockt."
„Man, Dennis, du kannst doch auch im Netz zocken. Internetfreunde sind sowieso besser als das da", sie machte eine abfällige Bewegung, zu dem immer noch auf dem Boden knienden Mik „Er wird dir nie einen echten Freund ersetzen können!"
Einatmen. Ausatmen. Dennis. Seit der Grundschule hatte mich niemand mehr so genannt. Und eigentlich wusste jeder, dass ich diesen Namen mied, seit meine Mutter gestorben war und ich bei meinem Vater leben musste. Und außerdem... was ging es sie an mit wem ich Zeit verbrachte und ob ich es auf diese oder andere Weise tat??
„Ich will einfach noch ein atmendes Wesen im Haus, wenn mein Vater nicht da ist. Was dagegen?", fragte ich kühl. Resa war hübsch, nur leider bildete sie sich darauf etwas ein.
„Wenn du meinst", sagte sie und warf ihr hellbraunes Haar in den Nacken. Sie lächelte herausfordernd, aber ich hatte ihr einfach nichts mehr zu sagen.
„Wenn du so weiter machst, wirst du nie ein Mädchen für dich gewinnen", flüsterte Mik, als wir das Geschäft verlassen hatten. Ich knirschte mit den Zähnen.
„Als wenn du dich damit auskennen würdest!", gab ich kühl zurück. Ich realisierte, dass er mich von der Seite her ansah, doch es kam kein Wort über seine Lippen.
DU LIEST GERADE
Human Toy - Kostory
FanfictionWie viele Planten sind inzwischen bewohnt? Mik kann darüber nur mutmaßen. Auf seinem Heimatplaneten, gibt es keine Weltenreisenden. Allgemein scheinen diese Geschichten über andere Welten sehr weit hergeholt zu sein. Er und seine Familie hatten doch...