Am Ende der Kräfte

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Kaum hatte sich Oliver wieder erholt, begann er auch schon mit dem Training. Charlie hatte versprochen, dass er ihm helfen würde seine Nervosität in den Griff zu kriegen und genau daran würden sie die nächsten zwei Monate arbeiten, denn dann fand das Quidditch-Spiel statt und ihre Gelegenheit dem Kapitän zu zeigen wie gut sie spielen konnten, auch wenn ihnen viele Leute zusahen, war gekommen. 

Wir waren gerade auf dem Weg nach draußen zu gehen, da stieß uns auch schon eine Gruppe Slytherins an. Im Vorbeigehen zischte einer von ihnen: "Hey Verlierer, bist du überhaupt noch im Team oder lässt du dich weiterhin von Klatschern treffen?" Oliver sah verletzt zu Boden. Dass er der Grund für das Scheitern der Mannschaft war, traf ihn sehr und es direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen war noch härter für ihn. Ich sah mit trauriger Miene zu ihm herüber und legte die Hand auf seine Schulter: "Lass die nur reden. Die wollen dich nur runterziehen. Wir wissen beide, dass du kein Verlierer bist." Er schien an meiner Aussage zu zweifeln und erwiderte: "Aber sie haben doch Recht. Und nicht nur die Slytherins sagen mir das, gestern beim Abendessen haben mich ein paar Gryffindors blöd angemacht und mich gefragt ob ich Hüter bin oder Dauerpatient bei Madam Pomfrey." "Na und, lass sie doch denken was sie wollen. Du bist nicht besonders selbstsicher, wenn du vor Publikum spielst, aber ich hab dich oft beim Training mit Charlie gesehen und da sahst du alles andere als schüchtern aus", ich lächelte ihn an und führte ihn zum Spielfeld.

Draußen angekommen, blieben wir vor Charlie stehen, der einen leicht ungeduldigen Eindruck auf mich machte. "Hey ihr zwei, wieso hat das so lang ge-", begann er, doch als er in unsere schlachtgelaunten Gesichter sah verstummte er und fragte stattdessen was los war. "Mal wieder dumme Kommentare von den Slytherins, was sonst?", berichtete ich mit genervtem Gesichtsausdruck. "Dummheit ist nun mal nicht heilbar, stimmt's?", scherzte Charlie, wusste jedoch auch wie beschämt Oliver war und beschloss schließlich die Witze zu lassen. Diesmal schlug er einen ernsteren Tonfall an: "Komm schon Wood, lass die nur reden, wir werden einfach viel üben und denen beweisen, dass sie falsch liegen, oder nicht Bella?" Ich nickte heftig: "Genau das hab ich ihm auch gesagt." Oliver atmete einmal tief ein und aus, stellte sich kerzengerade hin und verkündete: "Also dann, lasst uns loslegen. Ich bin bereit alles zu geben!" "Das wollte ich hören." Charlie und ich lächelten zufrieden und kurz darauf hoben die beiden auch schon ab und befanden sich in der Luft. 

Nach einiger Zeit waren sie mit den Spieltechniken durch und widmeten sich dem mentalen Problem: Olivers Unsicherheit. Da ich ständig am Spielfeldrand gesessen hatte und ihnen beim Training zugesehen hatte, war ich nun heilfroh endlich mithelfen zu können. Ein Sturm zog auf, also entschieden wir uns hineinzugehen und drinnen weiterzumachen. Zum Glück hatten wir mit dem Quidditch spielen angefangen und konnten uns jetzt ins Warme flüchten. Das Üben hat die beiden wohl doch mehr geschafft als sie zugeben wollten, denn allein bei einem kurzen Blick auf Charlie und Oliver wurde mir augenblicklich klar, dass sie den zweiten Teil unserer Trainingsphase eigentlich nicht durchhalten würden. Sie zogen sich wieder ihre Schuluniform an, da ihre Trikots völlig verdreckt und vom leichten Nieselregen vorhin feucht geworden waren. Während sie das taten, verstaute ich ihre Besen und hielt uns einen Platz im Gryffindor-Gemeinschaftsraum frei, an dem ich ewig lang wartete. Es schien als würden sie sich alle Zeit der Welt lassen. Anfangs war ich noch sehr sauer, doch mit der Zeit begann ich mir Sorgen zu machen. Vielleicht war ja etwas passiert, überlegte ich besorgt. Ich wäre beinahe zu den Umkleiden zurückgekehrt und hätte nachgesehen ob alles in Ordnung war, aber genau in dem Moment, in dem ich aufstehen wollte, kamen sie herein - blutverschmiert. Charlies rechtes Auge zierte ein lila Veilchen und an Olivers Ärmel tropfte ein wenig Blut herunter. "Bei Merlins Bart, was ist denn passiert? Habt ihr euch geprügelt?", fragte ich entsetzt. Mir war der Mund offen stehen geblieben, meine Mundwinkel entspannten sich allerdings wieder, als Charlie erklärte, was passiert war: "Nein, wir haben uns nicht verprügelt - zumindest nicht gegenseitig. Wir sind unten mal wieder auf ein paar Slytherins getroffen und natürlich haben sie ihre übliche Show abgezogen. Wir haben sie ignoriert und wollten herkommen, nur leider waren die ziemlich hartnäckig und irgendwann dann, hab ich die Geduld verloren und naja..." Charlie zeigte auf sein blaues Auge. "Ich hab versucht zu helfen, aber sie waren in der Überzahl, also sind uns andere Schüler zur Hilfe geeilt und haben die Slytherins vertrieben", fuhr Oliver fort. Ich starrte einen nach dem anderen fassungslos an: "Wieso habt ihr euch so provozieren lassen? Ihr wisst doch wie die Slytherins sind, die nutzen jede Gelegenheit euch fertig zu machen. Lasst euch doch nicht auf deren Niveau herab", meinte ich. "Das sagt sich leicht, wenn man nicht die ganze Zeit als Versager bezeichnet wird. Wir haben ja versucht ihnen aus dem Weg zu gehen, aber die haben uns nicht gelassen", rechtfertigte sich Oliver wütend. "Ich für meinen Teil hab jedenfalls genug von diesem Tag", sagte Charlie und ging ohne ein weiteres Wort auf sein Zimmer. "Ehrlich gesagt geht's mir genauso wie ihm. Ich will nur noch ins Bett. Wir sehen uns morgen zu Phase zwei, okay?", fragte Oliver ohne auch nur den Hauch von Stärke in seiner Stimme zu haben. Ich nickte langsam und sah zu wie er den Gemeinschaftsraum verließ.

In dieser Nacht fiel es Oliver besonders schwer einzuschlafen. Die Ereignisse des Tages hatten sich in seinem Gedächtnis stark manifestiert und ließen ihn bis zu den frühen Morgenstunden nicht los. Er hörte den lauten Wind pfeifen und heftig gegen die Fenster schlagen, was ihn noch unruhiger werden ließ. Als er am nächsten Tag aufstand, fühlte es sich an als hätte er kein bisschen geschlafen, obwohl er sich sicher war, dass er aus einem Traum aufgewacht war.

Oliver Wood - Quidditch: Sieg oder NiederlageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt