Wiedersehen

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Wiedersehen

"Du hast mir immer noch nicht gesagt, ob du nach der Schule Zeit hast?" Jared stand vor meinem Tisch, und wartete darauf das ich meine Sachen endlich fertig packte. Ich ließ mir allerdings Zeit. Man! Er sah verdammt gut aus, so wie er da an meinem Tisch lehnte, und zu mir runter guckte! Warum musste er immer so toll aussehen, während ich aussah wie gebraucht und nicht gewollt?! Sollte ich ihm sagen das ich Zeit hatte? Ich meine ich hatte Zeit, doch jetzt war ich zu nervös um etwas mit ihm zu machen. Außerdem hatte ich nur gesagt, dass ich gerne mit ihm lernen würde, und nicht wann. Langsam stand ich auf, und die Entfernung zischen uns war sehr gering. Er schaute zu mir runter, und ich blickte leicht zu ihm hoch. Er war wirklich groß. Ich ging ihm grade mal bis zum Kinn.
Neben ihm kam ich mir vor wie ein Winzling. Seine wunderschönen Augen brannten sich in meine, und sein Blick war so seelig, und glücklich, dass ich nicht anders konnte als den Blickkontakt abzubrechen, und den Kopf nach unten zu richten.
Auf seine Frage antwortete ich mit einem kurzem Kopfschütteln. Auch wenn ich ihm grade nicht ins Gesicht sah, merkte ich wie enttäuscht er war. Ich hob meinen Rucksack vom Boden auf und lief in Richtung Ausgang. Der Flur war leer, was hieß, dass Jared und ich doch etwas länger gebraucht hatten. Als ich aus der Tür austrat, merkte ich, wie mich die frische Herbstbrise empfing.

Ich ging über den Parkplatz, um nach Hause zu laufen, als mich Jared noch einmal anhielt.
„Kim!" Ich drehte mich um.
„Wenn du weißt, wann du Zeit hast, kannst du mich ja einfach anrufen, okay?" Ohne eine Antwort oder besser gesagt stumme Reaktion von mir abzuwarten, nahm er meine Hand. Sofort durchzuckte mich eine Reihe von Blitzen, die meinen Körper zum kribbeln brachten, und Wärme, die sich von meiner Hand aus auf den ganzen Körper ausbreitete.
Dann spürte ich, wie eine kühle Spitze etwas auf meinem Arm malte. Und bevor ich gucken konnte was es ist, sah Jared mir noch einmal tief in die Augen, und sagte:
„Auf wiedersehen, Kim!"

Da lies er mich einfach stehen, völlig benommen und verdattert. Ich sollte ihn anrufen?!
Ich drohte zu hyperventilieren, und bevor ich hier auf dem Parkplatz in Ohnmacht fallen würde, setzte ich mich lieber schnell in Bewegung.
Während ich an der Straße nach Hause lief, fiel mir ein, dass er etwas an meinem Arm gemacht hatte. Schnell krempelte ich den Ärmel meines Shirts hoch, und bemerkte nicht nur das ich meinen Parker vergessen hatte, sondern auch das dort in sauberer Schrift eine Telefonnummer stand, gefolgt von dem Namen Jared.
Oh mein Gott! Er hatte mir tatsächlich seine Nummer gegeben!
Noch während ich in Hochstimmung war, und meine Umwelt ausblendete, lief ich unkluger Weise über die Straße. Die Straßen von La Push waren nicht groß befahren, aber das plötzlich Hupen signalisierte mir, das ich grade fast angefahren wurde.
Mein Blick schnellte nach oben, und ich sah einen alten, grauen Golf schräg auf der Straße stehen. Meine Augen waren weit aufgerissen, und mein Mund stand auf, so das ich gar nicht bemerkte, wie jemand aus dem Wagen stieg und mich an den Straßenrand führte.

Der Schock saß tief, richtig tief. Ich nahm nichts von meiner Umwelt war, und wusste nicht warum ich so aufgeregt war. Klar ich wurde grade fast angefahren, aber es war nur fast! Mir war nichts passiert. Trotzdem war ich vollkommen verwirrt. Nach geschätzten 10 Minuten nahm ich wieder etwas von meiner Umgebung wahr.
Das erste was sich zusammenfügte waren die Silhouetten von 3 Personen. Wo in meinem Umfeld sie sich befanden konnte ich noch nicht ausmachen. Ich merkte als nächstes eine Hand auf meiner Schulter und besorgtes Gemurmel, bis eine Stimme deutlicher hervortrat:
„Kim? Hörst du mich?" Ich kannte die Stimme wusste aber nicht woher.
„Wenn sie nicht sofort reagiert rufe ich einen Krankenwagen! So kann sie nicht bleiben", meinte eine zweite, nervösere Stimme.
„Warte noch kurz", sagte die dritte ebenfalls nervös.
Kurz hörte ich nichts, außer, dass die erste Person immer wieder meinen Namen sagte. Mich verwirrte allerdings, woher der Junge meinen Namen kannte.
„Ich rufe jetzt einen Krankenwagen!", beschloss die zweite Stimme, doch das wollte ich auf keinen Fall!
Ich riss meine Augen auf, und krächzte mit meiner Stimme:
„Nein! M...mir geht' s gu..gut."
Alle drei atmeten erleichtert auf. Und sofort erkannte ich die Jungs die vor mir standen! Es waren Michael, William und Josh. Mit denen hätte ich wirklich nicht gerechnet!
Josh kniete neben mir auf dem Boden, und nahm jetzt seine Hand von meiner Schulter. Ob er sich gemerkt hatte, das ich keine Berührungen mochte?
„Bist du dir sicher, das du keinen Arzt willst oder so?", fragte er mich, klang aber nicht sonderlich besorgt. Ich nickte eifrig, und sie beließen es dabei.

Ich nahm mir noch kurz Zeit, um meine Umgebung einzuordnen und sah mich genauer um.
Josh setzte sich langsam hin, und schaute auf einen Punkt vor mir. Wie beim letzten mal trug er schwarze Sachen.
Michael lehnte nervös an einem Baum, und tippte mit seinen Springerstiefeln immer wieder gegen die Rinde des Baums. Er schien lange nicht so gelassen wie Josh, aber ich fragte mich wer das denn schon war. Er trug seine üblichen Punk Klamotten, und hatte eine neue pinke Haarfarbe.
Stand ihm noch besser als das Grün. Michael sah aus dem Augenwinkel ab und zu zu mir.
Will schien am nervösesten und aufgeregtesten zu sein. Sein Blick lag die ganze Zeit auf mir, und ihn schien es auch nicht zu stören, das ich ihn ebenfalls ansah. Er trug Klamotten wie von einem Hip Hopper oder so.
Die drei könnten nicht unterschiedlicher sein! Doch jeder war auf seine Art und Weise zutiefst gut und nett und vielleicht auch ein bisschen bekloppt. Das entnahm ich meinen wenigen Begegnungen mit ihnen. Und ich wollte kaum glauben, dass ich den dreien erneut rein zufällig begegnete.
Ich erkannte, dass der Wagen auf der anderen Seite der Straße stand, und wir am Waldrand saßen.
Ich wandte mich an die besorgten, oder zumindest Teils besorgten Jungs.
„Ich glaub es geht wieder." Ohne zu stottern! Sie guckten zu mir.
Die Stimmen konnte ich jetzt auch zuordnen.
Die erste gehörte zu Josh. Er erinnerte sich wie die anderen an meinen Namen, was mich überraschte.
Die zweite war Wills. Sie war am panischsten.
Die dritte war Michaels.
Michael und Will schauten mich offensichtlich besorgt an, während Joshs Blick unauffälliger war, mir aber mehr Unbehagen bereitete.

„Komm, wir fahren dich nach Hause", meinte Michael und wandte sich zum gehen ab.
Auch Will erhob sich nur. Josh blieb sitzen und wartete anscheinend auf eine Antwort.
„Ihr müsst mich nicht" Ich wurde unterbrochen von Will:
„Nicht fahren, schon klar! Aber jetzt steig ein. Wir beißen nicht."
Ich stand langsam auf und war immer noch misstrauisch. Will schien es zu bemerken und meinte noch hinterher:
„Außer der da vielleicht", und deutete dabei auf Michael der schon am Steuer saß.
„Idiot!", entgegnete dieser.
Also ging ich mit Josh zum Auto rüber und setzte mich auf die Rückbank. Er saß neben mir, und schnallte sich an. So wie ich.

Ich beschloss ihnen einfach zu vertrauen. Das kostete viel Selbstüberwindung, aber es klappte. Mehr oder weniger, für diesen Moment zumindest. Vielleicht sollte ich anfangen, meiner Menschenkenntnis zu trauen. Ich war ihnen schon mehrmals begegnet. Und hätten sie mir was tun wollen, dann hätten sie das auch tun können. Fakt war aber, dass sie es nicht taten. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die drei eine Ausnahmeerscheinung mit ihrem Verhalten mir gegenüber waren. Doch selbst wenn dem so war, war es eigentlich ein Grund für mich, mich darüber zu freuen. Sie waren nett, und das Schicksal schien der Meinung zu sein, dass wir noch nicht fertig miteinander waren.

Ich beschrieb Michael den Weg zu mir. Er startete den Motor und fuhr auf die Straße. Will schien schon wieder komplett der Alte zu sein und fragte mich in einem neckendem Ton:
„Worüber hast du dich denn so gefreut, dass du dich fast anfahren lässt?"
Ich wurde rot, uns senkte den Blick. Will sah mich amüsiert im Seitenspiegel an.
Ich stellte einfach eine andere Frage.
„Was macht ihr überhaupt in La Push?"
„Einfach rumfahren. Zum üben sind eure Straßen echt Klasse!", antwortete Michael. Mir fiel auf das Josh noch nicht viel gesagt hatte. Er beugte sich über einen Block, und schrieb etwas darin.
Nach bereits 5 Minuten standen wir vor meinem Haus.
„Danke!", sagte ich ehrlich zu den dreien.
„Immer gerne! Vielleicht sieht man sich ja noch mal", gab Will zurück, und ich verließ den Wagen. Sie waren schon sehr nett. Komisch aber nett. Ich hoffte eigentlich auf ein Wiedersehen mit ihnen.

Der Wagen fuhr fort, und gab den Blick auf einen Jungen frei, der am Waldrand auf mich gewartet zu haben schien.

„Hey Kim", kam Embry auf mich zu.
„Hey", entgegnete ich fast schon fröhlich. „Was machst du hier?", wollte ich von ihm wissen. Auf einmal schien er etwas verlegen, und meinte schließlich:
„Nur mal Hallo sagen und gucken wie es dir geht."
„Oh", war meine glorreiche Antwort. Irgendwie rührte mich das.
„Also dann", meinte Embry und drehte sich schon halb um.
„Tschüss!", sagte ich und fügte noch an:

„Bis Morgen."
Er drehte sich um und lächelte. Er hat ein schönes und ehrliches Lächeln.
„Ja! Bis Morgen, und pass gut auf dich auf!"
„Immer doch", sagte ich und damit verschwand er.

Ich ging zum Haus und merkte das, das mit dem aufpassen nicht ganz stimmen konnte, bei den ganzen Unfällen die mir immer passierten.
Beim Haus angekommen ging ich geradewegs in mein Zimmer. Ich packte meine Schulsachen aus der Tasche und begann zu lernen.
Als ich mit Englisch weitermachen wollte, viel mir ein kleiner Zettel auf, der zwischen den Seiten steckte. Irritiert fischte ich ihn raus, und las was dort in der mir unbekannten Schrift stand:

Hey Kim!

Ich weiß schon komisch einfach einen Zettel in seinen Sachen zu finden, aber hey! Gibt schlimmeres, oder? Jedenfalls wollte ich dir nur mal meine Telefonnummer hinterlassen (Telefonnummer) . Vielleicht hast du mal Lust, uns ungezwungen näher kennenzulernen :-)

Anscheinend will das Schicksal das. Also sollten wir dem folgen, oder? Die finale Entscheidung, überlasse ich allerdings dir.

Josh


Okay, das brachte mich etwas aus dem Konzept. Aber es war verdammt lieb! Eigentlich gruselig, aber mich rührte es zu Tränen. Ich war mir sicher das ich ihn anrufen würde. Ich wusste nur noch nicht genau wann. Lustig, dass er auch mit dem Schicksal argumentierte. Und eigentlich glaubte ich an diesen Kram. Also Fügungen, Schicksal. Er hatte Recht, dem sollte man folgen.

Ich hörte wie unten die Tür aufging und das Haus sich mit Schritten füllte. Kurz darauf klopfte jemand an meine Tür.

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