Mik
Es vergingen zwei Tage in denen Kostas Vater nur wenig, oder sogar gar nicht arbeitete. Wir saßen im Wohnzimmer, redeten oder schwiegen gemeinsam. Er war sehr nachdenklich, aber vor allem fragte er viel. Das aller meiste beantwortete ich ihm wahrheitsgetreu. Er stellte keine allzu unangenehmen Fragen, wie ich zunächst befürchtet hatte. Er ließ sich erklären was ich erlebt hatte, wie ich aufgewachsen war und wie ich zum Sklaven wurde. Und immer wieder fragte er mich Dinge über Kostas. Was er gesagt hatte zu seinem Leben, über ihn, als seinem Vater und über sein Leben hier über den Dächern der Stadt. Ich versuchte ihm schonend beizubringen, dass er alles andere als glücklich gewesen war und es vermutlich auch nie sein würde. Da ich so viel gelesen hatte, über diese Welt, konnte ich ihm schnell erklären wie diese Welt, dieses System Menschen wie seinem Sohn die Daseinsberechtigung aberkannte. Wie es ihn ausgrenzte durch das was er war. Was wir waren.
Ich wollte ihm nicht zu viel zumuten, aber als ich mir sicher war, dass er ihn nicht verurteilen würde, deutete ich an, dass ich Kostas keinesfalls zu irgendetwas gedrängt oder überredet hatte. Dieses Interesse war von ihm gekommen. Weil er eben anders war, für dieses System, nicht hineinpasste in die strikt gleichförmige Weltordnung des Planetensystems. Und ob er es nun sagte oder nicht, ich wusste dass er zumindest bis zu einem gewissen Grad begriff was ich meinte.
Kostas
Ich hatte es getan. Ich hatte die Worte ausgesprochen. Für ihn. Damit er frei sein konnte, so wie er es verdiente, auch wenn das bedeutete dass wir die Plätze tauschen würden... Wort wörtlich. Denn was ich vorschlagen wollte, nein was ich vorschlagen musste, war ein Austausch. Sie bekamen Mik und mein Vater dafür mich zurück. Wir wären beide wieder bei unseren Verwandten... aber dafür getrennt voneinander.
Man könnte jetzt sagen, dass wir gewusst hatten, dass es soweit kommen würde, dass wir es ja nicht anders geplant hatten, bevor mein Vater uns auf die Schliche gekommen war... Doch nun war es anders. Inzwischen wusste ich wie es sich anfühlte von Mik getrennt zu sein, und ich hatte einige Zeit mit der Hoffnung gelebt, ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können, mit ihm gemeinsam die Widerstandsgruppen zu verstärken. Seite an Seite für das Gute. In meinem Kopf hatte es bereits Gestalt angenommen. Nun musste ich mich mit dem Gedanken abfinden doch das Internat zu besuchen, und mich mein Leben lang zu verstellen. Nicht gerade rosige Aussichten. John wusste zwar, dass mir der Gedanke nicht wirklich zusagte, doch er hatte meinen Vorschlag schließlich akzeptiert, vor allem in Ermangelung einer besseren Alternative.
Ich durfte nicht mal bei den Verhandlungen dabei sein. Eine Drohne brachte meinem Vater die Holonachricht, dass ich gesund und am Leben war, und dass die Vogelfreien einen Austausch akzeptieren würden. Dass er diesem Austausch zustimmen würde, wusste ich bereits jetzt. Doch unter welcher Bedingung? Würde ich Mik wenigstens nochmal sehen können? Hätte ich zumindest die Gelegenheit mich zu verabschieden?
Mir lief es bei dem Gedanken kalt den Rücken hinunter. Ich lag in meinem Kellerzimmer, auf der Pritsche und fühlte mich seit ich hier war zum ersten Mal wie ein Gefangener. Ich ärgerte mich über den Lauf der Dinge und ich ärgerte mich darüber, dass es mir so schlecht ging, schließlich war dieser Ausgang ja im Prinzip sehr gut. Mik würde frei sein, und mir würde auch nichts Schlimmes geschehen. Wir wären einfach nur voneinander getrennt. Einfach nur. NUR.
John öffnete die Tür zu meinem Zimmer, als ich gerade dabei war, den Hocker, der neben dem Bett stand, umzutreten um meinem Unmut Luft zu machen. Er sah mich traurig an, doch das half mir gerade reichlich wenig.
„Was?", fragte ich lustlos.
„Dein Vater ist mit dem Austausch einverstanden. Wir treffen uns mit ihm, in dem Restaurant in dem ich euch damals beobachtet habe. Dort habe ich damals Mik wieder gesehen.
Wir werden alleine gehen. Nur wir beide und Mik und dein Vater. Ein paar von uns gehen mit, um sicherzustellen, dass er auch wirklich alleine kommt. Wenn die Luft rein ist, werden wir nur zu viert am Tisch sitzen und das Vorgehen besprechen."
„Wann?", fragte ich kurz angebunden.
„Morgen Abend..."
„Gut."
„Du wirst doch keinen Rückzieher machen?"
„Nein. Ich will, dass Miki frei ist", sagte ich schlicht.
„Danke." John lächelte mich warm an, doch ich brachte es nicht über mich zurück zu lächeln. Gerade als er mein Zimmer verlassen wollte, kam mir ein Gedanke.
„Kann ich dann wenigstens mit ihm reden? Ich würde mich gerne verabschieden, verstehst du?", John nickte überlegend.
„Wir werden sehen was sich machen lässt."
Der Tag zog sich wie Kaugummi in die Länge. Einerseits wollte ich Mik wieder sehen, andererseits hatte ich Angst vor der Rückkehr in mein altes Leben. Unvorstellbare Angst. Die Minuten vergingen zähflüssig ohne dass ich groß etwas tat. Im meinem Kopf kreisten immer wieder die gleichen Gedanken und immer wieder stieß ich an diesen Punkt an dem ich nicht weiter kam. Ich hatte keine Lösung. Es ging schlicht nicht. Es gab nichts was ich tun konnte. Es würde passieren. Heute Abend würde ich Mik für einen kurzen Moment zurückbekommen, nur um ihn dann für immer zu verlieren.
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Human Toy - Kostory
FanfictionWie viele Planten sind inzwischen bewohnt? Mik kann darüber nur mutmaßen. Auf seinem Heimatplaneten, gibt es keine Weltenreisenden. Allgemein scheinen diese Geschichten über andere Welten sehr weit hergeholt zu sein. Er und seine Familie hatten doch...