Von Vorne?

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Danke für das liebe Kommentar von Colbie und die Votes!


Von vorne?


Der nächste Morgen verlief ohne nennenswerte Ereignisse.
Als ich aus der Tür trat und mich auf den Weg zur Schule machte, merkte ich schnell, dass ich zu kalt angezogen war. Ich trug obenrum lediglich einen bordeauxroten Feinstrickpullover den ich in meine schwarze Jeans vorne reinsteckte, da ich meinen Parker gestern in der Schule vergaß.
An den Füßen trug ich nur graue Converse. Für einen normalen Herbsttag wäre das vermutlich warm genug gewesen, doch heute waren es beinahe schon winterliche Temperaturen.
Mein Make-Up war ausgegangen. Zum Glück sah man die Augenringe nicht mehr ganz so stark. Wenn man mir nicht genau ins Gesicht schaute, fielen sie nicht auf. Und wer sah mir schon genau ins Gesicht?
Da mir ziemlich kalt war, beeilte ich mich mit dem Schulweg. Vanessa war ich heute Morgen leider nicht mehr begegnet. Ich hätte ihr zu gerne gesagt, dass ich mich Gestern mit Freunden getroffen hatte. Ich weiß, dass das etwas kindisch war, doch sie würde es ärgern.
Heute war Donnerstag. Das hatte zur folge das ich gleich in der ersten Stunde neben Jared saß, da wir Englisch hatten.
Ich war sogar etwas zu früh da, registrierte ich als ich die große Uhr am Eingang des Schulgebäudes sah.
Ich beschloss mich für die 10 Minuten die ich noch hatte, schon mal in den Klassenraum zu setzen. Auf dem Flur kam mir Embry entgegen.

„Hey Kim!"
„Oh!Hey!"
„Wie geht's dir?", fragte er mich.
„Soweit, so gut. Und dir?"
„Naja....Hab grad irgendwie ein bisschen Stress mit Jake und Quil."
Ich wusste ja bereits, dass das seine zwei besten Freunde waren. Sie alberten immer zusammen herum. Ihnen, besser gesagt Quil und Jacob fielen viele Leute zum Mobbingopfer. Ich gehörte nie dazu.
„Das wird schon wieder", sprach ich ihm Mut zu.
„Bestimmt. Na dann."
„Tschau!"

Der Englischraum war noch komplett leer. Das fand ich ganz angenehm. Ich setzte mich an meinen Platz in der ersten Reihe, und begann in meinem Buch zu lesen. Ich las sehr viel. In meinem Zimmer stand auch ein Bücherregal mit vielen Büchern, die ich mir allerdings schon immer heimlich von meinem Geld gekauft hatte. Meine Eltern fanden, es wäre Zeitverschwendung.
Das fand ich ganz und gar nicht! Grade las ich „Der geheime Garten". Es war ein wunderschönes Buch.
Ich las alles mögliche. Von Klassikern bis hin zu Liebesgeschichten oder Krimis. In Büchern konnte ich mich in einer Welt verstecken, sodass ich die echte schnell vergaß und einfach ausblendete.
Genau das stellte ich auch jetzt wieder fest.

„Guten Morgen!"
Ich vernahm seine Stimme, dachte mir aber nichts dabei. Warum auch?
„Hallo!"
Wieder seine Stimme.
„Hey", sagte er mit einem Lachen.
Man der begrüßt ja heute viele!
Ich nahm nur ganz leicht wahr, das sich jemand vor meinem Tisch hinkniete.
Doch dann...
„Guten Morgen, Dornröschen!", schallte Pauls Stimme zu mir durch. Erschrocken hob ich den Kopf, und sah wie Paul sich vor meinem Tisch auf dem Boden vor lachen nicht mehr einkriegte, und Jared ihn nur missbilligend ansah, ehe er seinen Körper zu mir wandte.
„Hallo!", sagte er zu mir.
„Hallo", erwiderte ich schnell. Ich guckte woanders hin, damit er nicht mitbekam, wir rot ich grade wurde.
Galt das grade alles mir? Und ich saß da und ignorierte ihn einfach!
„Paul, beförder deinen Arsch in die Richtung deines Tisches", sprach Jared genervt zu dem immer noch amüsiertem Paul. Ihn konnte man auch echt leicht zum lachen bringen.
Pauls Miene verfinsterte sich, bis er sich erhob und Jared mit einem gespielt zuckersüßem Lächeln tief in die Augen sah und sagte:
„Zauberwort?"
„Zackig!", meinte Jared nur.
Daraufhin zog Paul eine Schnute, was schon echt witzig aussah.
„Wo warst du denn?"
War die Frage an mich gerichtet? Anscheinend schon, denn er sah mich erwartungsvoll an. Ich hob das Buch hoch, so das er den Titel lesen konnte. Er runzelte kurz die Stirn, und lächelte dann.
„Muss ja ein verdammt gutes Buch sein, wenn du alles um dich herum vergisst", bemerkte er.
„Ja", war meine kurze Antwort.
„Liest du gerne?", fragte er mich weiter.
„Mhm."
„Kimmm!" Er zog meinen Namen leicht verzweifelt in die Länge.
Leicht verwirrt drehte ich meinen Kopf in seine Richtung, und erst jetzt bemerkte ich, das ich die ganze Zeit an ihm vorbei geschaut hatte. Ich wusste, was gleich kommen würde, und irgendwie hatte er ja auch Recht.
„Müssen wir wieder von vorne anfangen? Gestern hat's doch auch geklappt."
„Ich äh....Nein."
Während ich gesprochen hatte, bildeten sich Grübchen um seine Augen, und er sah mich so voller Wärme an, das ich leicht aus dem Konzept geriet.
„Super. Also wie geht's dir?", fragte er mich direkt.
„Du siehst müde aus", setzte er mit zusammengekniffenen Augen hinzu. Seine Stimme klang irgendwie besorgt, und seine Augen glitten einmal über meinen Körper.
Das war mir unangenehm, weshalb ich den Blick wieder abwandte. In der Fensterscheibe konnte ich sehen, dass sein Körper einen verzweifelten Seufzer von sich gab.
Dann bemerkte ich seine Augenringe, die bei seinem fröhlichem Auftreten gar nicht auffielen.
„Du auch", erwiderte ich schüchtern.
„Ja, musste noch Hausaufgaben machen."
In dem Moment betrat unser Englischlehrer den Raum.
Mit einem leichtem Kopfschütteln um meine Gedanken zu ordnen, wandte ich mich von Jared ab.

„Wenn ihr jetzt bitte alle die Hausaufgaben vorlegen würdet", dröhnte Mr. Smith nervige Stimme durch den Raum.
Ich holte sie aus meinem Rucksack, und legte sie auf den Tisch. Dabei bemerkte ich das Jared so blieb wie vorher. Hatte er nicht gemeint, er hätte Hausaufgaben gemacht?
„Ah, Mr. Cameron. Wie ich sehe, steigt ihr Interesse am Unterricht nicht im geringsten, aber dafür das Interesse an ihrer Banknachbarin."
Das hatte er nicht grade ernsthaft gesagt, oder?
Wie peinlich! Die Klasse begann kurz zu lachen.
„Scharfe Beobachtung Mr. Smith", entgegnete Jared daraufhin nur.
„Da Mrs. Connweller aber noch an meinem Unterricht Interesse zeigt, denke ich werde ich es genauso machen wie Mr. Shinstine. Gibt es damit Probleme?"
Ich versank im Erdboden!
„Ich denke nicht, dass das ein Problem sein wird Mr. Smith, nicht wahr Kim?", stellte Jared die Frage an mich. Ich schüttelte nur schnell den Kopf.
Den Rest der Stunden versuchte ich nur, Jareds Blicken zu entgehen, da ich mich so nicht konzentrieren konnte. Es war leider vergebens.

In der Mittagspause ging ich nicht in die Cafeteria, da ich keinen Hunger hatte. Stattdessen Lief ich zu meinem Spind, um mir die Sachen für die nächste Stunde zu nehmen. Es war die letzte Stunde vor Schulschluss. Genau die hatte ich leider und auch irgendwie zum Glück nicht mit Jared.
Am Spind angekommen, begegnete ich wieder Embry.
„Hey Embry."
„Na Kim. So sieht man sich wieder."
„Schließlich gehen wir auch auf die selbe Schule", erwiderte ich. Ich wurde das alberne Gefühl nicht ganz los, dass er hier auf mich gewartet hatte.
„Die Sache mit Quil und Jake ist geklärt."
„Freut mich für dich."
„Hey Emb!", kam eine dritte Stimme dazu.
„Hallo Paul", entgegnete Embry nur halblaut und ungewöhnlic kühl auf Pauls Begrüßung.
„Was los Call? Nicht erfreut mich zu sehen?", fragte er ihn.
„Wie man's nimmt", meinte Embry bloß und wandte sich zum gehen.
„Wird schon noch!", rief Paul ihm hinterher.
Dieser drehte sich zu mir um und rief mir noch ein:
„ Nochmal tschau Kim!", zu, bevor er verschwand.

Jetzt war ich mit Paul allein, und ich ahnte schlimmes.
„Na Kimi! Wie geht's so?" Dabei wackelte er mit seinen Augenbrauen.
Warum fragen mich immer alle wie es mir geht? Noch nicht mal die Hälfte davon interessierte es wahrscheinlich tatsächlich.
Ich drehte mich wortlos um, und tauschte die Sachen in meinem Spind.
„Sag mal Kimi", begann Paul in einem verschwörerischen Ton, und lehnte sich dabei an die Spindwand an, „was hältst du eigentlich von Jared?", fragte er mich.
„Äh...Ähm", stotterte ich.
Paul gluckste.
„So viel also?", fragte er im amüsiertem Ton.
Ich schlug die Tür von meinem Spind zu und ging in Richtung Philosophieraum.
„Warte doch mal Kimi! Ich versuch mich mit dir zu unterhalten!", sprach Paul gespielt empört.
„Warum?", fragte ich ihn direkt. Das Theater konnte er sich gerne sparen.
Darauf wusste er nicht direkt eine Antwort.
„Ähm... Nun ja", druckste er herum.
„Lass gut sein", meinte ich nur genervt und ging in den Klassenraum.

Philosophie verlief ereignislos und schnell. Ich erhob mich mit dem klingeln, und ging aus dem Raum. Vor der Tür stand bereits Jared mit seinen Schulsachen, und sah mich mit einem Lächeln an, was alles in mir für einen kurzen Moment erwärmte.
Ich war etwas erstaunt das er schon da war, und es nicht vergessen hatte.
„Ich hab's nicht vergessen", sprach er meinen Gedanken aus.
„Wollen wir?", fragte er mich leicht unsicher. Doch ich nickte, und so liefen wir zu seinem Auto.
Als wir grade am Auto angekommen waren, rief Paul uns noch hinterher:
„Viel Spaß ihr Süßen! Und macht alles was ich nicht machen würde!"
Ich stieg unsicher auf der Beifahrerseite ein. Mein Herz klopfte so laut und schnell, dass ich Angst hatte es könne mir vor Aufregung aus der Brust springen.
„Magst du Musik?", fragte mich Jared nachdem wir losgefahren waren.
„Oh ja!", sagte ich.
„Was ist deine Lieblingsband?", wollte er weiter wissen.
Darüber musste ich kurz nachdenken. Ich hörte wirklich viel Musik, und war eher ein Songhörer.
„Sag einfach was du denkst", meinte Jared zu mir.
„Das macht es leichter wirklich etwas über den anderen zu erfahren", sagte er zu meiner Verblüffung.
„Du willst mehr über mich erfahren?", flüsterte ich leise.
Daraufhin schwieg er kurz, bis er traurig meinte:
„Ich war die ganze Zeit über wohl echt nicht nett zu dir, oder Kim?"

Diese ganze Situation im Auto überforderte mich. Eigentlich ging ein Traum in Erfüllung, doch ich wusste weder warum, noch für wie lange, mein Glück anhalten würde. Zudem stellte Jared mir eine Frage, vor der ich die ganze Zeit Angst gehabt hatte.
Vor lauter Gefühlen wusste ich gar nicht, was ich fühlen sollte!

„Kim?" fragte Jared mich erneut.

Liebe kann...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt