[4] Krankenhausbesuche

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Zuhause hatte ich mir nicht mehr viel zum Abendessen gemacht. Ein paar Gemüsesnacks, ein bisschen Joghurt... wirklich nichts Großes. Mir war eh nicht nach Essen zumute und teilweise war mir immer noch Übel.
Meine Mutter war noch nicht von der Arbeit zurück und so ging ich auf mein Zimmer, durchforstete den Schrank nach meinen Schlafklamotten. Wenigstens das hätte sie mir überlassen können! Nur weil ich umzog, bedeutete es doch nicht, dass ich deswegen mit fast achtzehn Jahren noch jemanden zum Einräumen brauchte! Zumal ich so gerade gar nichts mehr fand... Ihr System war anders als meins. Ich sortierte nach Art der Klamotten und packte es dann nebeneinander, meine Mutter... vermutlich hatte sie zu viel Kondo Mari gesehen und gelesen. Hier eine Schublade, da eine Kiste, ... es nervte. So sehr, dass ich frustriert war, als ich nach zehn Minuten des Suchens immer noch nicht meine Lieblingsshorts und mein Lieblingsshirt in den Händen hielt.
Als das dann aber doch endlich geschafft war, zog ich mich um, legte die Uniform halbwegs ordentlich über meine Stuhllehne. Mir war egal, ob meine Mutter darüber meckern würde, aber der Tag war lang und anstrengend gewesen. Ich wollte nur noch meine Ruhe.

Mich auf mein Bett legend, wo zumindest meine Lieblingsbettwäsche in L/F und mit L/M Motiv die Decke und das Kissen einhüllte, schloss ich die Augen. Der Geruch des Waschpulvers, was wir zu Hause immer genutzt hatten, stieg in meine Nase und löste leichte Melancholie aus. Heimatgefühl...
Es machte alles weniger schlimm. Zumindest sagte mir das mein Verstand. Dies sollte auch mein letzter Gedanke bleiben, denn im Gegensatz zu sonst war ich verdammt schnell weggenickt und hatte nicht einmal mehr mitbekommen, wie meine Mutter gegen halb neun heimkehrte.

Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, erwarteten mich schlimme Kopfschmerzen. Noch nie hatte mein Kopf so böse geklopft und mir befohlen liegen zu bleiben, wie an jenem Tag. Es schwindelte mir selbst im Bett und ich fühlte zudem mein Gehirn hin und herschwappen. Meine innere Stimme sagte mir, dass es doch nicht nur eine Beule war, die ich gestern verpasst bekommen hatte. So ungern ich wollte, musste ich meiner Mutter Bescheid geben...
Ich schleppte mich nach unten, als sie bereits nach mir mit verärgerter Stimme rief, war ich zu spät dran. Doch als ich mich gerade noch so an der Wand abzustützen wurde, bevor mir schwarz vor Augen wurde, wandelte sich ihre Miene zu einer besorgten. Das hatte ich schon lange nicht mehr gesehen und so schnell würde ich dieses Bild auch nicht mehr vergessen... Einer der wenigen Momente, in denen sie ihre coole Fassade fallen ließ.
Sie brachte mich zur Couch, rief dann schnell im Büro an, ließ Termine verschieben, und wir fuhren sofort in das nächstgelegene Krankenhaus. Was solche Dinge betraf, war sie Pragmatikerin. Und das betraf auch die Gewissheit, dass sie mir sofort eine Plastiktüte in die Hand drückte für den Fall, dass ich unterwegs wegen den Kurven und dem Stop-and-Go mich erbrechen müsste. Wie ich sagte: Pragmatikerin.

Sauer sein, konnte sie nämlich auch später noch. Und das wurde sie auch, als sie die Ursache für die Diagnose Gehirnerschütterung erfuhr.
Der Arzt wollte natürlich wissen, wie ich das hinbekommen hätte und so musste ich gestehen, dass ich Volleyball gespielt hatte. Meine Mutter, eine vor anderen Menschen immer auf Höflichkeit und Korrektheit getrimmte Frau, schnaubte wütend durch die Nase und verließ gar den Untersuchungsraum, um nicht auszurasten. Eins... zwei... drei... durchatmen. Ich kannte ihre Strategie.
Sie hasste Volleyball.
Vermutlich hatte sie sogar gehofft, dass ich mit dem Schulwechsel wenn schon, einen anderen Sport betreiben würde. Oder gar keinen. Dass ich einen Club beiträte, wo man nur nachdenken und sich nicht bewegen müsste.
Aber den Gefallen konnte ich ihr nicht tun. Weder H/B noch H/B waren mein Ding. Ich wollte immer nur Volleyball spielen.



* * *


Der Arzt verschrieb mir Bettruhe. Ich sollte zur Beobachtung die nächsten 24 bis 72 Stunden im Krankenhaus verbleiben. Je nach Verfassung könnte ich dann entlassen werden. So viel zum guten Schulstart.
„Wie konntest du nur so unvorsichtig sein? Es sind nur vier Monate bis zu deiner Abschlussprüfung, ist dir das klar?"
Ich verzog den Mund, als mich meine Mutter zu maßregeln begann und musste mit den Augen rollen, als sie nicht hinsah. Blieb an der Einrichtung des Krankenzimmers hängen, in der ich mich befand. Einzelzimmer. Bestimmt hatte sie eine Menge dafür bezahlt und das Personal genervt, aber bitte – Frau Architektin konnte es sich ja leisten!
Und nun packte sie wütend meine Tasche aus, die sie wohlwissend bei unserer Abfahrt ins Auto gelegt hatte.
Pragmatikerin.
Könnte ja sein, dass die Tochter bleiben muss.
Leider in dem Fall berechtigt.
„Nun ja, sobald du hier raus bist, kannst du dich intensiv mit dem Lernen beschäftigen! Vielleicht sollte ich dir von der Aoba Johsai einen Nachhilfelehrer organisieren? Die Tokyoer Schule war nicht gerade niveauvoll."
Ich konnte mir ein Zungenschnalzen nicht verkneifen, woraufhin sie warnend ihre schmalen Augenbrauen hob. „Niveauvoll", wiederholte ich dennoch mit einem Hauch Sarkasmus und blickte nur minimal kopfschüttelnd von meinem Bett zum Fenster raus, in den blauen Himmel, der ein paar weiße Schäfchenwolken zu verzeichnen hatte.

So wie du bist (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt