2. „Working 9 to 5" (Aaron & Theresa)

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Vergangenheit
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Der Mann an Tisch Vier zog die Blicke aller anwesenden Damen auf sich. Er war unheimlich attraktiv. Vermutlich der attraktivste Kerl, der je einen Fuß in das Café gesetzt hatte.

Der Gast war über zwei Meter groß, seine dunkelblonden Haare fielen ihm in seine Stirn, der Dreitagebart gab seinem Gesicht etwas Gelassenes. Zielstrebig war er direkt auf den Tisch in der hinterletzten Ecke am Fenster zugesteuert, hatte ein Buch ausgepackt und sich direkt darin vertieft. Er trug ein weißes Hemd, an dem die oberen drei Knöpfe geöffnet waren. Die Ärmel waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf unheimlich definierte Unterarme frei - er war wirklich ein verdammt attraktiver Mann. Typ Wikinger. Theresa hatte beinah Angst bei dem Anblick zu sabbern.

Sie wischte noch einmal über das Tablett und grinste Toni hinter der Theke an. Er zwinkerte ihr zu.
„Lass uns wetten." Er nickte zu Tisch Vier.

„Worum?", fragte sie zurück.

„Der Sexgott an Tisch Vier trinkt schwarzen Kaffee." Sie lachte, weil sie sah, wie Toni den Wikinger abcheckte.

Langsam drehte sie mich zu ihm um und beobachtete ihn kurz. „Er trinkt Tee."

Toni streckte ihr die Hand über die Theke entgegen. „Der Verlierer zahlt Samstag die erste Runde."

Theresa nickte und ging durch das gut besuchte Lokal zu dem Sexgott. Gast. Sie ging zu dem Gast.

„Hi, was kann ich dir bringen?" Sie stand vor ihm und wartete geduldig darauf, dass er den Blick hob. Neugierig starrte sie in sein Gesicht und wartete auf den Moment, in dem sich seine Augenfarbe erkennen ließ. Er sah sie aber nicht an, sondern las weiter. Unhöflich. Sie räusperte sich.

„Was kann ich dir bringen?" Dieses Mal sah er kurz auf und bestellte eine Coke. Er sah ihr nicht mal in die Augen. Warum müssen diese attraktiven Kerle nur immer so arrogant sein?
Beleidigt ging sie zurück zur Theke und nahm unterwegs noch einige leere Gläser mit und weitere Bestellungen auf. Die anderen Gäste waren Stammkunden und kamen regelmäßig zu ihnen, sie plauderten mit ihr, im Gegensatz zum Wikinger. Sie - und vermutlich jeder Kellner und jede Kellnerin auf dieser Welt - hasste es, wenn Gäste sie so behandelten wie er.

„Zwei Milchkaffee, drei stille Wasser, eine Coke, einen Pflaumenkuchen und zwei Zimtschnecken." Sie ratterte die Bestellungen runter und wartete vor der Theke darauf, dass Toni ihr alles auf das Tablett stellte.

„Deinem Gesicht nach würde ich sagen, der Sexgott heißt ab jetzt Idiot?" Toni kannte sie gut.

„Vollidiot", grinste sie ihn an. „Für ihn ist die Coke. Spuk ruhig rein. Wir müssen nochmal wetten, damit du verlierst und mir die Drinks am Samstag schuldest."

Mit dem vollen Tablett ging sie zurück durch die Tische und stand zuletzt auch vor dem Vollidiot. Sie wollte die Coke abstellen und sich umdrehen, da sprach er sie doch noch an. „Danke dir."

„Bitte." Wieder wollte sie gehen.

„Entschuldige, aber kannst du mir sagen, wo der nächste Buchladen ist?"

Sie war irritiert. Zum einen über die merkwürdige Frage oder Anmache, denn das könnte er auch googeln und der Spruch war mäßig plump in Zeiten von Amazon, zum anderen über seine Augenfarbe. Er war Heterochromist. „Zwei Straßen weiter ist eine kleine Buchhandlung. Falls es etwas Ausgefallenes ist, was du suchst, würde ich vielleicht lieber in die Innenstadt fahren."

Ihre Stimme klang seltsam, weil sie nicht bei der Sache war. Seine Augen waren unglaublich. Das linke war strahlend grün, das rechte blau. Noch nie hatte sie einen Menschen mit Heterochromie gesehen.

„Das nennt man Heterochromie."

Ertappt entschuldige sie sich fürs Starren.

„Schon gut. Normalerweise trage ich Kontaktlinsen, das irritiert die Leute weniger."

„Ich bin nicht irritiert." Er zog die Augenbrauen hoch und sah sie spöttisch an.

„Wirklich, ich habe schon so viel darüber gelesen, aber noch nie einen Menschen mit Heterochromie gesehen."

„Warum liest du über solche Anomalien?"

„Ich studiere Medizin." Als sie sah, wie er sie kurz abcheckte, musste sie sich schwer zusammenreißen ihn nicht umzubringen. Sein Blick glitt abschätzig und ungläubig über ihren Körper und ihre Uniform. Auch nichts Neues für sie. Ihr erster Eindruck war doch richtig gewesen.

Er merkte sofort, dass er etwas Falsch gemacht und sie verärgert hatte. Sie sah nicht aus wie eine Studentin der Medizin. Und er war ein Idiot.
„Entschuldige."

Sie sah ihn herablassend an. Mist. Mist. Mist. „Kann ich dir sonst noch etwas bringen?"

„Nein, danke. Entschuldige."

Sie hörte ihn nicht mehr zu Ende an, denn sie hatte sich bei seinem „Nein." bereits umgedreht und war zurück zur Theke gelaufen. Dort sprach sie kurz mit dem jungen Kerl dahinter, der ihn Augenblicke später böse anfunkelte. Vermutlich würden beide ihm jetzt ins nächste Getränk spucken.

Die Kellnerin war wirklich hübsch. Sehr sehr hübsch. Langes, braunes Haar, meerblaue Augen, Schmollmund. Eine Figur wie eine Sanduhr. Lange, schlanke Beine, die in einem wunderschönen Arsch enden. Wirklich wunderschön. Nur mühselig konnte er seinen Blick von ihrem Körper nehmen.

Er saß noch mehr als drei Stunden in dem Café, aber sie ließ sich kein weiteres Mal auf eine Unterhaltung mit ihm ein. Also ging er zu dem Kerl hinter der Theke.

„Hi, ich bin Aaron." Er sah in das zunächst ausdruckslose Gesicht des Mannes. Schien ein Freund der Kellnerin/ Medizinstudentin zu sein.

„Oh. Mein. Gott. Deine. Augen!" Platzte es dann doch aus ihm heraus.

„Heterochromie. Eine angeborene Anomalie. Hör mal, die Kellnerin, die mich bedient hat... würdest du ihr sagen, dass ich ein Vollidiot bin? Und dass es mir leid tut?"

„Warum sollte ich?"

„Weil ich ein Idiot bin, dem es leidtut." Endlich riefen seine Worte eine Reaktion im Gesicht seine Gegenübers hervor. Ein Lächeln. Immerhin.
„Und ich würde sie gern zum Essen einladen. Falls sie möchte."

Schweigend schob Toni ihm einen Kellnerblock und einen Kugelschreiber über die Theke. Aaron kritzelte seine Nummer auf das weiße Papier und schob den Block zurück.

„Danke."

„Dank mir nicht zu früh. Verzeihen ist wirklich nicht Thessas Stärke."

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Heterochromie

——————Heterochromie

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L(i)eben ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt