Gewissensbisse

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Mik

Als ich am Morgen erwachte, schlief Kostas noch. Ich schob vorsichtig seinen Arm von mir runter und ging ins Wohnzimmer um mir von Kimmy einen Kaffee machen zu lassen. Mir gingen tausend Dinge durch den Kopf.

Vielleicht hätte ich es niemals so weit kommen lassen dürfen. Doch ich war einfach zu schwach gewesen, um es zu verhindern. Ich liebte diesen Jungen nun mal. Wie sollte ich ihn da überzeugend von mir fernhalten? Ich wusste auch jetzt nicht wie es weiter gehen sollte. Wir hatten diese eine Grenze überschritten. Jetzt kamen wir nicht mehr zurück. Nicht, wenn es ihm so ging wie mir. Nicht wenn er es so genossen hatte wie ich. Klar hätten wir einfach aufhören können, doch wie sollte das funktionieren? Hier konnte uns niemand erwischen. Und wenn wir ehrlich zu uns selbst waren oder zu einander, wollten wir es viel zu sehr, als dass wir einfach damit aufhören konnten. Zumindest was mich betraf.
Klar, Kostas stand offenbar genauso wie ich auf das was wir hier machten. Aber aufgrund seiner Isolation war ich mir echt nicht sicher, wie viel Aussagekraft das hatte. Er hatte sich ein Mädchen gewünscht, das ihm Gesellschaft leistete. Vielleicht war ich nur der billige Ersatz. Andererseits... würde er sich für ein paar Experimente in solche Gefahr begeben?

Ich grübelte ein Weile vor mich hin, lies unsere gemeinsame Zeit Revue passieren, als mir plötzlich der Gegenstand wieder einfiel. Mein Gefühlschaos hatte ihn und den alten Mann der ihn mir gegeben hatte, einfach aus meinem Kopf verbannt.

Ich lief in mein Zimmer um ihn zu holen. Auf der Couch sitzend betrachtete ich ihn erneut, doch auch jetzt fiel mir nichts Besonderes daran auf. Sollte ich...? Ich fragte mich, ob Kimmy mir etwas dazu sagen konnte. Doch würde sie ihn einmal scannen, würde sie wissen, dass ich den Gegenstand hatte. Doch so wie es jetzt war, nützte er mir ja nichts.

„Kimmy?", sagte ich seufzend, immer noch unsicher, ob ich das Richtige tat.

„Ja, 7-0-9?" Ich knirrschte mit den Zähnen.

„Kannst du mir sagen was das ist?"

„Ich bin mir nicht sicher. Darf ich den Gegenstand scannen?"

„Ja, mach", antwortete ich ungeduldig. Die Lichtstrahlen erfüllten den Raum, dann begann Kimmy zu sprechen.

„Dies ist eine Technologie zur Kommunikation aus dem vergangenen Jahrhundert. In dem Zylinder befindet sich eine Holonachricht. Soll ich die Software runterladen um die Nachricht abzuspielen?"

„Ja", sagte ich schließlich.

„Ich bin soweit. Soll ich die jetzt Nachricht abspielen?", fragte sie nach ein paar Sekunden.

„Ja, bitte."

Eine holografische Erscheinung zeigte sich im Raum. Ich traute meinen Augen kaum. Es war mein Bruder. In den typischen Sklavenklamotten stand er da und grinste mich an. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass er mich angrinste.

„Hallo keiner Bruder. Endlich habe ich herausgefunden wo du bist. Ich hoffe diese Nachricht erreicht dich und du kannst sie ungestört abspielen. Es ist nicht sicher dir auf diesem Wege genaueres mitzuteilen daher nur das Nötigste. Mir geht es gut. Bald werde ich frei sein. Und ich werde alles dafür tun, dass auch du befreit wirst. Du wirst sehen. Wir sehen uns wieder."

Die Nachricht brach ab und ich konnte nur da stehen und auf die Stelle starren, wo Johns Projektion bis eben noch gestanden hatte.

Ein Gefühl von Schwerelosigkeit erfüllte mich. Ich freute mich so von ihm zu hören. Ich wusste, dass er lebte und dass es ihm offenbar ganz gut ging. Wie lange hatte ich über seinen Verbleib nur spekulieren können.

Aber was hatte es zu bedeuten, dass er sagte er würde frei sein? Und ich auch? Wie sollte er das bewerkstelligen? Und wer war der Alte der mir die Nachricht gegeben hatte?

Ich hatte Kopfschmerzen. Ich brachte die Nachricht zurück in mein Zimmer und versteckte sie unter meiner Matratze. John würde sich doch hoffentlich nicht in Gefahr bringen? Zu gerne hätte ich ihm geantwortet, dass es mir gut ging, und dass er sich nicht in Gefahr begeben brauchte, um mich zu holen. Doch ich wusste beim besten Willen nicht wie.

Also ging ich auf die Terrasse und ließ mich in den Pool gleiten. Das kühle Wasser würde mir helfen den Kopf frei zu bekommen.

Kostas

Als ich langsam aus meinem Traum in die Wirklichkeit zurück getragen wurde, merkte ich sofort, dass Mik nicht da war. Mein Kopf füllte sich wie von selbst, mit den Ereignissen von gestern Abend, und ich schlug eine Hand vor den Mund. War das wirklich passiert? Wie hatte diese Situation denn so eskalieren können? Was dachte er jetzt darüber, wo er die Nacht darüber geschlafen hatte? Und was sollte ich denken?

Ich versuchte meinem eigenen Kopf eine Reaktion abzuringen, aber alles was ich spürte war die Restmüdigkeit in meinen Gliedern und die leise Sehnsucht nahe meinem Zentrum. Nach demjenigen, der die Welt zusammenhielt. Nach dem einzigen Sinn in meinem Leben.

Wie hatte ich es all die Zeit nicht merken können, dass ich ihn so sehr brauchte? Dass er alles war was ich brauchte, um glücklich zu sein? Moment. War das...Liebe?

Es wurde mir warm ums Herz als ich daran dachte, dass wir die ganze Nacht eng umschlungen zusammen in meinem Bett verbracht hatten. Und ich vermisste ihn bereits schrecklich. Ich grinste in mich hinein. Wenn sich so verliebt sein anfühlte, dann war es gar nicht so übel.

Ich ging unter die Dusche und zog mir danach schnell ein paar Klamotten über. Dann machte ich mich auf die Suche nach Mik.

Ich fand ihn auf der Terrasse. Er lag auf einer der Sonnenliegen, hatte ein Handtuch um die Hüfte gewickelt und sonnte sich. Ein paar einzelne Wassertropfen schimmerten auf seinem Oberkörper. Als er den Blick hob und mich erkannte, verzog sich sein Mund zu einem sanften Lächeln, was mein Herz einen kleinen Hüpfer machen ließ.

Ich ging zu ihm und setzte mich auf den Rand der Liege. Mik setzte sich auf und legt eine Hand auf meine Schulter.

„Na? Wie fühlst du dich?", fragte er leise.

„Ich bin verwirrt, überwältigt und... glücklich", sagte ich langsam.

„Glücklich?"

„Ja. Ich habe gestern eine Menge über mich selbst rausgefunden."

„Hast du das?"

„Ja, allerdings."

„Scheiße"

Mik seufzte, legte sich wieder hin und schloss die Augen.

„Was ist?", fragte ich etwas verstimmt. Irgendwas stimmte hier nicht.

„Ich will nicht daran schuld sein, dass du jetzt verwirrt bist. Ich hätte das nicht zulassen dürfen. Ich bin so ein Idiot!"

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt