Das große Ganze

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Kostas

Das Gespräch dauerte mehrere Stunden. Zuerst redete nur John aber nach einer Weile klinkten sich Chris und Juli (ja ich hatte Recht mit ihrem Namen) immer wieder in das Gespräch ein, ergänzten hier und da etwas und sprachen mich sogar direkt an.

Offenbar hatte ich nie wirklich begriffen wie ungerecht das System war, in dem ich lebte. Ich hatte lediglich an der Oberfläche gekratzt. Natürlich hatte ich davon gewusst dass es auch ärmere Menschen gab. Dass die Wohnungen je weiter man sich vom Stadtzentrum entfernte kleiner wurden, dass es hunderte Dörfer gab, die nur aus Wellblechhütten bestanden, in denen Familien lebten die so arm waren, dass sich einige selbst in die Sklaverei verkauften um ihre Familien wenigstens etwas unterstützen zu können, mit dem Geld was sie dafür bekamen. Doch hatte ich nie den Zusammenhang gesehen, dass die Reichen immer mehr Geld horteten, und es den Ärmsten an den einfachsten Dingen fehlte. Die Gesetzte, die für Ordnung sorgen sollte, hielte die Armen klein, und ermöglichten den Reichen immer größere Technisierung und immer mehr Platz, Luxus und Reichtum.

Neu entdeckte Planeten wurden angegliedert, deren Urbevölkerung versklavt und deren Territorium genutzt um mehr Städte zu bauen. Die Wirtschaft wuchs und wuchs, die Technik wurde immer besser und präziser während die einfacheren Leute kaum noch Arbeit fanden.

Die Vogelfreien standen für alles was dieses System ausmerzen wollte. Für Diversität und Vielfalt für die Freiheit der einzelnen Menschen und für die Unterstützung der Armen und Benachteiligten. Die Abschaffung der Sklaverei war dabei nur ein kleiner Teil. Sie wollten, dass kleinere Kulturen bestehen blieben, dass jeder Mensch die Chance bekam sich frei nach seinen Fähigkeiten richtend entfalten konnte und dass die Güter endlich gerechter verteilt wurden. Natürlich wurde mir schnell klar dass auch die Firma meines Vaters dazu beitrug, das System aufrecht zu erhalten.

Ich kam mir ziemlich dumm vor, dass ich all das bisher nicht gewusst hatte. Chris und Juli versicherte mir, dass sie es auch nicht einfach gehabt hatten. Sie, genau wie jeder andere hier, hatte seine ganz individuelle Geschichte wie sie zu den Vogelfreien gekommen waren. Manche Freiwillig, oder aus Einsicht, andere als letzte Rettung vor einer Drohenden Strafe, weil sie einfach nicht ins System gepasst hatten. Einige waren, wie John es mit Mik vorhatte, einfach angehörige bereits vorhandene Mitglieder die nun befreit wurden. Was hier gerade lief war die „Warum up" Phase. Es wurden Mitglieder rekrutiert und Kontakte geknüpft. Dass die Organisation unentdeckt blieb hatte äußerste Priorität. Sie musste im Untergrund erstarken, bevor sie auch nur eine geringe Chance hatten wirklich etwas zu bewirken. Ein einzelnes Unkraut war leicht beseitigt, in ihrem perfekten Beet aus Unterdrückung und Wachstum doch bereits im Untergrund gebildetes Wurzelwerk, welches Ausläufer bis in die hinterste Ecke des Systems gebildet hatte, konnte nicht so leicht ausgemerzt werden. Darauf mussten wir bauen. Hatte ich gerade ‚wir' gedacht? SIE. Aber vielleicht auch wir. Vielleicht war dies die Aufgabe, die mir in meinem Leben so lange gefehlt hatte.

Ich schreckte hoch, als die Tür des Gemeinschaftsraumes mit einem Ohrenbetäubenden Quietschen aufgerissen wurde. Das Mädchen was da stand kannte ich bereits. Ihr Name war Kaja. Sie hatte die Verantwortung über die notdürftige Krankenstation unweit von meinem Zimmer. Sie war bekannt für ihre außergewöhnlichen Therapiemethoden, z.B. das Verteilen von Keksen als allererste Maßnahme.

„John, sie haben ihn. Sie haben deinen Bruder gefunden!" rief sie aufgeregt.

Mik

Mein ehemaliger Besitzer wollte mich zurück? Hatte Kostas es wirklich geschafft seinen Vater dazu zu bringen, mich wieder bei sich aufzunehmen? Wie hatte er das denn angestellt? Oder war es vielleicht etwas ganz anders. Vielleicht hatte Christos doch alle Einzelheiten herausbekommen, und war zu dem Schluss gekommen, dass ich eine richtige Strafe verdiente. Doch warum sollte er dann sein Geld dafür ausgeben mich zurück zu bekommen? Anzeigen konnte er meine Vergehen auch ohne mich zurück zu holen.

Nein, dass er mich zurück wollte, war gut! Es musste etwas Gutes bedeuten! Ich wollte, nein ich musste daran glauben. Nun mussten mich diese Leute nur noch gehen lassen.

Während ich das Frühstück zubereitete spürte ich immer wieder, wie meine Hände zitterten, und mir einfache Handbewegungen schwerer fielen als sie es normalerweise getan hätten. Ich hatte nur diesen einen Versuch. Ich musste die Nachricht so rüber bringen, dass sie es irgendwie für eine gute Idee hielten. Klar, es wurde wohl eine ordentliche Summe Geld geboten, doch wie viel genau, wurde mir natürlich nicht anvertraut. Würde es genug sein, dass es für sie gerechtfertigt war, sich für meinen Job einen neuen Sklaven zu suchen und einzuarbeiten?

Erst als die Familie bei Tisch saß und die Herrin des Hauses fragte, ob es etwas zu berichten gab, meldete ich mich mit der Nachricht zu Wort. Sie tat diese Information mit einem Nicken ab, was mir das Herz in die Hose rutschen ließ. Sie schien nicht mal darüber nachzudenken.

„Herrin, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf... Meine ehemaligen Herren waren äußerst Wohlhabend, vielleicht wäre es in ihrem Interesse sich das Angebot wenigstens anzuhören."

Ihr Blick traf mich scharf und kalt.

„Natürlich werde ich den Händler sein Angebot unterbreiten lassen. Aber das bespreche ich doch nicht mit dir. Räum du den Tisch ab und sieh zu, dass du die Küche diesmal etwas gründlicher putzt!"

Ich vollführte eine kleine Verbeugung, und machte mich daran das Geschirr einzusammeln. Ich versuchte mir die Genugtuung nicht anmerken zu lassen, die selbst durch die kühle Bemerkung meiner momentanen Besitzerin nicht abgeschwächt werden konnte. Mit etwas Glück, war ich schon bald hier weg. Kostas wartete da draußen auf mich.

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt