Kapitel 23

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Verion schmollte die restliche Fahrt über. Den Punsch hatte er nicht mehr getrunken, obwohl ich ihn ihm zurückgegeben hatte. Aus Protest, da wir seinen Punsch verunstaltet hätten.

Als wir dann ankamen, konnte man bereits die ersten Sterne am Himmel sehen. Wir hatten nur wenige und kurze Pausen gemacht, damit die Pferde sich ein wenig erholen konnten.

Ian stieg als erster aus und half mir aus der Kutsche. Stalljungen eilten bereits herbei, um die Pferde entgegenzunehmen, abzusatteln und weiter zu versorgen. Ian bot mir seinen Arm an und führte mich auf das große Tor zu, hinter dem sich eine Art Vorplatz befand. Dahinter konnte man zwei im Sternenlicht glänzende, silberne Torflügel erkennen, die langsam geöffnet wurden.

„Kopf hoch.", flüsterte Ian.

Ich lächelte bei der Erinnerung daran, wie er diese Worte zum ersten Mal in Arans Palast zu mir gesagt hatte. Ich straffte die Schultern und schritt an seiner Seite als zukünftige Königin ins Schloss Ceria.

Fasziniert betrachtete ich die Wände aus hellem Stein mit den fast schon geometrisch wirkenden silbernen Verzierungen. Durch diese Gänge war meine Mutter wahrscheinlich unzählige Male gegangen. Vielleicht war sie als Kind durch sie lachend durchgerannt und hatte Fangen oder Verstecken gespielt.

Aber das war, bevor sie verheiratet und später wegen Untreue zum Tode verurteilt wurde. Ich schluckte. Warum nahm mich das so mit? Das war lange her, ich hatte sie nie kennengelernt und eine richtige Mutter gehabt.

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass wir das Ende des Gangs erreicht hatten. Erst als wir das mit Fackeln hell erleuchtete Empfangszimmer betraten, erwachte ich aus meinen Gedanken. Ich ließ Ian los und zog meine Handschuhe aus.

„König Ian, Prinzessin Caelia.", begrüßte uns eine weißblonde Frau. Ich schätzte sie auf Mitte 30.

„Es ist uns eine Ehre, Sie hier empfangen zu dürfen.", fügte ein etwas älterer Mann hinzu. Ich schätzte ihn auf Mitte 30 bis Anfang 40. Er hatte rotbraune Haare und strahlte trotz seiner nicht gerade muskulösen Figur eine gewisse Macht aus.

„Wir bedanken uns für die Einladung.", erwiderte Ian die Höflichkeiten. Ich warf ihm unauffällig einen Blick zu. Seine Körpersprache hatte ich verändert. Er wirkte entspannt, aber dennoch sah man in seinem Blick, dass er hier die höhere Position innehatte und das auch wusste.

„Ich bin Gideon Ceria, und das ist meine Frau Tanya Ceria, geborene Visayis. Wir sind die Fürsten des Hofs Ceria." Gideon nahm meine Hand und deutete einen Kuss darauf an.

„Einer unserer Bediensteten wird sie auf ihr Zimmer bringen. Wenn es für Sie zeitlich passt, gibt es in einer halben Stunde Abendessen.", erklärte Tanya. Irgendwie mochte ich sie nicht. Obwohl sie es zu verstecken versuchte, strahlte sie eine gewisse Feindseligkeit aus. Wahrscheinlich sah sie mich als Abschaum und ärgerte sich, dass sie mir jetzt Respekt erweisen sollte, obwohl ihr Blut „wertvoller" oder „reiner" war, oder wie auch immer sie das sahen.

„Vielen Dank." Ian nickte ihnen zu.

Der Dienstbote führte uns zum Westflügel, wo die Gästezimmer untergebracht waren. Wie wir feststellten, waren wir in zwei unterschiedlichen Zimmern untergebracht.

„Ich werde Sie zum Abendessen wieder abholen.", meinte der Dienstbote eingeschüchtert und verschwand.

„Ian?", fragte ich leise.

„Ja?" Aufmerksam sah er mich an.

„Kann ich vor dem Essen noch kurz zu dir kommen?"

Er lächelte und nickte. „Du kannst immer zu mir kommen." Liebevoll gab er mir einen kurzen Kuss, ehe wir jeder in unser Zimmer gingen.

Das Zweite Königreich - KaylieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt