Kapitel 44

46 2 0
                                    

„Also, was genau hast du mit mir vor?", fragte ich misstrauisch, während Amber meine Haare hochsteckte und unter einem Sonnenhut verbarg.

„Ich erzähle es dir gleich", versprach sie. „Ich bin ja auch fast fertig."

Sie hatte mir ein einfaches Kleid gegeben, womit ich zwar eindeutig zur gehobenen Gesellschaft gehörte, aber bei weitem nicht mehr als Verlobte des Königs, oder als höherrangige Prinzessin. Außerdem hatte sie mein Make-Up verändert. Während sie normalerweise auf dezentes Schminken setzte, hatte sie sich diesmal nicht zurückgehalten, sodass ich mich zum Schluss kaum noch selbst erkannte.

„Hast du vor, mich irgendwo reinzuschmuggeln?", bohrte ich weiter nach.

„Das wirst du schon noch erfahren."

„Ach bitte. Ich hasse Überraschungen", jammerte ich.

Sie kicherte. „Sei nicht so ungeduldig. Du bist ja schlimmer als ein Kleinkind. Also los, du bist so weit."

Augenblicklich stand ich auf und folgte ihr. Sie führte mich durch mehrere wenig benutzte Gänge, bis wir durch einen kleinen Ausgang über den Schlossgarten das Schlossgelände verließen.

„Da du außer dem Schloss samt Garten noch nicht viel von Aerion gesehen hast, habe ich beschlossen, dass ich dir die Stadt ein wenig zeigen werde", erzählte Amber gut gelaunt. „Außerdem ist heute Markttag, der ist auch immer einen Besuch wert. Komm mit." Sie zog mich sanft, aber bestimmt mit sich. Ihr erstes Ziel war der Markt, von dem sie gesprochen hatte. Fasziniert sog ich die ganzen Eindrücke in mich auf. Stoffe, Schmuck, Süßigkeiten, Fleisch, Fisch, Backwaren, Molkereiprodukte, Spielwaren, Gemüse, Gewürze, Leder, Schuhe, Instrumente und auch Dienstleistungen wurden feilgeboten. Ich kaufte Amber und mir einen Beutel mit Bonbons, die wir während unseres weiteren Ausflugs durch die Stadt naschten.

Überall herrschte reges Treiben, sodass wir in der Menschenmenge nicht weiter auffielen. Obwohl es noch vormittags war, schien die Sonne schon ziemlich warm. Die ganze Zeit über erzähle Amber mir Geschichten, Mythen, Nachbarschaftsskandale und Liebesgeschichten der Stadt. Manchmal regte sie sich über den ein oder anderen Bewohner auf, von anderen sagte sie, dass sie besonders hilfsbereit waren oder eine schwere Zeit durchgemacht haben. Dabei wirkte sie so lebhaft, wie schon lange nicht mehr.

„Bist du hier aufgewachsen?", fragte ich neugierig.

„Ich lebte hier, bis mit neun Jahren meine Eltern starben." Ihre Stimmung sank. „Über die Zeit danach rede ich nicht gerne. Verion holte mich dann vor zwei Jahren wieder hierher."

„Das tut mir leid. Sollen wir das Thema wieder wechseln?"

Amber nickte. „Bitte."

„Okay, du hast doch von diesem einen Typen...Lars oder so...erzählt. Hortet er wirklich so viele Wassermelonen im Keller?", fragte ich neugierig, aber auch, um sie abzulenken.

„Behauptet er zumindest." Das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück. „Man sagt sich, dass ihm mal jemand angedreht hat, dass diese gut für die Potenz wären."

Daraufhin konnte ich nicht anders als loszuprusten.


Als ich zum Mittagessen kam, war ich bereits ziemlich hungrig. Der Vormittag war wie im Flug vergangen, und Amber hatte auch noch Zeit gebraucht, um mich wieder abzuschminken und normal herzurichten.

„Und, wie war dein Vormittag?", fragte Ian, während er sich an den Salat machte.

„Es war schön. Amy hat mir Aerion gezeigt. Ich wusste gar nicht, dass es hier so viele Statuen gibt. Und dein Tag?"

Ian ließ seinen Blick zu Verion wandern. „Mein liebenswerter Cousin hat mich zu einigen Duellen herausgefordert, weil er meinte, ich würde aus der Übung geraten."

„Und?", hakte ich gespannt nach.

Ian konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Es war erniedrigend", knurrte Verion mürrisch.

Ich musste loslachen.

„Tu nicht so, ich bin immer noch besser als du." Verion warf mir böse Blicke zu.

„Nur, wenn ich meine Kräfte nicht verwenden darf", widersprach ich.

„Ja, das liegt aber auch daran, dass du zwei Fähigkeiten besitzt und meine gegen dich wirkungslos sind."

Ich schüttelte gespielt dramatisch den Kopf. „Schande über mich." Ich grinste ihn spöttisch an.

„Das war so klar, dass du dich auf Ians Seite schlägst." Er seufzte und legte sein Besteck beiseite.

„Wir heiraten demnächst. Deine Chancen waren von Anfang an sehr gering. Steht heute sonst noch etwas auf dem Tagesplan?", fragte ich.

„Viviana hat um eine Privataudienz gebeten", antwortete Ian.

„Viviana?", fragte ich überrascht. „Warum sollte sie?"

„Keine Ahnung, das wird sie uns dann sagen." Ian zuckte mit den Schultern.

„Und wo wird das sein?", fragte ich weiter.

„Im kleineren Thronsaal, oder wie auch immer dieser Raum eigentlich heißt", antwortete er wenig begeistert.

Das Zweite Königreich - KaylieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt