Kapitel 23

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Migas p.o.v.

Ich verlies fluchtartig die Schwimmhalle und stürzte unter die Dusche. Meine Augen brannten und ich fühlte mich, als ob mein Herz in mir zerrissen wurde. Meine Atmung war flach und ich verfiel langsam ins Hyperventilieren. Ich versuchte mich langsam zu beruhigen. Ich konnte es nun warlich nicht gebrauchen, wenn ich hier wieder zusammenbrechen würde. Das konnte ich keinesfalls zulassen. Außerdem wartete Taehyung bestimmt auf mich, weshalb ich mich endlich zusammenreißen sollte.

Es dauerte bestimmt noch mindestens zehn Minuten, bevor ich wieder im Vollbesitz meiner Gedanken und Gefühle war und mit dem Duschen vorsetzen konnte. Zuvor hatte ich lediglich das warme Wasser auf meinen erschöpften Körper prasseln lassen.

Nachdem ich aus der Dusche raus war, ging es überraschend schnell. Ich zog mich in Rekordzeit an und föhnte meine Haare, bevor ich schon nach oben zum Raum stürmte, in dem sich Taehyung befunden hatte. Kaum öffnete ich die Tür, drehte sich ein junger Mann, mit einer dunkel grünen Beanie über seinen dunklen Haaren, zu mir. Die Glücksgefühle durchströmten erneut meinen Körper und ich lies meine Tasche auf den Boden fallen und lief sofort auf ihn zu.

Er strahlte mich an und öffnte seine Arme weit, damit ich ihn stürmisch umarmen konnte. Es war wie früher, als wir noch zusammen gewohnt hatten und ich ihn immer so begrüßt hatte, wenn er nach Hause kam. In den Zeiten wo wir beide noch nichts von der Welt wussten und unser Leben sich praktisch nur um unsere Familie drehte. 

Er legte seine Arme sanft um meinen Rücken als ich mich endlich in seiner Umarmung wiederfand. Ich genoss diesen Moment sehr und hoffte, das er bestehen bleiben konnte. Ich fühlte mich in seinen Armen wie Zuhause und versuchte die Umarmung deshalb so lange es ging hinauszuzögern. Schließlich lösten wir uns doch voneinander und sofort begann ich freudig zu ihm zu sagen:

"Du weißt gar nicht wie froh ich bin, dass du gekommen bist. Ich bin dir so dankbar dafür"

Er lächelte mich liebevoll an und zog mich erneut in eine kurze Umarmung, die scheinbar die Bestätigung seiner Liebe für mich war. Er war nicht immer der beste in der verbalen Kommunikation gewesen, aber er war immer für mich da um mir zuzuhören und mir seinen Trost zu spenden. In welcher Form dieser zum Vorschein trat, spielte dabei keine Rolle. Das Entscheidende war, dass er da war.

Wir entschieden uns den Abend noch entspannt ausklingen zu lassen und etwas am Hangang spazieren zu gehen und uns dann etwas schnelles zum Aufkochen beim Convenience Store zu besorgen. In der Dunkelheit und Kälte der Nacht fanden wir immer näher wieder zueinander und ich konnte die Zeit in vollen Zügen genießen. In diesem Moment hatte ich die Sorgen und Vorkommnisse der letzten Tagen, Wochen und Monaten vergessen. In diesem Moment verband uns beide ein Band der Geschwisterliebe, das heller als je zuvor zu erleuchten schien.

Ich versprach ihm, mich fortan wieder regelmäßiger und mehr zu melden und auch wieder mit unseren Eltern zu sprechen. Ich hatte den Kontakt zu ihnen irgendwie verloren und Taehyung erzählte mir, wie besorgt und verwirrt sie wegen dieser Tatsache waren. Sie dachten vermutlich, dass ich mich bewusst von ihnen abgewandt hatte, aber das war nicht der Fall. Noch am selben Abend als ich wieder zurück ins Hotel gebracht wurde von Tae, rief ich sie an. Es war ein überaschend gutes Telefonat, was sich bis in die frühen Morgenstunden zog. In die frühen Morgenstunden des letzten Trainingstages vor dem Beginn der internationalen Schwimmfestspiele.

Es waren keine rein schwimmspezifischen Spiele in dem Sinne, dass bloß reine Schwimmer und Schwimmerinnen vertreten waren. Es gab ebenfalls Wettkämpfe im Turmspringen und Synchronschwimmen, die allerdings teilweise in einer anderen Halle ausgerichtet wurden und zu unterschiedlichen Zeiten. In dieser anderen Halle fand nun auch am nächsten Tag unsere letzte Einheit auf dem Programm. Wir durften morgens etwas ausschlafen, bevor wir gegen den späten Vormittag in die Halle kamen und dort für zwei Stunden ein Technik - und Regenerationsfokussiertes Training absolvierten. 

Danach duschten wir und fuhren zurück ins Hotel. Wir sollten nach dem Mittagessen noch einige Interviews haben, die allerdings kurzfristig gestrichen wurden. Stattdessen hatten wir eine weitere Pause, in der wir erneut von unserem Physio durchgecheckt und vorbereitet wurden, bevor wir in einzelne Abschlussgespräche mit unseren Trainern kommen sollten. Meines wurde ans Ende aller Gespräche gelegt, sodass ich erst gegen 18:30 Uhr an die Zimmertür anklopfte. 

Wir hatten neben den Schlafzimmern auch drei weitere Zimmer im Hotel. Eines, das für die Behandlungen von unserem Physio da war, eines für Teambesprechungen, das eine Tafel hatte und nur Stühle als Mobiliar und ein letztes, das als Büro für unsere Trainer diente. An die Zimmertür dieses Zimmers klopfte ich nun an und hoffte, dass auch unser Co-Trainer Lee Sang-Hyun anwesend war.

Mir wurde die Tür geöffnet und sofort verbeugte ich mich kurz und trat dann ein. Im Raum war es stickig und die Vorhänge waren komplett zugezogen. Ich warf verwundert einen Blick darauf, aber schenkte dem keine weitere Beachtung. 

"Hallo, Miga. Schön dich wiederzusehen. Wie fühlst du dich?", erklang die Stimme meines Trainers und sofort sah ich ihn an. Sein Grinsen umspielte seine rauen Lippen und gaben mir damit den Blick frei auf seine gebleachten Zähne. 

"Gut, danke", antwortete ich kurz und setzte mich nach seiner Handbewegung ihm gegenüber auf einen Stuhl. Lee Sang-Hyun, der mir die Tür geöffnet hatte, setzte sich ein Stück weit hinter mich, was in mir ein noch beklemmteres Gefühl breit werden lies.

"Das ist schön zu hören. Dann wird es ja keinerlei Schwierigkeiten morgen geben. Sang-Hyun wird dir gleich deinen Plan für morgen zusenden. Und hier, nimm das noch bevor du schlafen gehst", meinte er und stellte eine kleine Glasflasche in einem dunklen Braunton vor mich.

"Was ist das?", fragte ich leicht nervös und musterte die Flasche. Dann blickte ich ihn an und er meinte völlig selbstsicher wie immer:

"Damit du gut schlafen kannst und dann morgen fit bist"

Ich sah ihn verwirrt an und fragte mit leicht zitternder Stimme: "Das ist doch ein erlaubtes Mittel, oder?"

Sein Blick verdunkelte sich etwas, doch sein selbstsicheres Lächeln blieb bestehen, während er mich musterte und dann meinte:

"Du solltest dir keine Gedanken machen"

Ich schluckte und erwiderte dann: "Es ist also nicht erlaubt. Das ist Doping. Sie können doch nicht wollen, dass ich das wirklich nehme"

Sein Lächeln erstarb und hinterlies bloß seine verhärteten Gesichtszüge.

"Trink es", befahl er und lehnte sich weiter nach vorne.

Hilfesuchend sah ich mich zu Lee Sang-Hyun, unserem Co-Trainer um. Er konnte das doch nicht tolerieren. Ich kannte ihn schon viel länger als Hwang Jiho, aber er hatte nie etwas derartiges von mir verlangt. Wieso tat er nun nichts dagegen?

"Das kann ich nicht. Ich möchte sauberen Sport machen", versuchte ich es erneut in einer ruhigen Tonlage, die allerdings nicht sonderlich zu greifen schien.

"Meine liebe Miga, trink es, oder müssen wir es dir anders schmackhaft machen?", erklang seine Stimme, die nun wieder stärker die Arroganz und Überlegenheit in sich trug. Ich begann nervös zu zittern und wollte aufstehen, als ich merkte, dass jemand seine Hände auf meine Schultern platziert hatte. Ganz sanft und doch mit einer bedrohlichen Ruhe lagen sie dort, um mir klar zu zeigen: Es gab keinen Ausweg. Ich musste diese Situation durchstehen und konnte nicht vor ihr davonlaufen.

"Sie werden mich testen und das wird doch auch für sie nicht gut ausgehen. Nicht nur ich werde bestraft werden, sondern auch sie als Trainer werden in Frage gestellt werden. Das können sie doch nicht ernsthaft wollen", versuchte ich ihn weiter zu überzeugen. Ich wollte die Flüssigkeit, was auch immer es war, nicht zu mir nehmen.

"Ich habe mir bereits Blutproben von dir besorgt, die im Fall der Fälle zum Einsatz kommen werden. Ich möchte doch mein bestes Rennpferd nicht verlieren. Und nun trink es", antwortete er mir und kam mir immer näher. Ich wollte aufspringen und wegrennen, aber spürte nur weiter den Druck gegen meinen Körper. Das konnte doch nicht gerade wirklich passieren. Das musste doch ein Albtraum sein.

"Ich kann nicht", flüsterte ich und wagte es kaum noch ihn anzusehen. Ich begann leise zu Gott zu beten, dass er mich bitte aus dieser Lage befreien sollte. Ich würde es nicht nehmen, was auch immer geschah.

SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt