Kapitel 14

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Das Raumschiff steuerte nun ohne menschliche Kontrolle durch das All, auf dem fehlerhaft eingegebenen Kurs lag ein roter Zwerg. Die nächste Crew sollte in einem halben Jahr automatisch geweckt werden, doch dessen Systemausfall hatten Robi und Dani bereits bestätigt. Das System war dermaßen überlastet, dass es diesen Ausfall nicht kompensieren konnte, die nächste Crew schlief weiter. Weitere 3 Jahre vergingen, in denen niemand geweckt wurde. Das Raumschiff flog weiter durchs Weltall, vorbei an mehreren Asteroidenfeldern. 97 Jahre und drei Monate vor der Ankunft fiel der Autopilot aus. Da die Bestätigung des Ausfalls ausblieb, schaltete das System auf Notfallmodus, sodass Paddy geweckt wurde. Diese kam langsam zu sich und erinnerte sich an die Geschehnisse vor ihrem langen Schlaf. Dann blickte sie zu Owens Kammer, die zu ihrem Schrecken noch geschlossen war. In dieser schlief Owen weiter, er war nicht geweckt worden.

„Wieso bin ich wach? Was ist mit Owens Kammer?", fragte sie sich. Obwohl sie hundemüde war, lief sie, so schnell sie konnte, in den Kontrollraum. Dort erwartete sie ein Desaster. Sie fand niemanden vor, doch viele rote Lampen leuchteten. Sie schaute in den Bildschirm und verstand erst einmal nur Bahnhof. Allmählich begriff sie, dass sie über den Notfallmodus geweckt worden war. Über die Lautsprechanlage rief sie nach Kollegen, doch niemand kam zu ihr. Also sah sie sich die Systemprotokolle an. „Ausfall der Beleuchtung auf der unteren Etage, Ausfall irgendeines Kontrollcomputers, Ausfall eines Roboters, Ausfall der automatischen Weckfunktion, Ausfall des Autopiloten...", zählte sie ihre Rechercheergebnisse auf. „Was ist hier passiert?", fragte sie sich immer wieder, ihre Müdigkeit war verflogen. Nun rief sie den Kurs des Autopiloten auf und erschrak erneut. Sofort erkannte sie, dass sich das Raumschiff einem roten Zerg nährte. Sofort änderte sie den Kurs, doch es war zu spät, um den roten Zwerg weiträumig zu umfliegen.

„Hoffentlich hält das Schiff stand", dachte Paddy. Doch daran konnte sie nichts ändern, stattdessen musste sie den Fehler finden. Zwar war sie handwerklich nicht ungeschickt, dennoch wünschte sie sich Owen an ihrer Seite.

„Alleine schaffst du das nicht", sagte ihr Verstand immer wieder. „Ist das der gleiche Verstand, der mich jahrelang von Owen trennte?", fragte sie sich noch, während sie den Befehl zur Beendigung des Longsleeps bei Owen eintippte. Dann begab sie sich zu seiner Kammer.

Owen brauchte einen Moment, bis er ansprechbar war. Zunächst wollte er Paddy umarmen und küssen, doch sie stieß ihn weg. Kurz wunderte er sich, doch Paddy redete nun wie ein Wasserfall und erklärte ihm schnell, was sie im Kontrollraum vorgefunden hatte. Danach gelang es Owen, sein Ziel in umzusetzen, bevor er Paddy zum Überwachungsraum begleitete. Auch für ihn gaben diese Ausfälle keinen Sinn.

„Wie müssen zum Maschinenraum", meinte Owen dann, als er sich kurz im Computer einen Überblick verschafft hatte.

Dort angekommen stieg ihnen ein extrem unangenehmer Geruch in die Nase. Paddy entdeckte als Erste die Ursache, die Leichen von Robi und Dani. Sofort wollte sie zu den Beiden laufen, doch Owen packte sie gerade noch rechtzeitig von hinten.

„Wieso...", setzte Paddy zu einer Frage an, doch Owen unterbrach sie: „Siehst du das Kabel? Das führt Strom und somit auch das Metall auf dem Boden. Wir müssen erst herausfinden, wie wir den Strom abgestellt bekommen."

Paddy nickte, doch der Anblick zusammen mit dem Geruch konnte sie nur schwer ertragen. Auch für Owen war die Situation alles andere als angenehm. Daher legte er Paddy einen Arm um die Schulter und führte sie aus dem Maschinenraum. Hier konnten sie endlich wieder frische Luft schnappen.

„Wie willst du den Strom abstellen?", fragte nun Paddy Owen, der selbst noch keinen Plan hatte.

„Lass erst mal zurück in den Kontrollraum und dann sehen wir weiter", schlug er vor. Dort angekommen versuchte Owen das elektronische Bordbuch aufzurufen, er war jedoch genauso erfolglos wie Dani. Also begab er sich auf die Suche nach den Konstruktionszeichnungen. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand er sie und ordnete das Stromkabel dem Computer der Hauptsteuerung zu. Dieser verfügte über zwei getrennte Versorgungsleitungen, jedoch war offenbar ein Teil des System trotzdem ausgefallen. Jetzt musste er Paddy jedoch eine weitere Schreckensnachricht überbringen:

„Wir können die Leitung nicht stromlos schalten."

„Warum?", fragte Paddy verwundert.

„Normal sollen zwei Stromleitungen den Steuerungscomputer separat versorgen, heißt, fällt eine aus, übernimmt die Nächste."

„Wo ist der Haken?", fragte Paddy, denn bisher sah sie kein Problem.

„Ganz einfach, irgendetwas hat dazu geführt, dass Teile des Computers nicht mehr funktionieren. Daher vermute ich, dass die Leitungen nicht so unabhängig sind, wie sie sein sollten. Es könnte passieren, dass wir beide abschalten", erklärte Owen ihr die Vermutung.

Paddy musste sich erst einmal hinsetzen. „Aber wie bekommen wir die Leichen dort weg? Wie reparieren wir das?", fragte sie nun vorsichtig.

Owen zuckte mit den Schultern, er hatte noch keine Lösung gefunden. Dennoch wollte er Paddy irgendwie beruhigen: „Die anderen Systeme übernehmen teilweise die Funktion, es kann also nichts Schlimmes passieren. Wir sollten uns jedoch eher nach der Ursache fragen, ein siebenardriges starkes Kabel reißt nicht so einfach."

Paddy schaute daraufhin in den Systemprotokollen nach: „Bei 11 Jahren und 104 Tagen finde ich den ersten Eintrag, dort sind die gelisteten Systeme aufgefallen. Ein Crewmitglied hat die Ausfälle bestätigt, den neuen falschen Kurs programmiert und danach habe ich keinen Eintrag mehr. Erst heute wieder, nach 14 Jahren und 273 Tagen, kam es erneut zum Ausfall des Autopiloten. Den habe ich jedoch wieder neu programmieren können."

„Egal, was an diesen Tag passiert ist, es muss gewaltig gewesen sein", schlussfolgerte Owen. „Aber wieso ist heute der Autopilot ausgefallen?", fragte er weiter.

Paddy zuckte nur mit den Schultern. So ratlos war sie noch nie gewesen und gleichzeitig trug sie die Verantwortung für mehr als eine Million Menschen. „Wir müssen in den Raum mit der Hauptsteuerung, vielleicht finden wir dort etwas", schlug Paddy plötzlich vor, auch wenn sie es gerne vermieden hätte, wieder die Leichen ihrer Kollegen zu sehen.

Nachdenklich nickte Owen, er hatte auch keine bessere Idee. Dort angekommen leuchteten mehrere rote Warnleuchten. Owen ging zu einem der großen Bildschirme und ließ sich den detaillierten Verlauf anzeigen.

„Komisch", meinte er plötzlich, „von diesem PC wurde einmal aufs System zugegriffen, 11 Jahre und 104 Tage nach Start, um eine Leitung stromlos zu schalten. Aber im Bordbuch war nichts verzeichnet. Wieso?"

„Kann eigentlich gar nicht sein", meinte Paddy verwundert. Sie verließ daraufhin den Raum, um im Kontrollraum nachzusehen. Tatsächlich fand sie dort keinen Eintrag. Ihr gaben diese Ereignisse Rätsel auf. So etwas sollte nicht passieren, nicht auf ihrem Raumschiff.

Owen betrat nun ebenfalls den Raum. „Lass den Computer mal eine Risikoanalyse starten", schlug er vor.

Paddy tippte den entsprechenden Befehl ein und die angezeigten Daten ließen einen Schauer über ihren Rücken laufen. „Wir befinden uns also schon jetzt auf einem sinkenden Schiff, dabei haben wir den Eisbrocken nie bemerkt."

Owen trat von hinten an die erschrockene Paddy heran und legte seine kräftigen Arme um ihren Oberkörper. „Wir werden das sinkende Schiff retten", versprach er ihr und küsste sie auf die Wange.

Gemeinsam überlegten die Beiden hin und her, wie sie weiter vorgehen sollten. Paddy war innerlich extrem unruhig, das spürte auch Owen, der sie schließlich auf ihren Schoß hob.

„Wir haben das Toxin überstanden, jetzt überstehen wir das hier auch", munterte er sie auf. „Ich glaube, die einzige Lösung ist die kurzfristige Stromausschaltung. Ich weiß, dann funktioniert nichts mehr, aber mithilfe der Notstromaggregate sollten wir die Hauptsteuerung wieder zum Laufen bekommen", präsentierte er schließlich seinen Vorschlag.

Aus Mangel an Alternativen wollten sie diesen nach ein paar Stunden Schlaf umsetzen. Dieser verlief sehr unruhig, immer wieder glaubte Paddy Geräusche zu hören, die nicht normal wären. Also kuschelte sie sich an Owen, der sie im Halbschlaf fest an sich drückte. Die acht Stunden Ruhe taten den Beiden trotzdem gut. Bevor Owen sich mit dem nötigen Werkzeug bewaffnete, küsste er Paddy innig. Er war sich über den Ausgang dieses Unterfangens nicht sicher, genauso wenig wie Paddy, die nur schwer ihr Zittern unterdrücken konnte.

Flüchtlinge der ErdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt