Kapitel 35

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Ich ließ Lance nicht aus den Augen. Er zeigte, wie immer, keine Gefühlsregung. Er hob seine Hand schwungvoll nach oben und ein Feuerstrahl schoss auf mich zu. Ich hob meinen telekinetischen Schild und hielt das Feuer ab. Die Flammen begannen, mich komplett einzuhüllen, sodass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Ich fluchte innerlich. Am liebsten hätte ich eine Illusion von mir hier stehengelassen und hätte mich unsichtbar an Lance angeschlichen, aber für so viele Zauber gleichzeitig war ich noch nicht gut genug. Durch die Flammen wurden mehrere Wurfdolche auf mich zu geschleudert. Ich hob meine andere Hand und stoppte sie im Flug. Während die nächsten Feuerbälle auf mich zuflogen, winkte ich die Wurfdolche zu mir her und weitete gleichzeitig meinen Schutzschild aus, sodass die Feuerbälle weiter von mir entfernt darauf aufprallten. Die Wurfdolche flogen abwartend um mich herum, während ich mich sammelte und mit aller Kraft meinen Schild vergrößerte und von mir wegdrückte, während Lance mich mit seinem Feuer bedrängte.

„Hey Leute, ich will ja nicht stören, aber Kaylie, du kommst noch zu spät zu meinem Unterricht." Durch die Flammen konnte ich Verions Silhouette ausmachen.

„Ich habe noch zehn Minuten!", protestierte ich.

„Aber in zehn Minuten wirst du es niemals bis ins Klassenzimmer schaffen", konterte er provokant belustigt.

„Es ist in Ordnung. Machen wir für heute Schluss", nahm Lance mir die Entscheidung ab. Seine Flammen schienen von mir herunterzufließen, brandeten die Wände hoch und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Ich senkte meinen Schild und ließ die Dolche mit dem Griff voran zu Lance schweben.

„Du hast gesagt, es gäbe nichts mehr, was ich in der theoretischen Magie noch lernen müsste", sagte ich, während ich Verion die ganzen Treppen hoch folgte.

„Es ist unsere letzte Unterrichtsstunde. Die lasse ich mir doch nicht entgehen!" Seine Augen blitzen schelmisch.

„Ich werde es vermissen", meinte ich.

„Du meinst meinen Unterricht?", fragte er.

„Nein, deine unqualifizierten Kommentare", antwortete ich sarkastisch. "Nein, tatsächlich meine ich das ernst. Ich bin seit etwa einem halben Jahr hier. Seitdem hatte ich regemäßig Unterricht bei dir. Es wird komisch sein, nicht mehr sich daran erinnern zu müssen, pünktlich bei dir zu erscheinen."

„Oh, ich fühle mich geehrt." Er lächelte mich vergnügt an. „Wir können das ja durch gelegentliche Trainingskämpfe ersetzen."

„Achtung, ich werde darauf zurückkommen", warnte ich ihn scherzhaft.

„Das will ich doch hoffen." Er öffnete die Tür. Der Duft von Kuchen stieg mir in die Nase.

„Zur Feier des Tages habe ich uns Kuchen besorgt. Ich dachte mir, mit Pfirsichkuchen kann man nichts falsch machen."

„Wow, Verion. Das hatte ich nicht erwartet." Ich lächelte überwältigt.

„Ich bin eben immer für eine Überraschung gut." Er zwinkerte mir zu, nahm sich ein Messer und schnitt ein Stück runter. Er gab mir einen Teller samt Kuchen und Gabel. Ich nahm ihn entgegen, setzte mich auf einen der Tische und zog die Beine an. Deshalb hatte ich auch den Unterricht geliebt. Der leerstehende Raum voller Tischen und Stühlen, der als unser Klassenzimmer fungiert hatte, wurde kaum genutzt, sodass Verion und ich ihn immer für uns gehabt hatte. Ich hatte mich benehmen können, wie damals, als ich noch ein unbekanntes Dorfmädchen, die Tochter einer Dienstmagd gewesen war.

„Und, wie weit bist du in der Bibliothek gekommen? Schon alle Bücher über Fluch- und Ritualmagie gelesen?"

„Es wird tatsächlich immer schwerer, Bücher darüber zu finden, die ich noch nicht gelesen habe. Momentan lese ich ein Buch darüber, welche Materialien sich bei Fluchritualen am besten eignen und welche man besser nicht nehmen sollte. Ansonsten widme ich mich zurzeit eher meiner Telekinese und den Illusionen."

Er nickte und schob sich eine Gabel Kuchen in den Mund. „Wenn du die komplette Abteilung über angewandte Magie durchgelesen hast, gebe ich dir eine Runde Bier in meiner Lieblingskneipe aus."

„Du hast eine Lieblingskneipe?", fragte ich erstaunt.

„Natürlich habe ich eine Lieblingskneipe", meinte er entrüstet.

Ich schmunzelte. „Du hast da noch Kuchenkrümel. Das mindert den bleibenden Eindruck ein wenig."

Schnell wischte er sich die Krümel weg. „Verdammt."


In meinem Zimmer legte ich meine magiebündelnden Ringe und meinen Verlobungsring ab. Dann band ich mir die Haare zu einem Dutt hoch und zog mir einen Bikini an. Anschließend zog ich ein einfaches Kleid darüber, nahm mir ein Handtuch und ging runter ins Badhaus. Dort hatte ich mich schon immer wohlgefühlt. Es war warm, das sanfte Plätschern des Wassers beruhigte mich und die Flammen malten faszinierende Muster an die Wände, denen ich stundenlang zusehen könnte. Das warme Wasser entspannte meine Muskeln und machte mich angenehm müde.

Nachdem ich lange genug baden gewesen war, trocknete ich mich ab, zog mich an und ging wieder nach oben. Wie ich feststellen musste, hatte meine Wache die ganze Zeit vor der Tür gewartet, was mir irgendwie unangenehm war. In meinem Zimmer angekommen zog ich mir einen langen, schwarzen Rock und ein dazu passendes schwarz-rot gestreiftes Oberteil an und streifte mir den Verlobungsring über den Ringfinger. Ich zog die Vorhänge beiseite und sah aus dem Fenster. Es dämmerte bereits. Wahrscheinlich gab es bald Abendessen. Toll, und ich hatte gerade ein Stück Kuchen gehabt. Ich musste lächeln.

Unerwartet zersplitterte die Scheibe, als hätte jemand mit einer überdimensionierten, unsichtbaren Faust dagegen geschlagen. Schützend hob ich die Hände vor mein Gesicht, da ich vor Schock und aus Reflex keinen Schild hinbekam. Ich war es einfach nicht gewohnt.

Meine Hand zuckte zu meinem Hals, als sich dort etwas Spitzes hineinbohrte, und zog es heraus. Ein verfluchter Betäubungspfeil.

„Scheiße", murmelte ich noch, bevor ich von heftigen Winden erfasst wurde. Alles verschwamm und ich tauchte in die Dunkelheit ab.

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Hi Leute! Ich bin mal wieder da mit einem ziemlich langen Kapitel. Aber woanders war einfach die Trennung nicht möglich, und ich wollte es einfach mal mit einem Cliffhanger enden lassen XD. Tut mir leid, eigentlich mag ich auch keine Cliffhanger <3

Das Zweite Königreich - KaylieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt