11. „Quit Playing Games" (Aaron & Theresa)

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Vergangenheit
♾♾♾

Sie liebte Aaron. Sehr sogar. Aber das hatte sie ihm noch nicht gesagt, weil sie unschlüssig war, wann der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Oder ob sie es als erstes sagen sollte. Oder ob er sie auch liebte.

Aaron war ein Mann. Ein echter Mann, ein Mann wie er sein sollte. Einer wie sie sich ihn wünschte. Sie fühlte sich bei ihm geborgen und beschützt, er brachte sie zum Lachen, er war willensstark und so aufmerksam, wenn es um ihre Bedürfnisse ging. Er ertrug ihre Trotzanfälle und PMS stoisch und versorgte sie mit Schokolade, ließ ihr aber nichts durchgehen, was einfach Blödsinn war. Alles was sie von einem Mann erwartete, war in ihm vereint. Er war sich für keinen Unsinn zu schade, stand stundenlang vor Umkleidekabinen, hielt ihre Handtasche und die Einkäufe. Mit ihren Nichten spielte er hingebungsvoll Prinzessinnen-Teeparty, seine Männlichkeit war in keinster Weise angekratzt, wenn sie ihm das Haar flochten oder er auf diesen winzigen Stühlen saß und aus klitzekleinen Tässchen Tee schlürfte. Er war handwerklich begabt, konnte seine Fehler eingestehen, war intelligent, erfolgreich, belesen. Und - Gott verdammt - er war im Bett der absolute Traum.

Sie seufzte. Aber all das hieß ja nicht, dass sie sich ihm an den Hals werfen sollte und zuerst „ich liebe dich" sagen sollte. Vielleicht hatte er Bindungsprobleme und war abgeschreckt, wenn sie es sagte? Manche Männer nahmen die drei Worte ja direkt als Bindungsdrohung fürs Leben oder so.
Bestimmt hatten ihm so viele Frauen vor ihr gesagt, dass sie ihn liebten und er war nicht mehr bei ihnen. Sie waren nicht mehr bei ihm.

Nervös und mit fahrigen Finger zog sie ihren Lippenstift nach und bürstete ein letztes Mal durch ihre langen, glatten Haare. Sie trat zwei Schritte zurück und betrachtete sich im Spiegel: das rote, ärmellose Kleid, schmiegte sich perfekt an ihre Rundungen; es endete knapp oberhalb des Knies und ein Schlitz, der bis fast zu ihren Po reichte, erleichterte ihr das Laufen.

Sie sah heiß aus. Das war gut oder?

Himmelherrgott sie fasste es nicht, dass sich ihre Gedanken nur noch um Aaron drehten oder darum wie sie aussah. Das war sie doch nicht.

Sie sah also heiß aus. Das war nicht gut. Das war sogar schlecht, ganz schlecht. Was machte das für einen Eindruck? Seufzend riss sie sich das Kleid über den Kopf und stellte sich wieder vor den Kleiderschrank. Sie überlegte Isy anzurufen. Sie brauchte Isy und steigerte sich da richtig hinein. Hektisch durchwühlte sie dieselben Klamotten wieder und wieder. Es wurden nicht mehr Kleidungsstücke bzw. änderten sie sich nicht von Zauberhand. Sie könnte heulen und ihr Atem ging jetzt stoßweise. Gleich würde sie durchdrehen. Verdammt.

Wo war ihre Schwester, wenn sie sie brauchte? Nur sie würde das perfekte Outfit für einen Abend finden, an dem sie Aarons Bekannte und Freunde bei einer großen Charity- Veranstaltung in Aarons Firma Simple life  kennenlernen würde.

Denk doch nach, Theresa. Was würden die anderen tragen?

Sie hatte keine Ahnung.

Dann fiel es ihr ein - sie musste sich Ahnung verschaffen.

Sie verdrehte die Augen über sich selbst, schlug sich aber im nächsten Moment gegen die Stirn. Im Internet würde sie die Outfits des letzten Jahres einsehen können.

***

Aaron trat unruhig von einen Bein aufs andere. Zerschlagene Scheiben, Tapete pellte sich von eingerissenem Mauerwerk, Putz bröckelte von den nassen Wänden, Möbel, auf denen noch das eine oder andere Familienbild stand, moderten vor sich hin, ein Bücherregal, dessen Bretter zusammengekracht waren und dessen Inhalt kreuz und quer auf dem Boden davor lag, gebrochene Rücken, so weit das Auge reichte. Scherben, Schutt, Staub, zerbrochene Fliesen und Dreck bedeckten Boden über Boden über Boden.

L(i)eben ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt