Kapitel 50

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Migas p.o.v.

Ich kam langsam wieder zu mir. Ich war weg gewesen. Ich konnte mich an nichts mehr wirklich erinnern. Alles verschwamm in einem Brei an Geräuschen und Farben, denen ich weder Bedeutung noch Zeitpunkt zuordnen konnte. Ich fühlte mich ziemlich verloren und versuchte mich etwas zu finden. 

Meine Augen hatte ich noch geschlossen. Ich konnte mich nicht mehr an das letzte Mal erinnern, als ich sie offen gehabt hatte. Langsam kamen einige Erinnerungen aus dem Nebel hervor und formten einen sich langsam zusammenreimenden Flickenteppich. Ich musste mich noch bei Hwang Jiho befinden. Ich konnte mich nicht daran erinnern gegangen zu sein. Obwohl ich konnte mich sowieso an nicht sonderlich viel erinnern, sodass das mich eher weniger beschäftigen sollte. 

Plötzlich nahm ich eine Stimme neben mir wahr, die etwas sagte. Ich brauchte etwas, bis ich sie als Hwang Jihos Stimme ausmachen konnte und ich die Worte, die er sagte, wirklich aufnahm.

"Miga, warum bist du noch nicht wach? Du machst auch nur Ärger. Aber nicht nur du, deine Freunde und Familie können das mindestens genauso gut"

Seine Stimme war rau und schien durchtrieft zu sein von Hass und Abneigung, zu denen sich zusätzlich ein Unterton von Frust, Aufgewühltheit und Nervösität mischte. In welcher Situation befand ich mich nur gerade? Ich spürte wie seine Hände sich in meine Oberarme krallten und er mich dadurch schüttelte, sodass ich mich konzentrieren musste, dass ich keine Reaktion zeigte. Vielleicht würde es mir einen Vorteil verschaffen, wenn er dachte, dass ich schlafen würde. 

"Yah, warum bist du nicht wach?", sagte er nun noch wütender und verstärkte seinen Griff erneut. 

"Na gut, dann muss ich wohl noch etwas anderes ausprobieren", murmelte er und auch dabei schienen ihn seine negativen Emotionen voll im Griff zu haben. Seine berechnende und überlegene Art hatte keinen Einfluss mehr auf ihn. Diesen Frontrow-Platz hatten nun seine Emotionen eingenommen, die ihn gedankenloser machten. Unter Einfluss von starken Emotionen wird das logische Denken blockiert. Ich konnte mich an eine Studie erinnern, die ich diesbezüglich einst gelesen hatte, als eine Freundin Probleme mit einem "Temperamentvollen Typen" hatte. 

Und auch, wenn ihn das hoffentlich unvorsichtiger und schlampiger bei der Ausführung seiner Versuche mich von der Veröffentlichung der Wahrheit abzuhalten machte, so konnten die direkten Auswirkungen für mich umso angsteinflößender werden. Wenn er nicht über die Folgen nachdachte, aus dem Affekt heraus handelte, wurde er vermutlich noch skrupelloser. Obwohl sein Umgang mit mir bis zu diesem Zeitpunkt auch keinesfalls als sanft anzusehen war.

Sein Griff wurde plötzlich entfernt und ich vernahm Schritte, die sich von mir entfernten, bis ich eine Tür hörte, die geöffnet wurde. Die Schritte entfernten sich weiter, sodass ich schließlich vorsichtig und mit extrem schnell schlagendem Herzen meine Augen vorsichtig öffnete. Das Licht war unfassbar hell und ich rieb mir schnell über die Augen um ihnen etwas zu helfen, sich daran zu gewöhnen. Es dauerte einen Moment, bis ich mich orientiert hatte. 

Ich befand mich auf einem Bett in einem Schlafzimmer. Links neben mir an der Wand stand eine große Komode, auf der ich sofort etwas entdeckte, dass mein Herz höher schlagen ließ. Mein Handy strahlte mir entgegen und ich wusste sofort, dass ich egal in welcher Situation ich mich auch befinden mochte, die wohl kaum gut sein konnte, ich Hilfe brauchte. Ich musste meinen Stolz und meine Scham herunterschlucken und endlich nach Hilfe fragen.

Ich horchte nach Geräuschen von ihm. Er schien irgendwo in seinem Haus zu fluchen, sodass ich mich langsam weiter vorwagte. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und meine Extremitäten fühlten sich kribbelig und taub zugleich an. Vorsichtig griff ich schließlich blitzartig nach meinem Handy und hatte Angst jeden Moment erwischt zu werden. Aber das Fluchen von meinem Trainer erklang noch immer aus einer Entfernung, die hoffentlich groß genug war und mir damit genug Zeit gab mich bei jemanden zu melden.  

Ich klickte auf den Homebutton und erschrack bei dem Datum und der Uhrzeit. Es war kurz vor 9 Uhr morgens am Dienstag? Ich war am Samstag hierher gekommen. Zwar am Abend, aber es waren dennoch zwei ganze Tage an die ich mich nicht erinnern konnte. Was war inzwischen geschehen?

Ich durfte mich allerdings nicht ablenken lassen und entsperrte schnell den Bildschirm. Meine Finger hatten den Code automatisch eingetippt und ich war unglaublich erleichtert gewesen, dass er ihn nicht geändert hatte. Seine Emotionen schienen ihn wirklich im Griff zu haben, wenn er diese Sicherheitslücke übersehen hatte oder er war sich einfach sicher gewesen, dass ich niemals soweit kommen würde. Obwohl er wissen müsste, dass ich eine Kämpferin war, auch wenn ich diese Eigenschaft bei ihm oft unterbuttern lassen hatte. 

Mein Handy lotste mich sofort auf den Chat von Jungkook und ich erschrak bei der Nachricht, die ich ihm gesendet haben soll. Sie stammte nicht von mir, da war ich mir ziemlich sicher. Aber ich hatte keine Zeit um darüber nachzudenken. Ich musste mit ihm sprechen. Mein Herz und jede weitere Faser in meinem Körper schrie danach.

Doch plötzlich nahm ich wahr, dass das Fluchen verstummt war und Schritte wieder aufs Zimmer zukamen. Was sollte ich nun bloß tun? Wie sollte ich nur darauf reagieren?

Ein "Ding-Dong" erlöste mich aus meiner Schockstarre und brachte mich sofort zum genauen Lauschen. Er fluchte erneut und bei weiteren Klingeltönen, die vermutlich von seiner Tür stammen mussten, bewegten sich die Schritte wieder in die entgegengesetzte Richtung. Ich musste jetzt etwas tun, ansonsten vergab ich meine vermutlich einzige Chance.

Ich klickte sofort auf das Anrufsimbol und wartete mit klopfenden Herzen, während ich versuchte nebenbei die Geräusch im Haus zu checken. Es erklangen drei Stimmen. Vermutlich sprach er gerade mit den Personen an der Tür.

"Miga?", erklang plötzlich Jungkooks aufgelöste Stimme.

"Jungkook", flüsterte ich und sofort stiegen mir Tränen in die Augen. Ich schniefte und versuchte sie zu verdrängen, aber sie strömten bereits über mein Gesicht. Ein unglaublich gutes Gefühl mischte sich zu meiner Panik. Aber ich durfte mich davon nicht überwältigen lassen und so schnell es ging so viele Informationen wie möglich ihm mitteilen.

"Miga? Was ist los? Wie geht es dir?"

"Jungkook, ich brauche deine Hilfe. Ich habe Beweise für Taehyungs Unschuld an den Anschuldigungen, aber ich kann sie hier nicht herausbekommen", flürsterte ich und versuchte mich nebenbei möglichst auf die Geräusche an der Tür zu konzentrieren.

"Was? Wo bist du und was ist passiert?"

Ich nahm wahr, wie offensichtlich das Gespräch an der Tür beendet wurde und er die Tür schloss, bevor er wieder genervt stöhnte, erneut fluchte und die Schritte sich abermals in meine Richtung bewegten.

"Er kommt zurück. Bitte hilf mir, Jungkook. Ich bin in seinem Haus", flüsterte ich schnell, bevor ich ruckartig auflegte, da er nur noch wenige Schritte entfernt zu sein schien. Sofort platzierte ich das Handy auf seinen angestammten Platz zurück, legte mich ins Bett und wischte mir die Tränen weg, bevor er hereinkam. 

Sein Blick fiel auf mich, die ich nun die Augen auf und zu schlug und damit möglichst überzeugend mein stattfindendes Aufwachen zeigte. 

"Ah, endlich. Ich dachte, dass ich dir noch mehr geben muss", meinte er und stellte eine kleine Glasflasche und eine Spritze auf die Kommode und nahm stattdessen das Handy in die Hand. Hoffentlich sah er nicht, dass Jungkook und ich miteinander gesprochen hatten. Ich musste ihn ablenken, damit er es nicht sah, weil ich keine Zeit gehabt hatte, es zu löschen.

Ich sprang auf und versuchte es ihm aus der Hand zu reißen, wobei ich es schaffte ihn zumindest aus der Messanger App zu schmeißen. Er schubste mich allerdings zurück aufs Bett, was wegen des aufkommenden Schwindels bei mir nicht allzu schwer war. Mein Kreislauf war nach so einer langen Ruhephase nicht auf so etwas vorbereitet gewesen.

"Aish, du bist viel zu fertig um gegen mich gegenan zu kommen. Aber ich habe dennoch eine nette Überraschung für dich: wir werden deinen Bruder anrufen. Hier: das wirst du ihm sagen", meinte er, wobei weniger die Überlegenheit als der Stress bei ihm durchklangen. Etwas musste wirklich nicht nach seinen Vorstellungen laufen.

"Warum sollte ich das tun? Ich kann ihm auch einfach die Wahrheit sagen", meinte ich, schien damit aber seiner Laune nicht gerade positiv entgegen zu wirken.

"Willst du den morgigen Tag noch erleben und vor allem willst du das es Juhee und Sumi auch tun? Dann tust du besser was ich dir sage. Du magst dich entwickelt haben, aber für deine Freunde und Familie würdest du alles tun. Oder etwa nicht?"

SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt