„Kaylie, sollte es um dich gehen, fühl dich frei, ihr deine Meinung zu sagen oder sie einzuschüchtern. Verletze sie bloß nicht", meinte Ian, ohne mich anzusehen. Er trug eine schmale, goldene Krone.
„Du kannst sie wirklich nicht leiden", stellte ich fest.
„Nicht ansatzweise. Und niemand hat das Recht, dich schlecht zu machen", antwortete er und öffnete die Flügeltüren zum kleinen Thronsaal.
Der Saal war länglich und eher klein, wie der Name schon sagte. Fenster gab es keine, der Boden und die Wände bestanden aus dunklem Stein. Flammen, die in Steinrinnen an den Wänden brannten, erhellten den Raum, ebenso wie einige an den Wänden sitzende Zerberusstatuen, in deren geöffneten Mäulern Feuer brannte. An den Wänden hingen unzählige Schwerter als Dekoration.
An der linken Seite standen zwei Throne. Sie waren ebenso dunkel und geringfügig mit Gold verziert. Ian setzte sich auf den linken, ich setzte mich zögerlich auf den rechten.
„Bist du dir sicher, dass ich schon auf einem Thron sitzen sollte?", versicherte ich mich.
„Du bist meine Verlobte. Natürlich bin ich mir sicher."
„Mein König, sie ist da. Sind Sie bereit, sie zu empfangen?", fragte ein Soldat. Auf seiner Rüstung prangte ein Drache, das Emblem des Zweiten Königreichs.
Ian warf mir einen fragenden Blick zu. Als ich nickte, bejahte Ian die Frage des Soldaten. Daraufhin klopfte dieser mit seiner Hellebarde gegen eine andere Tür am anderen Ende des Raums.
Die Türen wurden geöffnet und Viviana kam, eskortiert von sieben Soldaten des Hofs Ferion, in den Raum. Sie trug ein dunkles, türkises Kleid, das dezent mit silberner Spitze verziert war. Wie immer sah sie perfekt aus. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, als sie schließlich stehen blieb und einen formvollenden Knicks machte. Sie lächelte nicht, wirkte aber entspannt, trotz der Soldaten, die sie genauestens beobachteten.
„Weshalb sind Sie hier, Prinzessin Viviana?", fragte Ian.
Für einen kurzen Moment dachte ich, sie würde zögern, aber dann fing sie an zu reden, sodass ich beschloss, dass ich mir das eingebildet haben muss. „Ich bin hier, um eine gesetzesnorme Prüfung einzufordern, ob Prinzessin Caelia Sirion als zukünftige Königin geeignet ist, um zu verhindern, dieses Königreich durch eine falsche Hochzeit in sich geschwächt wird."
Ich war kurz sprachlos. Ian ließ sich seine Reaktion nicht anmerken, sondern lehnte sich nur zurück. „Diese Hochzeit ist gesetzesnorm, da gibt es nichts zu prüfen. Ich bin die höchste Instanz in diesem Reich und entscheide selbst, wen ich als zukünftige Königin wähle."
Viviana lächelte leicht, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. „Ich erhebe selbst keinerlei Anspruch auf die Position als Königin, um aufkommenden Missverständnissen vorzubeugen. Ich möchte lediglich sicherstellen, dass dieses Königreich durch ineinandergreifende Stützen stabil bleibt, und diese Stützen sind nur durch entsprechende Hochzeiten aufbaubar. Durch fehlende Stützen fehlt die entsprechende Macht, was wiederrum Schwäche erzeugt. Schwäche, die wir uns nicht leisten können, wenn man bedenkt, dass die Angriffe im Süden immer noch nicht aufgehört haben."
Ich erinnerte mich wieder. Die Angriffe im Süden hätte ich beinahe schon vergessen. Darüber hatten König Aran und Ian verhandelt.
„Nicht jede Macht beruht auf Soldaten und Reichtum, Prinzessin", entgegnete Ian milde lächelnd.
„Das heißt, Sie riskieren Schwäche, weil Sie lieben wollen?" Ich spürte, dass Viviana auf Egoismus anspielte.
„Bedeutet das, dass Sie denken, ich sei eine Schwäche?", fragte ich.
Vivianas Blick wandte sich mir zu. „Ich denke nicht, dass Sie eine Schwäche sind. Ich denke lediglich, Sie bringen keine Macht mit sich."
Ich stand auf und rief meine Magie hervor. Ich ließ die Schwerter aus ihren Fassungen schweben und auf Viviana gerichtet hinter mir fliegen, während ich meine Illusionen benutzte, um mich zu verfünffachen. Ein bisschen...Show halt. Schiensie nur leider nicht im Geringsten zu beeindrucken. Ruhig ging ich auf Viviana zu und etwa zwei Meter vor ihr stehen.
„Möglicherweise bringe ich nur geringfügige politische Macht mit mir. Dafür aber liebe ich Ian und werde ihn bedingungslos unterstützen, sodass das meine fehlende Macht wieder ausgleicht. Denn egal was Sie denken, ich bin in keiner Weise schwach", sagte ich so leise, dass nur sie mich verstehen konnte.
„Sie brauchen keine Krone", murmelte sie.
Verwirrt sah ich sie an. Was wollte sie damit schon wieder sagen? „Es ist mir egal, was Sie denken. Ich werde seine Königin werden. Nicht, weil ich die Macht will, sondern weil ich ihn liebe. Und daran können weder Sie noch sonst irgendwer etwas ändern."
Meine Worte schienen sie aus ihren Gedanken zu ziehen. Ihr schien gerade erst bewusst geworden zu sein, dass sie das gerade eben laut gesagt hatte.
„Das wird Lauryn nicht gefallen", kommentierte sie mit ebenso gedämpfter Stimme, aber keinesfalls drohend oder aggressiv.
„Nachdem Ihre Entscheidung festzustehen scheint, tut es mir leid, Ihre Zeit in Anspruch genommen zu haben." Sie knickste erneut. „Auf Wiedersehen."
Ian nickte den Soldaten zu, und diese brachten sie wieder hinaus. Als sie weg waren, ließ ich die Schwerter an ihren Platz zurückkehren und die Illusionen verschwinden. „War sie in Lauryns Auftrag hier?", fragte ich, während ich auf ihn zukam.
„Nein, soweit ich weiß, nicht. Aber das heißt nicht, dass er sie nicht geschickt hat. Warum?" Er stand auf und ging mit mir zu der Tür, von der wir gekommen waren.
„Sie meinte, das würde Lauryn nicht gefallen."
„Lauryn ist mir ebenso suspekt wie sie." Er nahm die Krone ab und gab sie einem Diener, der bereits darauf gewartet hatte.
„Danke, dass du dich so für mich eingesetzt hast." Ich lächelte ihm schräg zu.
Er schmunzelte. „Ich liebe dich. Das ist selbstverständlich. Außerdem musste sie mal in die Schranken gewiesen werden."
„Ich liebe dich auch", erwiderte ich.
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Das Zweite Königreich - Kaylie
FantasíaAlle Rechte der Geschichte liegen bei mir Das Titelbild und alle weiteren eventuellen Bilder sind lizenzfreie Bilder aus Pexels/Pixabay -------- Einige Teile von Traditionen, den Leben am Königshof usw. habe ich geändert, weil es mir anders besser g...