[Side B] Sawada Yumei

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„Okay Leute, ich will euch den Boden wischen sehen! Tiefer, na los!"

Es war doch jedes Mal dasselbe:
Sobald es darum ging, dass die Mädchen mehr Einsatz zeigen sollten, wurden sie zimperlich.
Einen Ball auf Schulterhöhe annehmen? Fehlanzeige.
Einen Ball nachhechten? Bloß nicht!
Blocken? Bedeutete, dass man sich eventuell den Finger verstauchte!

„Sawada-senpai, muss das wirklich sein?", kam mir eine der Erstklässlerinnen entgegen und ich stemmte genervt die Hände in die Hüfte, hob mein Kinn und warf ihr einen Schulterblick zu.
„Ihr wollt doch Volleyballspielen lernen?"
„Ja schon..."
„Und beim Interhigh mitmachen?"
„Ja...?"
„Dann müsst ihr auch das Abtauchen lernen!"
„Aber ich habe Angst davor!", sprach die Kleinere mit den großen runden Kulleraugen und ihrem wippenden Pferdeschwanz. Ich seufzte.
„Ich auch", hob da eine weitere die Hand, „Und ich auch!" - eine Dritte.
Wovor habt ihr Angst?", fragte ich da verständnislos und wandte mich ihnen direkt zu, „Es kann doch nichts passieren?"
„N-Na ja..." Die Mädchen sahen sich an, drucksten herum und blickten dann zu den Jungs, die auf dem anderen Feld trainierten. Daraufhin wieder zu mir, „D-Das... ist uns einfach peinlich."
„Peinlich?"
„Sawada-senpai... D-Du... du hast doch selbst... na ja..." Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Ich hasste es wirklich, wenn andere so von einem Fuß auf den anderen traten und nicht mit der Sache herausrückten.
„Na ja was?"
Die erste mit den Kulleraugen traute sich nicht weiterzureden. Die zweite mit dem burschikosen Kurzhaarschnitt legte ihre Hände mit den Handrücken nach unten an ihren Oberkörper und deutete so auf ihre Brust, sagte aber auch nichts.
„Sie meinen, dass es wehtut, wenn man mit der Brust aufkommt. Und nun ja... du... hast ja eine recht große Oberweite. Deswegen...", löste die Dritte das Rätsel dann endlich auf, wenn auch mit verlegenem Blick zur Seite.
Erneut seufzte ich.
„Soll ich's... euch nochmal zeigen?", bot ich an und kratzte mir den Nacken. Meine Haare waren nämlich schon wieder viel zu lang gewachsen und kitzelten mich um den Schulterbereich. Ich sollte bald zum Friseur und sie mir kürzen lassen. Den Haargummi vom Handgelenk abstreifend, band ich mir die Zotteln schnell zu einem hohen Zopf zusammen und war dann bereit für die Lehrstunde: „Wenn ihr's richtig macht, dann kann nichts wehtun. Passt auf."

Ich stellte mich in leichte Schrittstellung. „Wenn der Ball kommt, dann müsst ihr ihn erst spielen und dann abtauchen. So."
Ich sprang aus dem Stand tief nach vorne, streckte meinen Arm und drückte mich schließlich ins Hohlkreuz, Brustkorb voran. Dann fing ich mich elegant mit beiden Händen zu meinen Seiten ab und rutschte vor, Beine nach oben gestreckt. Mich wieder aufrichtend, guckte ich die drei an: „Alles klar?" Die Mädchen starrten zu mir, warfen sich fragende Blicke zu, schüttelten den Kopf. „Okay... nochmal in Zeitlupe."
Wir gingen der Technik Schritt für Schritt auf den Grund und bemerkten gar nicht, wie uns die Jungs die ganze Zeit dabei zusahen, weil sie Pause hatten. „Ist es jetzt verständlich?"

 „Sawada, deine Beine sollten aber noch etwas höher, wenn du tauchst!"

Da war sie wieder... diese... ungefragte Meinung.
Diese direkte Kritik, verpackt in netter Singsangstimme.

Argh... wie ich diesen Kerl hasste!

Und wenn ich nun zu meinen Erstklässlerinnen sah... war ihnen mit einem Mal alles wichtiger als das Abtauchen. Ich stand erneut aus meiner letzten Hechtposition auf, straffte die Schultern und schickte dem braunhaarigen Lockenkopf, der mit mir im gleichen Jahrgang steckte, einen tötenden Blick:
Der Kapitän der Volleyballmannschaft. Der beste Setter unserer Präfektur. Ein hervorragender Spieler. Mädchenschwarm... Und der größte Idiot auf der Welt.

„Was mischst du dich da ein, Trashykawa!?", wurde ihm bereits von dem Ass der Jungs, Iwaizumi Hajime, eins übergebraten. Ein eher ruppig wirkender Typ, vor dem so einige Angst hatten, aber hier feierte ich ihn jedes Mal ein klein wenig, wenn er sich dieser Nervensäge annahm. Wie konnten die eigentlich beste Freunde sein?
„Aber Iwa-chan, ich wollte doch nur nett sein!", jammerte der andere und rieb sich den schmerzenden Hinterkopf.
„Spar dir deine Scheinheiligkeit!"
Ich verdrehte die Augen und blickte nun wieder zu den jüngeren Mädchen, die zu kichern begonnen hatten.
Auf der Unterlippe kauend, verschränkte ich die Arme vor der Brust und stellte mich direkt vor diese, so dass ihre Aufmerksamkeit von unserem MVP auf mich übergehen musste.  
„Eine Frage", sagte ich streng und hob das Kinn, „Warum... seid ihr eigentlich hier?"
„W-Wie?"
„Wollt ihr Volleyball spielen oder Oikawa anschmachten?"
„E-Eh..." Sie wirkten wie ertappt, schienen nicht ganz zu wissen, was sie dazu sagen sollten. Also doch. Natürlich.
„Geht", sprach ich dann leise zischend, „Das ist hier nicht der Platz für Schwärmereien. Wenn ihr nicht wirklich spielen wollt, dann lasst es."
Die Erstklässlerinnen wussten daraufhin wieder nichts zu sagen und entschuldigten sich schließlich kleinlaut. Sie nahmen ihre Beine in die Hand und gingen.
Ich sah ihnen verärgert nach.

So wie du bist (OikawaxReader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt