Kapitel 33

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Es war bereits Frühsommer, als der Täter endlich gefasst wurde. Er wurde zu lebenslänglich verurteilt und weggesperrt. Er war nur irgendein unbedeutender Prinz, weit weg von der Thronfolge gewesen, der mich aus Prinzip gehasst hatte. Ich war froh gewesen, als der Prozess endlich vorbei war und ich damit abschließen konnte. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass mich jemand hatte umbringen wollen.

„Ich gehe noch kurz in die Bücherei." Ich gab Ian einen kurzen Kuss auf die Wange.

„Viel Spaß." Er lächelte.

Ich stand auf und ging aus dem Büro. Ich suchte mir meinen Weg durch die unzähligen Gänge, durch die ich nur mit Mühe meinen Weg fand. Obwohl ich schon länger hier lebte und nicht gerade wenig durchs Schloss lief, schaffte ich es trotzdem gelegentlich immer wieder, mich zu verlaufen. Ich hatte die Bibliothek schon fast erreicht, als ich beinahe in eine Frau hineinlief. Ihre Haare waren lang, gewellt und goldblond, wie die einer Göttin. Sie betrachtete mich abschätzig und ein arrogantes Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie hätte von der Arroganz her Vivianas große Schwester sein können.

„Kennen wir uns?", begann ich das Gespräch, obwohl ich relativ wenig Lust hatte.

„Evangelia Visayis", stellte sie sich vor. „Ich denke nicht, dass wir uns kennen." Sie war etwas größer als ich und musterte mich herablassend.

„Caelia Sirion und ich würde wirklich gerne an Ihnen vorbei", entgegnete ich.

„Ich weiß. Ich bin hier, um Ihnen einen Deal anzubieten."

„Ich bin nicht interessiert", antwortete ich.

„Sie haben aber keine Wahl." Sie sah mich überlegen an. Mir wurde förmlich schlecht von ihrer Anwesenheit. „Sie sollten wissen, dass ich schon immer als Ians Frau vorgesehen war. Wir waren nicht verlobt, aber jeder wusste, dass ich einmal Königin werden würde. Und dann kamst du." Sie machte eine Pause.

„Sie dürfen mich siezen." Ich lächelte sie ebenso falsch an, wie sie es tat.

Kurz verengte sie ihre Augen, dann lächelte sie wieder überheblich. „Wie auch immer. Sie werden sich mir nicht in den Weg stellen. Ich gebe Ihnen eine gewisse, unbekannte Zeitspanne, um von hier zu verschwinden."

„Und wenn nicht?" Ich verschränkte die Arme und sah sie provokant an.

„Dann werde ich Sie von Ian wegreißen."

„Sie verdienen ihn nicht. Sie lieben ihn nicht", meinte ich angewidert.

Sie lachte. „Natürlich liebe ich ihn nicht, Schätzchen. Was ich aber liebe, ist die Macht an seiner Seite."

Meine Kiefermuskeln verspannten sich. „Nennen Sie mich noch einmal Schätzchen oder wagen es, Ian als Ihr Eigentum anzusehen, werde ich Ihre hübsche Visage von Ihrem Schädel reißen und als Dekoration in meinem Schlafzimmer an die Wand nageln."

„Welch blumige Ausdrucksweise." Sie lächelte, aber ihre Augen wirkten wie kalte Diamanten. „Vergessen Sie meine Worte nicht. Ich wiederhole mich nie." Damit ging sie weg, ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen.


„Wolltest du nicht zur Bibliothek gehen?", fragte mich Ian, als ich sein Arbeitszimmer betrat. In meiner Hand hielt ich Die zehn wichtigsten defensiven Anwendungen der Telekinese.

„Ja, ich habe mich umentschieden und dann doch dieses Buch genommen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich etwas mehr in Verteidigung trainieren sollte."

„Was ist passiert?"

„Kennst du Evangelia Visayis?"

Sein Blick verdunkelte sich. „Leider. Eine der unangenehmsten Persönlichkeiten im Königreich."

„Sie hat mir gedroht. Entweder ich verlasse dich oder sie tötet, entführt oder was-auch-immert mich."

Ian stand auf und drückte mich an sich. „Wir bekommen das hin. Soll ich deine Wachen verdoppeln oder dich auch im Schloss begleiten lassen?"

„Der zweite Vorschlag klingt gut, aber nicht die Wachen verdoppeln", bat ich. „Ich will mich nicht wie eine Gefangene fühlen."

„Natürlich nicht." Er ließ mich los.


„Kaylie, wach auf!" Jemand rüttelte mich an der Schulter. „Kaylie, du träumst!"

Ich wurde wach und atmete ruckartig ein.

„Alles gut, du bist in Sicherheit." Ians dunkle Augen musterten mich zärtlich.

Ich entspannte mich und schloss die Augen. „Bin ich im Schloss?"

„Ja. Bei mir. Niemand sonst war hier. Es ist alles gut." Ich spürte, wie er sich hinlegte. „Was hast du geträumt?"

„Ich lief durch einen Wald. Ich wurde gejagt. Mehr weiß ich nicht mehr. Aber vielleicht ist es auch besser so." Ich rutschte näher an Ian heran. „Gibt es so etwas wie Vorhersagungen im Traum?"

„Manche Abergläubische glauben an prophetisches Träumen, aber eigentlich gibt es so etwas nicht. Ich habe noch nie etwas davon gehört. Ich denke, du verarbeitest im Traum, was du erlebt hast und das ist eine deiner Ängste, die gestern aufgekommen sind." Er strich mir beruhigend über die Haare. „Ichwerde alles tun, was du zulässt, um dich zu beschützen."

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Funfact über dieses Buch: Ian als Gentleman war der Ursprung meiner Idee, Kaylie dann die Person, die er liebt und der Rest der Geschichte kam dann so dazu.

Mit dieser unnötigen Information könnt ihr machen, was ihr wollt XD

Das Zweite Königreich - KaylieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt