Kapitel 55

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Taehyungs p.o.v.

"Ich kann mich noch genau an eine Nacht erinnern, in der wir uns rausgeschlichen haben, um nach Mitternacht draußen zu spielen. Miga hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, aber wir hatten so viel Spaß zusammen. Als wir wieder ins Haus kamen, waren wir so durchgefroren, sodass sie sofort Tee für uns gemacht hat. Sie liebt Tee und es war für sie immer ein Trostpflaster und Beruhigungsmittel und nicht nur ein Heißgetränk. Dann saßen wir zusammen, haben uns aufgewärmt, Tee getrunken und witzige Geschichten erzählt", ich schmunzelte bei dieser Erinnerung, bevor ich fortfuhr:

"Ich weiß auch noch genau wie wir an einem der letzten Nachmittag beim See waren, bei dem wir beide einen riesen Spaß hatten. Es war einer solcher sorglosen Tage, die in den Erinnerungen noch goldener strahlen. Wir haben damals alles zu dritt gemacht und uns versucht gegenseitig zu unterstützen", erzählte ich Jimin und fühlte mich dabei schon viel besser. Er hatte es mal wieder geschafft mit seiner Engelsmagie meine Sorgen etwas zu sänftigen und mein Weinen abebben zu lassen.

"Sie war zwar meine kleine Schwester, aber ich habe sie schon damals für ihre Art bewundert. Sie war schon immer sehr zielstrebig und hat versucht alles für uns und ihre Träume zu geben. Es wurde erst schwieriger, als es schließlich entweder das eine oder das andere hieß. Das war noch bevor wir beide uns kennengelernt haben. Und sie hatte damals sehr mit sich gerungen, weil sie eigentlich uns weiter unterstützen wollte, aber wir haben sie dazu angehalten über die Einzigartigkeit dieser Chance und dessen Bedeutung nachzudenken. Sie hat immer alles für uns tun wollen und das heute zu hören, war eine Bestätigung meiner schlimmsten Befürchtungen", fuhr ich fort und sprach mir alles, was mir jetzt in den Sinn kam einfach von der Seele. Es tat so unfassbar gut und Jimin saß da, schenkte mir seine ganze Aufmerksamkeit und Unterstützung und lies dadurch die Schmerzen etwas abklingen.

"Tae, egal was passiert sein mag und egal was passieren wird, deine Schwester hat und wird dich immer lieben. Sie hat nie aufgehört, was auch immer passiert ist, also wird sie auch weiter an deiner Seite bleiben", sprach er mir Mut zu und zog mich dann in eine wohltuende Umarmung.

Ohne mein bewusstes Zutun begannen meine Augen erneut zu tränen. Wieso nur hatte ich sie nie weit genug geöffnet, damit ich ihr helfen konnte. Mit der Zeit wurde ich immer ruhiger und lies mich schließlich von Jimin wieder zu meinem Platz bringen, auf dem in kurzer Zeit bereits das Abendessen serviert werden würde. 

Ich aß schließlich das Abendessen und spielte eine Runde nach der anderen Spiele auf meinem Handy, bevor ich mich dann erschöpft hinlegte, um etwas an Energie zu tanken. Sobald wir ankommen würden in Seoul, würde es vermutlich wieder hektisch und laut werden, weshalb ich etwas Ruhe gut gebrauchen konnte. Außerdem trug ich noch die Hoffnung in mir, dass ich direkt meine kleine Schwester wieder in meine Arme schließen konnte. Meine kleine Schwester, die so viel durchgestanden hatte. Mit den letzten Gedanken an sie glitt ich in einen unruhigen Schlaf.

Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, war es bereits hell draußen. Blinzelnd gähnte ich und sah dann auf mein Handy, um nach hilfreichen Nachrichten zu sehen. Gab es Informationen über Miga, die mich beruhigen konnten, dass sie nun den Umständen entsprechend wohl auf und wieder frei war. Dieser Gefallen wurde mir allerdings verwehrt, als ich mich enttäuscht umdrehte und neben mir im Sitz, der durch den Gang von meinem getrennt war, einen schlafenden Jin sah. Seine Haare waren völlig verwuschelt und er verzog sein Gesicht leicht. 

"So ein Hyung", schmunzelte ich und sah mich nach Sejin und Sanghyun um. Irgendeiner, der mich mit irgendwelchen hilfreichen Informationen ausstatten konnte, war mir herzlich willkommen. 

Da mir bei diesem Gedanken keiner freudig entgegensprang entschloss ich mich, dass ich mich selbst auf die Suche machen sollte. Ich streckte mich kurz, als ich aufstand und lief auf den hinteren Teil der Sitze zu, auf denen unsere Manager saßen. Auf dem Weg kam ich an einem schlafenden Jungkook vorbei, der ebenso unruhig zu schlafen schien wie ich, obwohl er mindestens genauso müde sein musste, nachdem wir unsere letzte Nacht bereits mit wilden Spekulationen und beunruhigenden Gedanken verbracht hatten.

Schließlich gelangte ich zu Sejin, der wie immer etwas zu planen schien und sich intensiv mit Hobeom unterhielt. Er sah erst hoch zu mir, als ich bereits neben den Beiden zum Halten gekommen war.

"Guten Morgen, wisst ihr schon etwas Neues?", fragte ich sofort und blickte die beiden aus müden, aber dennoch aufgewühlten Augen an.

"Guten Morgen, Taehyung. Wir haben erfahren, dass deine Schwester ins Krankenhaus gebracht wurde. Aber keine Sorge, es geht ihr gut. Sie scheint nur einige kleinere Verletzungen zu haben, dehydriert und unterzuckert zu sein und wird deshalb dort nur etwas aufgepäppelt. Deine Eltern sind auch schon vor Ort", erklärte Sejin, nachdem er aufgestanden war. Er lächelte mich nun aufmunternd an, während ich ihn überglücklich in eine Umarmung zog. Es ging ihr gut. Meiner Schwester ging es gut. Das war alles, was ich mir im Moment wünschen konnte.

Sejin schien etwas überrascht von meiner plötzlichen Aktion gewesen zu sein, weshalb er etwas trocken lachte, bevor er sagte: "Ich wollte dich nicht wecken, weil ihr alles an Schlaf braucht, was ihr bekommen könnt"

"Alles gut, vielen Dank, Sejin. Vielen Dank, dass ihr alle immer alles für uns gebt. Wir sind euch so unfassbar dankbar dafür. Ich bin dir so unfassbar dankbar dafür", murmelte ich zurück und löste mich dann aus der Umarmung.

"Natürlich, wir haben doch bisher alle Hürden gut gemeinsam überstanden und ich bin froh, dass es jetzt alles gut auszugehen scheint. Weck aber bitte die anderen noch nicht. Wir reden mit ihnen, sobald sie aufwachen", meinte er und ich nickte leicht. Er hatte vermutlich recht, dass wir ihnen allen jede nur erdenkliche Minute Schlaf gestatten sollten, bevor wir wieder in die nächste verrückte Geschichte schlittern würden.

"Wie lange fliegen wir denn noch und kann ich dann sofort zu meiner Schwester?", fragte ich nun. Sejin sah auf seine Uhr und sah dann nochmal zu Hobeom, bevor er sagte: 

"Wir sollen planmäßig in etwas mehr als vier Stunden landen und wir haben schon mit einem Fahrer gesprochen, der dich dann sofort ins Krankenhaus bringen wird"

"Und was ist mit mir?", fragte nun eine Stimme hinter uns, die noch ziemlich verschlafen klang.

"Natürlich kannst du auch mit, Jungkook. Wenn ihr das alle wollt, dann sagen wir den Fahrern, dass sie alle zum Krankenhaus fahren sollen. Dann sollten wir allerdings nochmal unser Sicherheitskonzept überdenken, weil sich vermutlich massenhaft Paparazzis beim Krankenhaus tummeln werden, weil sie wissen werden, dass Taehyung vermutlich sofort dorthin kommt", schaltete sich nun Hobeom ein, der etwas angespannt aussah. Ich blickte ihn nur verwirrt an. Wieso sollten sie denken, dass ich kommen würde, wenn alle Welt davon ausging, dass ich meine Schwester schlagen würde? 

Sejin schien mir meine Frage vom Gesicht abzulesen, da er zu mir sagte: 

"Es wurde die originale Audiodatei veröffentlicht und der, der sie bearbeitet hat, hat sich sofort dafür entschuldigt. Er meinte, dass er keine Ahnung über den Verwendungszweck gehabt hätte und er lediglich versucht hätte einem Freund zu helfen"

Ich schluckte und nickte dann langsam. Was für eine Freundschaft das gewesen sein musste, wenn man ihn für etwas derartiges wirklich ausgenutzt hatte. Aber das sollte jetzt nicht in meinen Gedanken jeglichen Platz einnehmen. Stattdessen drehte ich mich zu Jungkook und nahm ihn stürmisch in meine Arme.

"Jetzt wird alles wieder gut, Jungkook", murmelte ich und grinste glücklich. 

Wenn man Glück abfüllen könnte, dann würde ich mir nun mindestens ein Dutzend Gläser besorgen und dieses warme Gefühl in mir für die Ewigkeit verstauen. Diese Magie, die mir diesen Moment nach diesen ganzen schwer grauen Tagen erhellte, hatte ich lange Zeit vermisst und wollte sie nie wieder hergeben. Ich wollte je ein Glas für meine Jungs und meine Familie davon abfüllen, damit sie in schlimmen Zeiten davon zehren konnten. In schlimmen Zeiten, die immer nur um die Ecke lauern, um uns zurück zu reißen, in die Wirklichkeit und ihr Gleichgewicht, dass sie ausmacht. Die Wirklichkeit, die am Ende jedes Hochs ein Tief für uns bereithält.


SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt