Heimkehr

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Mik

Als Kostas Vater und John uns mitteilten, was sie für uns geplant hatten, hatte ich zunächst angenommen, dass es schwierig werden würde diese Reise zu organisieren. Doch das war es nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Das Schiff das uns zurück in die Heimat bringen würde, stand bereits bereit. Wir mussten nur noch zum entsprechenden Hafen kommen und die Raumfähre besteigen. Sie würde uns und die anderen Minderjährigen nach Zoris bringen, einem benachbarten Planeten, von dem aus wir mit einem kleineren Schiff endlich nach Durania zurückkehren konnten. Bei dem Gedanken Kostas meine Heimat zeigen zu können, durchzog mich ein wohliger Schauer. Er würde unsere Insel hoffentlich genauso lieben wie ich.

Ich würde meine Eltern wieder sehen und meine kleine Schwester! Wie die Ausbildung vor Ort ablaufen würde, konnte ich mir zwar noch nicht vorstellen, doch offenbar hatte sich einiges geändert, seit ich fort war. Ich würde mich auch daran gewöhnen. Ich hatte mich an so viel Neues gewöhnen müssen, seit ich von dort fortgebracht wurde. Nun wurde es Zeit für meine Rückkehr. Endlich.

Kostas Vater und Hank sowie der Rest unserer kleinen Freundes-Gruppen brachten uns bis zum Spacehafen. Juli und noch ein paar der jüngeren aus dem Basispunkt würden mit uns kommen. Alle anderen waren entweder volljährig oder so gut wie.

Als wir am Eingang des riesigen Schiffes standen, wurde mir ein wenig mulmig zu Mute. Das letzte mal, dass ich mit einem Schiff dieser Größe unterwegs war, hatte man mich gewaltsam entwurzelt und aus meiner Heimat verschleppt. Und auch wenn dieses Schiff nun das Gegenteil bewirken sollte, nämlich meine temporäre Rückkehr, konnte ich die schmerzlichen Erinnerungen nicht ganz abschütteln. Kostas schien mein Unwohlsein mitbekommen zu haben. Er legte einen Arm um mich und zog mich ein wenig näher zu sich heran.

„Ich finds auch merkwürdig da einzusteigen. Es wird nochmal etwas ganz anderes. Aber wir schaffen das. Morgen sind wir schon bei deinen Eltern und schlafen in einer Lehmhütte... oder so."

Ich lachte. „Ich glaube wir sollten uns unsere eigene Hütte bauen.", erklärte ich ihm. In der meiner Familie war wenig Platz. Vermutlich hatte Kostas keine Ahnung wie wenig Platz unsere Hütten boten. Die meiste Zeit verbrachten wir draußen. In den Hütten wurde eigentlich nur geschlafen und sich vor den seltenen Unwettern oder den Menschenhändlern versteckt. Dennoch konnte ich mir gut vorstellen, dass er sich gut einleben würde, wenn wir einmal dort waren und er den ersten Kulturschock verwunden hatte. Ich hatte mich ja auch recht schnell in seiner Welt angepasst, dann konnte er das auch.

Kostas

Mein Vater nahm mich zum Abschied in den Arm und klopfte Mik kurz auf die Schulter. Der Abschied von den Anderen viel mir fast noch schwerer. Auch wenn man Vater sich so auf unsere Seite geschlagen hatte, was ich ihm vorher nie zugetraut hätte, war es immer noch irgendwie schwierig zwischen uns. Von einem normalen Vertrauensverhältnisses a la Vater-Sohn konnte man beim besten Willen nicht sprechen. Aber wer weiß. Vielleicht war dies der Neuanfang für uns.

Ich tröstete mich beim Abschied von Jessy, Laura, Chris, Isak, Marvin und Kaja damit, dass ich sie schon bald wieder sehen würde. Ein Jahr verging bestimmt schneller als wir es uns jetzt ausmalten. Ein bitterer Beigeschmack blieb dennoch. Bei den riskanten Manövern die ich bei Miks Befreiungsaktion live mitbekommen hatte, blieb ein gewisses Risiko, dass unser kleiner Freundeskreis nicht mehr vollständig sein würde, wenn wir zurückkehrten. Doch daran versuchte ich nicht zu denken. Der Abschied fiel mir so schon schwer genug.

Mik

Es wurden viele liebe Worte ausgetauscht und Beteuerungen in Kontakt zu bleiben (auch wenn ich es mir nicht so richtig vorstellen konnte, immerhin hatte wir keinerlei moderne Technik auf unserer Insel, mit der dies möglich gewesen wäre, aber Hank meinte, es sei inzwischen durchaus denkbar. Ich musste mich wohl einfach selbst überraschen lassen was mich zu Hause erwarten würde.

Die Überfahrt war eine Sache für sich. Das Schiff war dunkel und trostlos, aber immerhin hatten wir eine eigene Kabine, die wir nur dreimal zum Essen verließen bis wir nach ca. 20 Stunden Flugzeit in X-facher Lichtgeschwindigkeit (Die genauen Daten interessierten mich zu wenig, um sie im Detail zu behalten) durch das All gesaust waren. Durch ein Fenster, sahen wir Felder von Gesteinsbrocken und immer wieder andere Planeten vorüber ziehen, die aus der Entfernung wie Kinderspielzeug wirkten. Wie groß das Universum war, schüchterte mich im Inneren ziemlich ein. Die Handelsruten und der Verbund der modernen Welten umfasste fast vierhundert Planeten. Zwar gab es noch viele weitere, doch einige waren wie meiner sehr viel weniger Technisiert, und noch viel mehr waren gar nicht besiedelt. Wie sollten die Vogelfreien denn ein so stabiles, gefestigtes System in seinen Grundsätzen erschüttern? Wie sollten wir als kleine rebellsiche Gruppe ernsthaft etwas erreichen? Durch Hank wussten wir zwar, dass sich der Wiederstand auf duzenden Planeten bereits erhoben und vernetzt hatte, dass hinter dem Rücken des Systems die Banden der Zweifler und Freidenker erstarkten und eine generelle Umstrukturierung anstrebten... aber wie sollte diese denn gelingen? War das überhaupt möglich? Oder war dieses Jahr vielleicht das letzte, das wir in Sicherheit verbringen würden, bevor wir in einem aussichtslosen Kampf fallen würden?

Ich sah zu Kostas, der gerade eine Portion Pudding vernichtete, und wesentlich zuversichtlicher und unbesorgter wirkte als ich. Ich würde mich hüten ihn mit meinen Bedenken zu belasten. Sein Leben wurde auch zum wiederholten Male umgeworfen. Er musste sich auf das konzentrieren, was jetzt vor uns lag. Der Kampf lag noch weit genug in der Zukunft. Und wer wusste es schon? Vielleicht waren wir mehr, vielleicht waren wir mächtiger und stärker, als ich es jetzt ahnte.

Juli klopfte an unsere Kabinentür und trat ein.

„Jungs, ich hab so Hunger, einfach.", verkündete sie. Kostas drehte sich vorsichtshalber mit seinem Pudding von ihr weg. Ich lachte und warf ihr meinen Becher zu. Ich hatte sowieso keinen Bock auf das süße Zeug.

„Wir sollten gleich ankommen. Nach dem umsteigen sind es nur noch 2 Stunden. Uff, bin ich nervös.", sagte sie, während sie die Folie vom Pudding entfernte und begann die glibbrige Masse zu verspeisen.

„Hat dir aber anscheinend nicht den Appetit verdorben", merkte ich an.

„Ne, Pudding geht immer."

Der Rest der Reise verging ähnlich schnell wie mein ungutes Gefühl. Ich konzentrierte mich auf das hier und jetzt, auf meinen Plan für die nächste Zeit. Außerdem half es mir, Kostas und Juli bei ihrem Gespräch zuzuhören und mit ihnen zu lachen, als sie sich ausmahlten ihre Lehmhütte zu bauen, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben wie das funktionierte. Sie battelten sich damit, wessen Hütte wohl schneller zusammenkrachen würde, und warum. Dabei verflogen endlich meine Sorgen und ich freute nur noch nach Hause zu kommen.

🙂 Ich hoffe ihr mögt das Kapitel. Ich mag es irgendwie, auch wenn nicht sooo viel passiert🙂

Human Toy - KostoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt