Kapitel 46

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Aufgeregt zappelte ich auf dem Stuhl herum. Ian hatte ich heute den ganzen Tag noch nicht gesehen. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Zwei Monate war es her, dass wir den Hochzeitsplaner beauftragt hatten, und heute war es so weit. Die Blätter der Bäume färbten sich bereits in einem goldenen orange, die ersten Blätter fielen schon.

Amber hatte mich schon früh geweckt, und bereits Stunden damit verbracht, mich schön zu machen. Ich hatte nur unwillig die Prozedur aus Gesichtsmasken, Maniküre, Pediküre und so weiter über mich ergehen lassen. Die letzten zwei Wochen hatte man mir ausführlich und mit zehnfachem Wiederholen alle Benimmregeln bei einer Hochzeit erklärt.

„Beruhig dich, Kaylie, wenn du weiter so zappelst, kann ich dir nicht richtig die Haare zurechtmachen!", beschwerte sich Amber.

„Tut mir leid." Ich riss mich zusammen und zwang mich, meine Beine stillzuhalten. „Wird die Hochzeitsfeier wirklich bis tief in die Nacht gehen?", fragte ich, da ich mir kaum vorstellen konnte, dass die Gäste so viele Stunden blieben.

„Ja, und ich würde dir auch raten, dich davor nicht zu verdrücken." Sie grinste mich an.

„Und was ist dann...nach der Hochzeit?", fragte ich ein wenig verunsichert.

Amber räusperte sich. „Die Königin bist du ja auch erst offiziell nach der Krönung, aber eigentlich reden dich alle schon nach der Hochzeit mit Königin an. Ansonsten..." Sie räusperte sich erneut verlegen. „Naja, in traditionell hat das Brautpaar in der Hochzeitsnacht...du weißt schon...ihr erstes..."

„Man hat Sex", stellte ich klar, um Ambers Gestotter zu unterbrechen.

„Ja." Amber wirkte komischerweise geknickt.

„Oh." Das hatte ich ganz vergessen.

„Ich habe da noch was für dich", meinte Amber und suchte etwas aus einer der Schubladen heraus. „Du hast gesagt, dass du noch keine Kinder willst." Sie stellte eine kleine Holzschachtel auf den Schminktisch. „Das sind Wurzeln, die dich vorübergehen unfruchtbar machen. Du musst sie einmal die Woche regelmäßig nehmen."

„Danke, Amy. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde."

„Abstinent leben oder schwanger werden?", schlug sie vor, und ich musste losprusten. Meine Stimmung besserte sich wieder und ich schaffte es, den Gedanken an die Hochzeitsnacht vorerst zu vergessen.

Gefühlt endlose Stunden später war Amber endlich mit mir fertig. Als ich mich vor dem Spiegel drehte, konnte ich das Lachen nicht aus meinem Gesicht bekommen. Das Kleid weiß und glitzerte, mein Make-Up war dezent, aber dennoch wunderschön und meine Haare ein wahres Kunstwerk, das mit weißen Perlen und Glitzersteinen verziert war.

„Amber, du bist einfach fantastisch. Ohne Selbstlob, ich sehe wundervoll aus!" Ich wollte Amber umarmen, doch sie hielt mich zurück.

„Pass auf, das Kleid", lachte sie. „Aber eines fehlt noch. Vergiss nicht Ians Ehering."

Sie hielt mir eine kleine, geöffnete Schatulle hin, in der sich ein goldener Ring, mit einem etwas größeren, schwarzen Edelstein befand. Behutsam nahm ich ihn heraus und streifte ihn mir über den Ringfinger. Hier, im Zweiten Königreich, war es Tradition, dass man den Ring des jeweiligen Ehepartners kurz vor der Hochzeit anlegte, und dann austauschte.

„Die Trauung und die Tänze werden im großen Festsaal sein, das Essen und, wo du auch durchmusst, die ganzen Gespräche draußen", informierte sie mich noch, musste jedoch auch freudig lächeln. „Und jetzt geh schon, dein Begleiter wartet sicher schon."

„Kannst du mir einen Gefallen tun und das Kästchen in meiner Nachttischschublade verstecken?", fragte ich, während Amber mich zur Tür schob.

„Ja, mache ich. Mache dir keine Gedanken."

„Ist er eigentlich so was wie mein Trauzeuge? Oh Gott, ich habe gar keinen Trauzeugen! Mich hat nie jemand nach einem Trauzeugen gefragt!", quietschte ich panisch hervor.

„Beruhig dich, das ist nur das Lampenfieber. Die Nervosität wird schon noch vergehen. So etwas wie einen Trauzeugen gibt es hier nicht", erklärte sie. „Normalerweise führt ein Elternteil die Braut und den Bräutigam, aber da eure Eltern beide tot sind, werden das traditionell im Königshaus Soldaten übernehmen, überall sonst übernehmen die anderen Familienmitglieder." Wir hatten die Tür erreicht und sie drückte mich erbarmungslos nach draußen auf den Flur.

„Du schaffst das. Entspann dich und genieße den Tag. Wir sehen uns morgen." Amber lächelte mich aufmunternd an und schloss die Tür.

„Prinzessin?", lenkte der Soldat vorsichtig meine Aufmerksamkeit auf ihn. Er trug eine festlich-elegante Uniform, keine Rüstung.

„Oh, tut mir leid. Wir können gehen." Ich hakte meine Hand in seiner angebotenen Ellenbeuge unter und ließ mich von ihm durch die menschenleeren Gänge führen.

„Sind Sie verheiratet?", fragte ich den Soldaten, um mich zu beruhigen.

Kurz schien er überrascht, dass ich mich mit ihm unterhielt. „Ja. Seit über neun Jahren. Sie war meine Jugendliebe."

„Vergeht die Aufregung bei der Hochzeit irgendwann?" Ich fuhr mir nervös über die Lippen.

Er sah mich freundlich und interessiert an. „Das wird sie."

Das Zweite Königreich - KaylieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt