Vergangenheit
♾♾♾♾♾„Hast du Angst?" Natürlich hatte sie Angst, aber das würde sie dem doch nicht sagen. „Nein. Nun mach schon."
Sie schloss die Augen und spitzte die Lippen. Noch nie hatte sie einen Jungen geküsst und dass es jetzt ausgerechnet in einem blöden Wandschrank passieren würde, bei dem noch blöderen Spiel „Sieben-Minuten-im-Himmel" war ganz sicher nicht ihr Plan gewesen.
Wenigstens stand sie dort mit Tristan Julien Torres, dem niedlichen Neuen aus ihrer Klasse und nicht mit Sebastian Binweg, dem größten Angeber der Schule, der direkt neben Tristan gesessen hatte. Der hatte schon so doof gegrinst und von anderen Mädchen wusste sie, dass er ihre Brüste im Schrank angefasst hatte.
Sowas würde Tristan niemals tun.
Allerdings tat er tatsächlich gar nichst.
„Was ist, willst du nicht?" Sie machte die Augen wieder auf und sah ihn verunsichert an. War sie so hässlich, dass er sie nicht küssen wollte? Tränen traten in ihre Augen und sie konnte sie nicht aufhalten herauszukullern. Mist.Als er sah, dass er sie zum Weinen gebracht hatte, schlang er seine Arme um sie und streichelte ihren Rücken. Ganz leise flüsterte er: „Ich habe noch nie ein Mädchen geküsst."
Fast hätte sie ihn nicht gehört. Dann fiel es ihr auf: Er hatte auch keine Ahnung was man machen musste?
„Ich auch nicht. Also keinen Jungen. Aber ein Mädchen auch nicht." Sie seufzte. Die da draußen stellten sich vermutlich wer weiß was vor, das hier drinnen geschah.„Ich möchte aber."
„Was?" Sie war so abgelenkt gewesen, dass sie ihn nicht richtig gehört hatte.
„Ich möchte dich gern küssen, Noemi."
Sie nickte und ihr wurde ganz warm.Sanft legte er seine Hände um ihr Gesicht und schaute ihm in die Augen. Dann drückte er seine Lippen auf ihre.
Sie traute sich nicht zu atmen. Ihr erster Kuss. In einem Schrank. Mit Zwölf war sie schon spät dran behaupteten alle, aber ihre beste Freundin Greta würde trotzdem ausflippen und sich mit ihr freuen, wenn sie ihr das erzählte. Sie hatte ihren ersten Kuss nämlich schon mit elf Jahren bekommen.
Als sie keine Luft mehr bekam, drehte sie den Kopf weg. Er sah erst auf den Boden und dann zu ihr.
„Hat es dir gefallen?"
Sie zögerte, nickte dann aber. In den Filmen sah es immer bewegter aus. Aber das war ja auch nicht echt.„Möchtest du nochmal?" Er grinste sie an und sie grinste zurück. „Aber dieses Mal musst du atmen."
Sie öffnete den Mund um dem Besserwisser etwas Cleveres zu entgegnen, aber er küsste sie einfach wieder und dieses Mal bewegte er seine Lippen mehr, so dass es sich wie viele kleine Küsse anfühlte. Er hielt immer noch ihr Gesicht fest und sie legte ihre Hände auf seine Brust.Vielleicht war es doch nicht so schlimm, dass ihr erster Kuss in einem blöden Wandschrank geschah, bei dem noch blöderen Spiel „Sieben-Minuten- im-Himmel."
***
Nachdem er Noemi im Schrank küssen durfte, dachte er dauernd an sie. Wenn er die Augen schloss, sah er ihr Gesicht. Sie war wirklich hübsch. Das hübscheste Mädchen auf der Schule. Das hübscheste Mädchen der ganzen Stadt. Ehrlich!
Letzte Nacht hatte er sogar von ihr geträumt und musste danach die Bettwäsche wechseln. Er wusste was das war, hätte aber schon gern mal jemanden gefragt. Aber seine Schwestern hätten sich über ihn lustig gemacht.
Noemi saß den ganzen Tag mit ihm in der Klasse, schaute ihn aber nicht an. Heute morgen war sie zu ihm gekommen und hatte ihn begrüßt und er Trottel hatte das Maul nicht aufbekommen. Er war sich sicher, dass sie bestimmt ganz böse auf ihn war. Erst küsste er sie, dann redete er nicht mit ihr.
„Woran denkst du grad Tristan? Mathe ist es sicher nicht."
Verdammt hatte er sich erschreckt, als Mrs Button plötzlich neben ihm stand und ihn anmotzte.
Noch schlimmer war, dass er ihr tatsächlich antwortete. „An Noemi." Sofort guckten ihn alle an. Scheiße.
Mrs Button grinste und ging wieder nach vorne. Sie sorgte für Ruhe und schrieb die nächste Aufgabe an. Noch nie war er so dankbar dafür gewesen ignoriert zu werden.
Er wollte dennoch gern im Erdboden versinken.
Vorsichtig sah er zu Noemi und fragte sich, ob sie wohl sauer war.
Er hatte irgendwie gedacht, dass sie sich hinter ihrem Buch verstecken würde und er nun erst recht schlechte Karten hätte. Aber sie sah ihm direkt in die Augen und lächelte.Egal was sein Bruder Taio sagte, Mädchen waren nicht doof. Im Gegenteil Noemi war super toll.
In der Pause ging er zu ihr, als sie alleine auf einer Bank auf dem Schulhof saß. „Noemi?" Sie sah ihn an, aber er hatte keine Ahnung, ob sie gute oder schlechte Laune hatte. Mädchen waren vielleicht doch kompliziert.„Hi, Tristan." Er grinste über beide Ohren, denn sie kannte seinen Namen. Das war gut oder? Gleich darauf schalt er sich einen Schwachkopf. Natürlich kannte sie seinen Namen, sie gingen schließlich in dieselbe Klasse.
„Hi, Noemi."
Sie blinzelte und sah wieder in das Buch auf ihrem Schoß.
„Noemi, ich wollte dich was fragen."
Sie sah hoch zu ihm. Nicht auszuhalten. Das war echt schwierig.
„Ich wollte dich fragen, also, willst du mit mir gehen?" Er hielt die Luft an, keine Ahnung wieso. Er drehte bestimmt gleich durch.
Sie stand auf und packte ihr Buch in ihre Tasche. Dann drehte sie sich um und stand plötzlich ganz nah vor ihm. Er musste schlucken und sich daran erinnern zu atmen.
Und dann flüstert sie: „Ja, ich möchte mir dir gehen, Tristan", und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
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L(i)eben ohne dich
RomansaZwei Partnerschaften, beide vollkommen auf ihre Art, die dennoch ungleicher nicht sein könnten und ein Ereignis, was ihrer aller Leben unwiderruflich auf die eine oder andere Weise enden lässt. In dieser Story verbergen sich gleich drei Liebesgesch...