Mit fünf Minuten Verspätung kam Mario am Samstagmorgen zum obligatorischen Anschwitzen vor dem Spiel gegen Wolfsburg am Vereinsgelände an.
Er hatte etwas zu lange mit Marco geschrieben, der sich etwas konfus bei ihm gemeldet hatte. Als Mario ihn schließlich halbwegs beruhigt hatte, musste er noch die Schuhe suchen, die er anziehen wollte, die Ann Kathrin aber falsch in seinen Schuhschrank einsortiert hatte.
"Sorry Coach", hauchte er etwas atemlos als er bei seinem Trainer ankam, "es gab da noch so ein Problem mit-"
"Marco? Wir wissen Bescheid. Er hat uns eben schon informiert. Wir werden heute ohne ihn spielen müssen", fiel ihm sein Trainer mit ruhiger Stimme ins Wort.
Also war es doch kein Fehlalarm gewesen, schoss es Mario sofort in den Kopf. Scarletts Wehen hatten nun tatsächlich eingesetzt und sein Freund befand sich mit ihr auf dem Weg ins Krankenhaus!
Geistesabwesend nickte Mario, gab seinen Kulturbeutel für später ab und reihte sich für den obligatorischen Spaziergang bei den Jungs ein, während er sein Handy hervorzog.
"Na? Es wird ernst wa?", fragte Marius und gesellte sich zu Mario.
Dieser sah nur irritiert auf, ehe er die Worte zum ersten Mal richtig verstanden hatte und nickte.
"Mach dir keinen Kopf. Die zwei schaffen das schon. Scarlett wird sich ja bestens mit ihrer Hebamme zusammen auf die Geburt vorbereitet haben. Pass auf, wenn das Spiel rum ist, ist die Kleine schon da und du kannst gleich zu deinem Marco ins Krankenhaus fahren", redete Marius weiter auf ihn ein und legte ihm einen Arm um.
"Ich hoffe nur es gibt keine Probleme", äußerte Mario seine Bedenken und sah auf sein Handydisplay.
Marco war das letzte Mal vor gut zwanzig Minuten online gewesen. Das war, als sie noch miteinander geschrieben hatten.
"Mach dir keinen Stress. Was soll noch für ein Problem auftreten? Sie hat ihre Wehen bekommen und wird das Kind jetz auf ganz natürlichem Wege auf die Welt bringen", entgegnete Marius.
"Wir reden hier von einer Geburt Wolfi", erinnerte Mario ihn und starrte weiter auf sein Display.
Dabei bemerkte er gar nicht, wie eine weitere Person den Platz neben ihm einnahm und Marius sich langsam zurückfallen ließ.
"Beim ersten Kind schiebt man immer Panik", ertönte schließlich Sebastian Kehls Stimme in Marios linkem Ohr.
Irritiert sah der Brünette zu dem Leiter der Lizenzspielerabteilung auf und wurde von einem sanften Lächeln begrüßt.
"Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen als Luis auf die Welt kam", entgegnete der ehemalige Kapitän nur weiter.
"Ist Luis jetzt nicht schon vierzehn?", fragte Mario daraufhin und steckte sein Handy tatsächlich weg.
"Nicht ganz. Zwölf. Aber trotzdem vergisst man sowas nicht. Gott, ich hab mir fasst in die Hose gemacht als Tina mir gesagt hat, dass das Baby kommt und sie hatte da eigentlich die nasse Leggings weil die Fruchtblase geplatzt ist."
Ein Schmunzeln huschte über Marios Gesicht während er Kehli weiter lauschte.
"Ich war so nervös und wusste nicht was ich tun soll. Tina konnte ich in dem Moment auch nicht wirklich fragen. Die war eher damit beschäftigt das Haus zusammen zu schreien", erzählte Sebastian mit einem Lächeln, "also hab ich das einzige getan, was mir in den Kopf kam. Ich hab meine Mutter angerufen."
Mario lachte kurz ehe sein ehemaliger Teamkollege fortfuhr:
"Sie hat mir gesagt ich soll jetzt ja nicht in Panik verfallen, einfach schnell eine Tasche mit den Babysachen und ein paar bequeme Sachen für Tina packen, ihr zum Wagen helfen, sie ins Krankenhaus fahren und die Hebamme anrufen. Sie hat mich in dem Moment echt beruhigt, denn mir ging zugegebenermaßen in der Sekunde echt die Flunder."
"Und dann?", wollte Mario weiter wissen.
"Ich hab aufgelegt, mir gut zugeredet, die Sachen gepackt, die Hebamme angerufen, die mir auch nochmal gesagt hat, dass ich ruhig bleiben soll und sie gleich kommen würde und bin dann mit Tina ins Krankenhaus gefahren. Als wir dann da waren ging alles irgendwie ganz schnell. Der Arzt hat nochmal nach ihr geschaut und als der Muttermund weit genug auf war, kam der kleine Luis."
"Warst du die ganze Zeit bei ihr?"
"Oh ja", lachte Kehli bei der Erinnerung kurz auf, "ich hab neben ihr gesessen, bin ihr durch ihr verschwitztes Haar gefahren und hab mir in regelmäßigen Abständen meine Hand von ihr zerquetschen lassen."
"Tat es sehr weh?", fragte Mario sofort mitleidig.
"Sagen wir, bei einer Geburt merkst du das erste Mal so wirklich wie viel Kraft Frauen eigentlich haben", antwortete Sebastian mit einem Lächeln.
"Und danach?"
"Als Luis da war, war es unbeschreiblich. Es gibt keine Worte für dieses Gefühl wenn du dein eigen Fleisch und Blut zum ersten Mal im Arm hast. Da ist einfach sofort eine tiefe Verbundenheit zwischen dir und dem Baby. Ich durfte ihn dann gemeinsam mit der Hebamme noch wiegen und messen, ehe ich ihm eine Windel und den kleinen Strampler anziehen durfte, denn ich eingepackt hatte, der ihm aber noch viel zu groß war. Er hat geweint aber als er dann in Tinas Armen lag, war er ganz ruhig. Nach der Nachuntersuchung durften wir dann auch schon wieder Nachhause. Es ist echt komisch zu zweit zu kommen und dann zu dritt wieder zu gehen, aber es ist auch unbeschreiblich schön", führte Kehli seine Geschichte zu Ende.
"Mach dir keine Sorgen um Marco. Er wird schon intuitiv das Richtige tun und selbst wenn, er hat im schlimmsten Fall auch immer noch dich. Das ist jetzt alles sehr aufregend, aber Scarlett und er werden das schon meistern", redete Sebastian seinem jungen und ehemaligen Teamkollegen weiter gut zu und legte ihm anschließend beruhigend eine Hand auf die Schulter.
Mario atmete daraufhin einmal tief ein und aus. Kehlis Geschichte hatte ihn wirklich beruhigt und nun wusste er auch, dass Marco jegliche Unterstützung um sich haben würde, sobald er mit Scarlett im Krankenhaus angekommen war. Er konnte den Spaziergang jetzt durchaus etwas gelassener angehen.
"So. Und jetzt lassen wir Marco in Ruhe die Geburt seiner ersten Tochter erleben und konzentrieren uns darauf ihm noch ein zweites Geschenk zu machen und ihm einen Heimsieg gegen Wolfsburg zu holen", motivierte Sebastian den Spieler weiter und schlug ihm kurz auf den Rücken.
"Danke Kehli", hauchte Mario daraufhin und lächelte seinen ehemaligen Teamkollegen dankbar an.
"Kein Problem", entgegnete dieser und die beiden konzentrierten sich nun auf den Spaziergang und das Spiel, das unmittelbar vor ihnen lag.
DU LIEST GERADE
Hope for Love
FanfictionMario ist seit gut zwei Jahren wieder zu seiner alten Liebe zurückgekehrt: dem BVB. Neben dem Vertrauen des Vereins und der Hoffnung endlich wieder sportlich erfolgreich spielen zu können, gab es jedoch noch einen anderen ausschlaggebenden Punkt für...