Angekommen?

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Mik

„7-0-9, spielst du mit mir?" fragte mich ein zartes Kinderstimmchen leise. Fans kleine Finger zupften ungeduldig an meinem Ärmel, während sie den Satz noch zweimal wiederholte. Langsam glitt ich aus meinem Traum in die Wirklichkeit hinüber. Es war Wochenende. Heute mussten die Kids nicht in die Schule. Das hielt Fran anscheinend trotzdem nicht davon ab mich bereits zur Morgendämmerung zu wecken.

„Spielst du mit mir?", wiederholte Fran hoffnungsvoll, nachdem ich mich endlich aufgerappelt hatte.

„Ja, klar. Was willst du denn spielen?", fragte ich, mich meinem Schicksal ergebend. Fran war eigentlich ganz niedlich. Ihre 13 jährige Schwester Abbie allerdings, war eine unverbesserliche Zicke. Sie war ihrer Mutter besonders ähnlich. Beide fanden immer etwas zu nörgeln. Zum Glück blieb Abbie so gut wie immer in ihrem Zimmer. Fran allerdings schien mich irgendwie zu mögen. In jeder freien Minute hing sie mir an den Fersen, sah mir beim Saubermachen zu, kommentierte wie ich das Frühstück zubereitete, und fragte mich immer und immer wieder ob ich mit ihr spielen könnte.

Jetzt war tatsächlich Zeit dafür, denn es war früh, der Rest der Familie würde in frühestens zwei Stunden wach werden. Erst dann war es Zeit für mich das Frühstück zu machen. Und da es gerade nichts gab was ich putzen oder aufräumen musste, die Wäsche und der Abwasch gemacht war, hatte ich jetzt wohl Zeit zum Spielen. Immerhin. Wenn ich genug Schlaf bekommen hätte, wäre mein Elan auch sicher etwas größer gewesen. Aber wer schläft schon gut auf einer gammligen Matratze hinter dem Sofa, vor allem wenn niemand Rücksicht darauf nimmt, dass du dort versuchst zu schlafen. Nachts kam Abbie manchmal runter, nahm ich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank, klirrte dabei laut mit den Gläsern und telefonierte dabei mit ihren Freunden. Ich fragte mich nur, wie ich meine Aufgaben auf Dauer schaffen sollte, wenn ich nie die Chance hatte, auch nur ein paar Stunden am Stück zu schlafen. Dazu kam, dass ich in den wenigen Stunden, in denen es in der Wohnung still war, oft wach lag und an Kostas dachte. Wie ging es ihm? Hatte sein Vater ihn vielleicht doch bestraft oder gar angezeigt? Wie ging es ihm? Ob er auch an mich dachte?

Manchmal hatte ich das Gefühl mir bliebe die Luft weg. Als Krampften sich meine Eingeweide so sehr zusammen, dass sie irgendwann nicht mehr da waren. Ich wollte nicht hier sein. Doch ich hätte mein Schicksal so viel leichter akzeptieren können, wenn ich wenigstens sicher wüsste, dass es ihm gut ging.

Manchmal dachte ich, dass mein Bruder mich vielleicht doch noch finden würde, doch ich wollte mir nicht so viele Hoffnungen machen. Klar ich war immer noch in der Nähe, auf dem gleichen Planeten, sogar in der gleichen Stadt. Doch wer weiß, für wen er arbeitete, was er hatte tun müssen um mich zu finden. Vielleicht gab er seine Suche auch einfach auf.

Wie es meinen Eltern wohl ging? Und meiner kleinen Schwester? Ich hoffte dass wenigsten sie noch auf Durania waren und ihr Leben genießen konnten. Auch sie vermisste ich schrecklich, doch der Schmerz darüber war nicht so groß, da ich mir ziemlich sicher war dass es ihnen wenigstens gut ging.

So starrte ich an die niedrige Decke des engen Wohnhauses, schlaflos und in Erinnerungen schwelgend.

„Also, was spielen wir?", fragte Fran und riss mich damit aus meinem Tagtraum. Ich gähnte. „Was immer du willst, Herrin." Fran kicherte. Sie fand es komisch wenn ich sie so nannte, denn ihre alte Sklavin hatte sie immer einfach beim Vornamen genannt. Da ich dafür aber die Anweisung oder wenigstens die Erlaubnis der Erwachsenen Meister und Herren brauchte, hielt ich strickt daran fest sie förmlich anzusprechen. Diesmal würde ich mir keine Fehler erlauben.

Wir spielten noch nicht lange als Abbie aus dem Zimmer kam, und sich darüber beschwerte dass Frans Lachen sie geweckt hatte. Ich, die Kleine immer noch auf den Schultern, setzte sie vorsichtig ab und verbeugte mich dann tief. Als sie mein Gesicht nicht sehen konnte, verdrehte ich die Augen, konzentrierte mich dann aber wieder und sagte mit ausdruckslosem Gesicht „Verzeihen sie, Herrin."

Abbie murrte nur etwas Unverständliches, zeigte dann auf die Getränkemaschine und nuschelte: „Worauf wartest du noch?"

Also kochte ich einen Cappuccino für das kleine Biest und servierte ihn mit einem Lächeln. Das war meine einzige Waffe. Ein breites Lächeln, um ihr zu zeigen, wie wenig mir ihre Unfreundlichkeiten ausmachten. Sie konnte mir nichts anhaben, wenn ich es nicht an mich heran ließ. So hielt ich es auch mit ihrer Mutter.

Als es an der Tür klopfte, beeilte ich mich die Tür zu öffnen und fuhr unwillkürlich zusammen als da der Sklavenhändler vom Marktplatz vor mir stand.

Eintausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Irgendwas war passiert... Der Kauf war ungültig und er wollte mich wieder zurück nehmen? Dann würde ich wieder in dem Käfig sitzen und auf den nächsten schäbigen Besitzer warten. Oder, noch schlimmer... vielleicht hatte mich Kostas Vater doch noch angezeigt. Vielleicht war er hier um mich meiner Strafe zu zuführen. Es fiel mir schwer klar zu denken, weshalb ich es nicht schaffte den Gast angemessen höflich zu begrüßen.

Erst als der Händler sich räusperte viel es mir wieder ein und ich hieß in ihm Namen der Familie willkommen und Frage nach dem Grund seines Besuches.

„Ich möchte mit deiner Besitzerin sprechen", sagte er mürrisch. „Würdest du ihr das ausrichten?".

„Verzeihen sie, aber die Herrin schläft noch. Wollen sie später wieder kommen?", sagte ich wie abgesprochen und hoffe dass er einfach wieder gehen würde.

„Nein, aber bitte richte ihr etwas von mir aus."

„Selbstverständlich" meine Stimme zitterte.

„Dein ehemaliger Besitzer will dich zurückkaufen. Er bietet einen stolzen Preis an, damit du wieder in seine Dienste trittst. Richte das deiner Herrin aus, sie soll mich bitte noch heute zurück rufen." Mein Atem setze für einen Moment aus. „Und ich würde dir raten die Nachricht auch auszurichten" fügte er misstrauisch hinzu.

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt