Kapitel 57

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Migas p.o.v.

"Es tut mir alles so leid", murmelte ich, während ich versuchte noch gegen meine Tränen anzukämpfen. Ich wollte ihm alles in Ruhe erklären, aber meine Emotionen schienen mir das etwas vermiesen zu wollen. 

"Nein, Miga. Mir tut es leid, ich hätte dir viel besser helfen müssen. Ich war einfach zu blind und zu töricht, damit ich es erkennen und dir helfen hätte können", antwortete er, wobei seine Stimme so voller Reue und Schmerz war, dass es mir im Herzen weh tat.

Ich löste mich aus der Umarmung und sah im Augenwinkel, wie unsere Eltern sich aus diesem Gespräch zurückzogen, worüber ich sehr dankbar war. Ich hatte ihnen längst noch nicht alles erzählt. Ich konnte es nicht. In der ersten Phase, durch die Hwang Jiho mich gehen lassen hat, hatte ich immer mehr und mehr den Kontakt zu meiner Familie verloren. Es fing an mit unserem kleinen Bruder und dann mein Vater und meine Mutter und schließlich wurde selbst der Kontakt zu Taehyung immer weniger. Ich konnte es nicht ertragen mit mir und meiner Situation irgendjemanden zu kontaktieren, der nicht in meinem näheren Umfeld steckte in Gwangju. 

Meine Eltern hatte ich erst wieder wirklich kontaktiert nach meinem ersten Besuch bei Taehyung und seinen Bandkollegen. Ihnen fühlte ich mich nicht mehr so verbunden. Dieses Verhältnis musste erst wieder aufgebaut werden. Aber Taehyung, hatte all die schlimmen Dinge der vergangenen Tage hautnah mitbekommen, er war ein Teil dieses Alptraums gewesen, weshalb ich nun für ihn als erstes meine Tore zur Seele öffnen sollte, auch wenn ich nicht wusste, wie gut ich das überstehen würde.

"Taehyung, ich hätte mir nicht helfen lassen und du hast alles getan, was ich mir wünschen konnte. Du hast dich um mich gekümmert und immer versucht mir zu helfen. Bitte mach dir keine Vorwürfe. Bitte lass mich nun versuchen alles irgendwie verständlich für dich zu machen", entgegnete ich ihm.

"Wie wärs mit einem Tee?", fragte er und schmunzelte mit traurigen Augen. Ich nickte und sofort machte er sich auf den Weg, um zwei Tassen Tee zu besorgen, bevor wir uns zusammen auf mein Bett setzten und ich begann etwas Licht ins Dunkle zu bringen.

"Ich möchte dir alles erklären, aber ich weiß nicht, wie lange ich das heute schaffe, also was brennt dir auf der Seele? Was möchtest du zuerst wissen?"

"Das klingt nicht so gut, bist du sicher, dass du dafür schon bereit bist?", fragte er und sah mich forschend an, bevor ich leicht lächelnd nickte.

"Ich habe die Audiodatei gehört, die du Jungkook geschickt hast. Was ist danach passiert? Was... wie konntest du uns vor dem "offiziellen" Anruf kontaktieren?"

"Ich bin an diesem Abend zu ihm gegangen, weil ich mir Beweise für deine Unschuld holen wollte. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass du unschuldig in meine Angelegenheiten verstrickt wirst und das wohlmöglich euch allen furchtbaren Schaden einbringen kann. Ich hab mit meinem Handy das Gespräch aufgenommen, aber er hat mich dabei ertappt und es mir weggenommen und die Aufnahme beendet", ich sah Taehyung an, der mir versuchte durch seine ganze Körpersprache Kraft und Mut zu geben, was ich dringend gebrauchen konnte. Jetzt ging es zwar erst nur um diesen einen Abend, aber wenn er die Datei gehört hatte, dann würde sicherlich noch eine Frage kommen, bei der ich alles, was er in mir sah, vollends zerstören würde.

"Er wollte mich in seinem Haus behalten, weil ich sonst sehr wahrscheinlich zur Polizei gegangen wäre, aber ich habe versucht die Aufnahme zu retten und dann zu verschwinden. Ich wusste was ich tun wollte und hab nach einer brauchbaren Waffe Ausschau gehalten, als es schon zu spät war. Er hat mir irgendetwas gegeben, wodurch ich die Kontrolle verlor. Ich weiß nicht mehr, ab welchem Zeitpunkt ich weg war, aber ich bin erst kurz vor dem Gespräch mit dir wieder zu mir gekommen. Es war jemand an der Tür, weshalb er mein Handy unbeaufsichtigt im Raum gelassen hat. Das erste was mir angezeigt wurde, war Jungkooks Profil, weshalb ich einfach ihn angerufen hab", erzählte ich und trank dann einen Schluck Tee. Es kam mir etwas vor wie in unseren alten Zeiten, in denen wir auch zusammen Tee getrunken hatten. Es fühlte sich in diesem Moment nicht so schlimm an, wie ich es mir vorgestellt hatte.

"Und was ist danach passiert? Bei unserem Telefonat?", fragte er vorsichtig, vermutlich darauf bedacht meine Grenzen nicht zu überschreiten und dennoch einige Antworten zu bekommen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich hatte mir so große Sorgen um die Jungs gemacht. Wie sie wohl davon erfahren hatten?

"Wie habt ihr es erfahren? Wie haben die anderen reagiert?", fragte ich ihn, als ich aus meinen Gedanken zurückkam. 

"Ich habe es von den anderen erfahren und sie waren sehr besorgt. Jimin und Jungkook haben eine ganze Nacht mit mir verbracht und versucht mich zu beruhigen. Nein, eigentlich hat Jimin alles getan um Jungkook und mich zu beruhigen. Jungkook war ziemlich fertig, auch wenn er es versucht hat zu verstecken, aber er hat genauso gelitten wie ich. Die anderen auch. Wir alle waren besorgt. Aber sie sind auch hier. Ich kann sie gerne reinholen, wenn du das möchtest", erzählte er mir, was mein Herz irgendwie schneller schlagen ließ. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit ihm und wie erfreut, verwirrt, verzweifelt und besorgt er klang. Ich wollte ihn nun einfach nur noch wieder in meine Arme schließen, aber zu erst wollte ich Tae wenigstens noch seine Frage beantworten.

"Ja gerne, aber ich will dir erst noch deine Frage beantworten. Er hat mir einen Zettel gegeben, den ich vorlesen sollte. Ich hab versucht möglichst monoton zu klingen, damit du es merkst. Damit du merkst, dass etwas nicht stimmen kann. Ich war mir sicher, dass du durch die ganzen Telefonate in den letzten Jahren ein Gefühl dafür entwickelt hast, weshalb ich es einfach so versucht habe. Aber deine Worte haben mich ziemlich aus der Fassung gebracht. Sie haben mich zurück in meine Erinnerungen geworfen, weshalb es danach schwieriger wurde", sagte ich und sah ihn lächelnd an. "Du hast es mir wirklich nicht leichter gemacht, Tae", meckerte ich und verzog gespielt mein Gesicht, wodurch ich ihm doch tatsächlich ein ehrliches Lächeln auf die Lippen zaubern konnte, was diese Stimmung etwas auflockerte.

"Danach hab ich krampfhaft versucht, dass er es nicht sieht, dass ich mit Jungkook telefoniert habe und das hat am Anfang auch wirklich gut funktioniert, aber nach einiger Zeit, in der ich nur in seinem Zimmer saß und überlegte, was ich machen könnte, damit ich diese ganze Situation entschärfen könnte, kam er rein und hat mich angeschrien. Er hatte es gesehen und hat völlig die Kontrolle verloren. Ich.. ich möchte nicht ins Detail gehen", ich holte kurz Luft, weshalb Taehyung nach meiner Hand griff und mir auch jetzt versuchte Kraft zu geben. Ich lächelte ihn erleichtert an und fuhr fort:

"Aber ich hab es irgendwie geschafft mir das Handy zu schnappen und bin damit ins Gästebadezimmer geflüchtet und habe mich dort eingeschlossen. Dann hab ich sofort die Datei an den ersten Kontakt, Jungkook, geschickt und gehofft, dass er es sofort liest und irgendwie sichert. Ich konnte mich schließlich nicht ewig in dem Zimmer verkriechen. Irgendwann hat er die Tür aufbekommen und naja..", ich stockte kurz, als diese Bilder wieder vor meinem inneren Auge auflebten. Die Zeit danach hatte ich Dank der verschickten Beweise besser überstanden. Ich hatte mich stärker gefühlt, ich hatte ihn an den Abgrund geschoben. Jetzt musste Jungkook ihn nur noch hinunterstoßen und das hatte er getan. Die beiden hatten ihn besiegt.

"Danke, Taehyung. Danke, dass ihr mich da herausgeholt habt", fuhr ich fort und strahlte ihn dankbar an. Er nahm mir meine Tasse aus der Hand und stellte unsere beiden Tassen weg, bevor er mich wieder in eine feste Umarmung zog. Ich genoss diese Nähe so sehr. Die von ihm abstrahlende Liebe und Fürsorge machte mich zur glücklichsten Schwester der Welt, weil sie den besten nur erdenklichen Bruder hatte.


SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt