Aufprall

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Ich fiel zitternd auf den Boden.

Mir war unfassbar kalt! In letzter Zeit -eigentlich seit Jared nicht mehr zur Schule ging- war mir immer kalt. Aber diese Kälte war eher in mir drinnen existent. Doch jetzt war die Kälte auch in meinem Körper spürbar.

Als ich aus der Dusche kam, muss ich wohl am Fenster eingeschlafen sein, und dann auf den Boden gefallen sein.

Das Fenster stand offen und meine Haare waren noch feucht.

Jetzt bekam ich bestimmt eine Erkältung. Das hatte mir noch gefehlt!

Ich wusste nicht wie lange ich geschlafen hatte. Draußen war es schon dunkel, aber im Herbst wurde es in La Push immer sehr früh dunkel.

Ein Blick aus dem Fenster verriet mir, dass mein Vater wieder zu Hause war und sich mit meiner Mutter über seinen übermäßigen Alkoholkonsum stritt.

Wir wohnten zwar so, dass unser kleines, altes Haus nicht direkt an der Straße stand, sondern man erst einen kleinen Weg folgen musste bis man unsere Häuserreihe sah, aber die Häuser standen doch sehr nah beieinander.

Bei dem Gedanken daran wer das grade alles mitbekam wurde mir schlecht. Wenn mich jemand von den Lehrern in der Schule drauf ansprach, wie es bei mir zu Hause so läuft, sagte ich immer, das alles in Ordnung sei.

Sicherlich wussten sie, dass ich log. Doch was tut man an solch einer Stelle als Lehrer?

In echt war rein gar nichts in Ordnung!

Meine Gedanken wurden von der lauten Stimme meines Vaters unterbrochen, der grade meine Mutter anschrie, sie solle die Klappe halten. Kurz darauf erklang durch mein offenes Fenster die hysterische Stimme meiner Mutter:

"Nein, bitte tu das nicht!"

Ich ging zum Fenster. Die Stimme meines Vaters, und das verzweifelte betteln meiner Mutter jagte mir einen Schauer über den Rücken. Als ich dann den dumpfen Aufprall hörte und sah das meine Mutter auf dem Rücken im Gras lag, zerbrach etwas ganz tief in mir.

Mein Vater in seinem Rausch wusste nichts besseres zu tun, als verzweifelt und verwirrt darüber, das seine Gesprächspartnerin jetzt auf dem Boden lag, mit den Händen herum zu fuchteln. Danach hörte ich wie zwei Türen zu fielen und wusste das mein Vater sich verkroch.

Es fiel mir schwer, es ihm übel zu nehmen, da er wahrscheinlich sehr betrunken war. Eigentlich war es ein Wunder, dass er überhaupt noch gehen konnte.

Und er war mein Vater, trotz allem war er immer noch mein einst liebevoller Vater.

Mit zitternden Knien ging ich die Treppen nach unten herunter, vorbei am Wohnzimmer, und hörte wie mein Herz schneller und stärker schlug.

Sie war nicht tot. So etwas konnte mein Vater nicht tun. Doch vielleicht hatte sie eine Gehirnerschütterung? Mein Brustkorb tat weh, von den harten Schlägen meines Herzens, und mein ganzer Körper zitterte. Ich war zu erschrocken, zu entsetzt, um zu weinen.

Die Tür schwang auf und meine Mutter war grade dabei, sich wieder aufzurappeln. Schnell ging ich vor die Tür und griff ihr unter die Arme. Langsam gingen wir zurück ins Haus. Ein letzter schneller Blick rundherum verriet mir, das uns keiner gesehen haben konnte. Theoretisch.

„Geht es dir gut?", fragte ich sie mit schwacher Stimme.

Ich hörte nichts, spürte nur wie sie sich an meinem Arm festkrallte und sich auf mich stützte.

Panik kroch in mir auf.

Ich deckte meine Mutter auf der Couch im Wohnzimmer zu und fragte sie dann noch einmal, so eindringlich wie möglich:

„Geht es dir gut?"

„Ja, es...es war nicht so dolle, ich h.. habe mich bloß sehr erschrocken", gab sie relativ fest von sich.

Danach bin ich hoch gegangen und habe mich für den Rest des Tages in meinem Zimmer verkrochen.

Irgendwann später, hörte ich noch wie mein kleiner Bruder nach Hause kam, mein Vater halb nüchtern aus seinem Zimmer kroch und mich meine Mutter zum Essen rief.

Ich ging nicht runter. Auch wenn es einer der Abende war, an denen meine Schwester nicht mit uns aß, konnte ich grade keinen von ihnen in die Augen sehen.

Meinem Vater nicht, der unserer Familie so viel Leid zufügte.

Meiner Mutter nicht, die es nicht schaffte, etwas gegen das Elend dieser Familie zu tun. Und ich konnte es ihr noch nicht einmal verübeln, da ich es selbst nicht schaffte.

Und das war auch der Grund, warum ich grade meinem kleinen Bruder nicht in die Augen sehen konnte. Ich konnte ihn nicht aus dieser Hölle befreien, obwohl ich seine große Schwester war.

Sowie Vanessa. Und sie tat rein gar nichts, was für sie nicht von Nützen war.

Morgen war ein neuer Tag. Es würde bestimmt be... Nein! Es würde nicht besser werden. Wie konnte mein Leben denn besser werden?

Jared ging nicht mehr zur Schule, meine Mutter wird von meinem Vater geschlagen, der wiederum ist Alkoholiker.

Und ich?

Ich war Kim. Kim Connweller. Das unscheinbare und unbedeutende Ding von nebenan, mit der kranken Familie.

Obwohl ich noch nie mit Jared gesprochen hatte, hegte ich schon seit der dritten Klasse so starke Gefühle für ihn. Er war witzig, selbstbewusst, beliebt, wunderschö... Warte mal! Ist das Paul Lahote, der da grade lang lief?

Der beste Freund von Jared!

Wenn er wieder da war, konnte das auch zur Folge haben das Jared wieder da war!?

Durfte ich mir erlauben, zu hoffen das er wieder da war?

Er musste mich noch nicht einmal beachten, seine bloße Anwesenheit, ließ mein Herz immer schon höher schlagen.

Und auch nur der kleine Gedanke daran, das ich Jared Cameron Morgen vielleicht wieder in der Schule sehen würde, ließ mich doch auf einen besseren Tag hoffen.


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Danke an Colbie für ihren tollen Kommentar, alle die die Geschichte bis jetzt gelesen haben, und die Sterne! Ich bin so glücklich darüber!

Ich bin gespannt, ob euch das Kapitel gefällt!

Lasst mir gerne eure Meinung da!


LG

Loony

Liebe kann...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt