[10] Dich schlafen sehen

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Dieser Moment... ich werde ihn nie vergessen.
Ich kann nicht auf mein Handy sehen, weil ich Angst habe, dass mir Tetsu geschrieben hat.
Ich muss aber, weil ich mir immer wieder das Foto aufrufen möchte.
Jenes, welches Oikawa mir von sich geschickt hatte.
Dieses Selfie mit dem breiten Lächeln.

Liebes Tagebuch, klingt es dumm, wenn ich sage, dass ich mir bei Google Berichte über ihn heraussuche?
Mich nach Videos der Seijou umsehe, weil ich mich in einer Nahaufnahme seinerseits verlieren möchte?
Weil ich auch an dieser Seite von ihm interessiert bin?

Ich fühle mich so hilflos...

Ich setzte den Stift ab und holte mal wieder das Handy aus seinem Standby.
Dieses Grinsen... diese braunen, leicht gelockten Haare, die einfach immer perfekt lagen, selbst wenn sie es nicht taten. Der sehnige Nackenansatz. Sein voller Mund... Diese... hübsch geformten Lippen, die meine berührt hatten...
Mein Herz erinnerte mich daran, wie wunderschön es gewesen ist und ich musste unweigerlich lächeln.

Es war uns nicht einmal peinlich gewesen, als wir uns voneinander lösten.
Wie ganz selbstverständlich hatten wir einander in die Augen gesehen.
Und daraufhin hatte es einen zweiten Kuss gegeben. Ebenso zärtlich, aber auch viel intensiver. Sehnsüchtiger.
Das war zudem das Wort, welches ich gesucht hatte: Ich hatte in seinen Augen Sehnsucht erkennen können.

Als Oikawa meine Lippen mit seinen liebkoste, wusste ich auch, dass seine Sehnsucht mir galt.
Ich fragte mich, wie lange er mich schon so angesehen hatte? Wie lange ersolche Gefühle für mich hegte?

Von Anfang an? Oder... war es wie bei mir einfach mit jeder Unterhaltung, jeder Berührung und jedem Lachen, das wir teilten, ganz von allein gewachsen und gediehen?

Nach dem zweiten Kuss waren wir nach Hause gegangen. Er hatte weiterhin meine Hand gehalten.

Seine Finger mit meinen verhakt. Hingegen kein Wort gesprochen, aber das war okay. Was hätten wir auch sagen sollen? Daheim war jeder mit seinen Gedanken und Gefühlen für diesen Moment in sein Zimmer verschwunden.

Nicht jedoch, ohne dass er mir mit dem Daumen zärtlich über den Handrücken streichelte.
Nicht ohne, dass ich ihm einen dritten, kurzen Kuss schenkte...

Und nun saß ich an meinem Tisch, hatte immer noch meine Trainingskleidung an, und spielte wieder und wieder die Szene ab, als er sich mir so genähert hatte. Erinnerte mich an seine von dichten Wimpern umrandeten schokoladenbraunen Augen. Sein warmer Atem. Seine warmen Hände. Seine körperliche Nähe.

Ich seufzte und ließ den Kopf gegen die Tischplatte sinken.
Mein Verstand wollte es sich noch nicht eingestehen.

Mir nicht diese Gefühle zugestehen, die mich gerade überwältigten.

Das Glück, das ich spürte.
Das Kribbeln, welches immer noch auf meinem Mund lag.

Ich wollte es mir nicht zugestehen, weil ich auch ein wenig Angst hatte.
Aber ich konnte genauso wenig etwas gegen diese Schmetterlinge in meinem Bauch tun, die ich noch nie so gefühlt hatte. Als wäre die Welt ein bisschen magischer geworden.

„Wir sind wieder da!", hörte ich es von draußen.

Seine Eltern.

Ich sollte hinausgehen und sie begrüßen.

Mich erhebend, die mit dem Handy verkabelten Ohrstöpsel auf die Tischplatte legend, trat ich aus meinem Zimmer in den Flur und sah, wie sie sich gerade Jacken und Schuhe auszogen.
„Willkommen zurück", sprach ich und wurde mit überraschten Augen angesehen.
„Oh, ist das Toorus Jacke?", erkundigte Seira und Kenzaburou meinte nur mit einem seltsamen Grinsen auf den Lippen: „Wir haben wohl etwas verpasst?"

Oh ja, das haben Sie. Nicht nur, dass ich Managerin des Teams Ihres Sohnes bin, sondern dass ich erst diesen und dann er mich geküsst hat. Und ein bisschen anderes Drama in der Schule. Aber ja. Sie haben etwas verpasst.

„Nein, das ist ihre eigene. N/N-chan ist jetzt Managerin von unserem Volleyballteam", kam da der schuldig zu Sprechende aus seinem Zimmer hervor und stellte sich neben mich.
Weniger Abstand als wir ihn gestern noch besessen hatten.

So wie du bist (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt