Kapitel 29

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Migas p.o.v.

Direkt nach den Wettkämpfen wurden wir in Eisbäder gesteckt, damit sich unsere Körper optimal bis morgen regenerieren konnten. Ich mochte das immer sehr, im Gegensatz zu vielen meiner Teamkameradinnen. Die Kälte im Eisbad machte mir nicht allzu viel aus. Teilweise hätte ich noch eine Zeitung gebrauchen können, weil es so entspannend war und ich gerne länger drinnen geblieben wäre.

Am Abend hatten wir uns in einer Teambesprechung eingefunden, in der unser Trainer Hwang Jiho versuchte die Emotionalität und die allgemeine Stimmung wieder auf den morgigen Wettkampftag zu fokussieren, was eine schwierige Aufgabe war. Einige Schwimmerinnen wie z.B. Ahi, würden die restliche Zeit, die wir hier verbringen würden, nicht mehr an irgendwelchen Wettkämpfen teilnehmen und waren dementsprechend niedergeschlagen. Diese Reaktion war für uns alle verständlich, obwohl sie für die Stimmung der Schwimmerinnen, die ihre Vorläufe überstanden hatten, keinen positiven Effekte zeigte. Es war eher das Gegenteil zu beobachten, weshalb das Gespräch in der Gruppe mir als sehr sinnvoll erschien.

Ich bin unfassbar stolz auf dich. Das sind wir alle. Wir gratulieren dir zu deinen guten Vorläufen und sind schon ganz gespannt wie es morgen weitergeht. Fighting

Diese Nachricht hatte ich von meinem lieben Bruder Taehyung erhalten, ebenso wie eine ähnliche von meinen Eltern, meinem anderen Bruder und Jungkook und Jimin. Anscheinend hatten sie allesamt den Wettkampf verfolgt, was mich einerseits unglaublich glücklich machte, dass sie so an mich dachten, aber auch noch mehr den Druck in mir steigen ließ. Sie alle könnte ich durch eine falsche Bewegung enttäuschen. Sie alle könnte ich mit zu mir in die Tiefen des Tartarus reißen.

Nach dem Gespräch wurden wir wiedermal separiert und mir wurde wieder das Dopingmittel angedreht. Dieses Mal wehrte ich mich nicht mehr dagegen, sondern behielt es einfach in meinen Mundtaschen, sodass ich es ausspucken konnte, ohne auch nur ein bisschen heruntergeschluckt zu haben. Ich vermutete zu diesem Zeitpunkt, dass sie uns allen diese Mittel gaben, da Sumi etwas nach mir zurück ins Hotelzimmer kam und nicht sonderlich glücklich aussah. Als ich sie darauf ansprach, stimmte ihr Mimik nicht mit ihren Worten überein, was mich zu dieser Schlussfolgerung führte. Obwohl ich noch immer nicht verstand, warum sie all das taten und warum unserer langjähriger Co-Trainer das mitmachte. Der Kosten-Nutzen-Faktor müsste doch unterirrdisch sein.

Der nächte Tag verlief sehr gut. Ich schaffte es in meinen beiden anderen Disziplinen 100m und 200m Freistil ebenso ins Finale und auch in der Staffel mit Juhee, Choi, Yanhae und mir lief es gut und wir schafften es ebenso überraschend gerade so ins Finale. Die Freude war bei uns allen riesig und wir konnten den Freitag kaum abwarten. Am Freitag standen die ersten Finals an. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich komplett abgekapselt von der Außenwelt. Ich hatte zu viel bereits gehört, wie unser Auftreten in der Öffentlichkeit gesehen wurde und ich wollte damit ab diesem Moment nichts mehr zu tun haben. Das wichtigste war nun mein Fokus auf mich selbst.

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag schlief ich nicht so gut. Ich hatte Alpträume, die meine Schlafqualität rapide sinken ließen. Und dennoch war ich hellwach, als am Morgen der Wecker von Sumi klingelte. Sie hatte es in ein Finale geschafft. Sie würde nach mir im Finale von 100m Kraulen an den Start gehen, was sie unglaublich stolz machte. Sie hatte nicht damit gerechnet gehabt und wollte lediglich einen guten Platz im Vorlauf erreichen. Dass sie dabei auf Platz 2 landen und sich damit fürs Finale qualifizieren würde, hätte sie zuvor nicht für möglich gehalten. Aber gerade das freute mich noch viel mehr für sie. Dass sie gemerkt hatte, dass sie zu viel mehr im Stande war, als sie sich selbst zutraute.

"Wir sollten uns etwas beeilen. Ich hab den Wecker eine halbe Stunde zu spät gestellt", gestand sie plötzlich aufgewühlt und sprang aus dem Bett. Und auch ich hatte es nun besonders eilig mich fertig zu machen, damit wir nicht mit leerem Magen zum Wettkampf fuhren. 

Glücklicherweise bekamen wir noch etwas, auch wenn wir einige böse Kommentare von unserem Trainer abbekamen. Danach fuhren wir gemeinsam in die Halle und ich begann sofort mit meinem Aufwärmprogramm, da an diesem Tage das Finale der 100m Schmetterling der Damen den Wettkampftag eröffnen würden. 

Ich bemerkte sofort, dass ich mich heute richtig gut fühlte, als ob die Energie nur so aus mir herausströmen würde. Ich genoss dieses Gefühl und versuchte es möglichst auszunutzen, bis ich an den Start gehen würde. Sobald man den Startblock betritt, gibt es bloß ein Gefühl, das einen durchströmt: das pure Adrenalin. Die ganze Anspannung, die Tränen, der Schweiß, das Blut, die Rückschläge, die allesamt den Weg zu diesem Moment geebnet hatten, sollten keinesfalls umsonst gewesen sein. Der ganze Verzicht und das jahrelange Engagement wollte man sich möglichst mit einem guten Ergebnis zurückzahlen. 

Der Knall ertönte und sofort drückte ich mich kraftvoll von dem Startblock ab. Kraftvoll glitt ich durch das Wasser und erwischte eine perfekte Wende. Danach kamen die letzten 50m, die so schnell vergingen, sodass ich gar nicht mitbekam, dass ich bereits in Führung lag. Die Anfeuerungen von meinen Teammitgliedern und den Zuschauern gingen komplett an mir vorbei. Erst als ich am Beckenrand anschlug und aufblickte, nahm ich meine Umgebung wieder war. 

Sofort ging mein Blick zur Leinwand und ich konnte gar nicht glauben, was ich dort sah. Ich hatte es tatsächlich um wenige hundertstel geschafft, die erste in der Weltrangliste Sarah Sjöström aus Schweden, die als schwedisches Schwimmwunderkind gilt, zu schlagen. Ich konnte es gar nicht glauben und begann verwundert immer wieder auf die unterschiedlichen Tafeln zu gucken, aber die Reihenfolge änderte sich nicht. Ich hatte es tatsächlich geschafft, den ersten Platz bei den internationalen Schwimmfestspielen in Seoul im 100m Schmetterling zu erreichen. 

Ich hievte mich aus dem Becken und schnappte mir mein Handtuch, bevor ich direkt zu meinen Mädels lief. Sie schlossen mich sofort in eine Umarmung und waren voller Energie und Freude, was diesen Moment noch viel schöner machte. Im Kreise meiner engsten Freundinnen wurde mein Sieg bereits etwas gefeiert, bis ich mich wieder fertig machen musste für das nächste Finale. Noch immer euphorisiert ging ich dort an den Start und versuchte das unmögliche möglich zu machen. Was wäre es nur für eine Ehre und Auszeichnung für den südkoreansichen Schwimmsport, wenn wir einige Podeste bekleiden konnten. Nur dafür würden wir alle bis zum Ende alles geben müssen. Was auch immer passierte. 

SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt