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Dad war ein guter Redner. Das hatte ich schon immer bewundert. Er stellte sich da vorne hin, sagte etwas, und ein Großteil des Volkes fand es einleuchtend.

Er war der Einzige, dem ich glaubte, wenn er sagte, die Rebellen würden nicht siegen können. Das sagte er nach jedem Angriff.
Und immer glaubte ich ihm.
Auch jetzt redete er von ihnen.

"Wie Sie in Kürze erfahren werden, steht uns eine spannende Zeit bevor." Ein Raunen ging durch die Menge. Ich glaubte, die Hälfte von ihnen war dafür bezahlt worden. "Und die Rebellen werden keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um den Frieden in diesem Land zu gefährden."

Mein Blick fiel zufällig auf Rick. Er hatte die Arme verschränkt und starrte meinen Vater ausdruckslos an.

"Wir werden unser bestes geben, um das Volk der Deutschen Föderation sowie Gäste dieses Landes zu schützen - aber das schaffen wir nicht allein. Jegliche Hinweise, Verdachte, alles, was uns bei diesem Kampf gegen sie helfen könnte, lassen Sie uns diese zukommen." Er lächelte in die Kamera. "Dankeschön. Und nun möchte ich an meine bezaubernde Tochter Prinzessin Aurelia weitergeben."

Die Menge klatschte. Aurelia stand auf, die Unsicherheit aus ihrem Blick war verschwunden. Das kleine Mädchen war zu einer starken Frau geworden, innerhalb weniger Sekunden. Sie blickte mich nicht an, als sie nach vorne schritt und Dad das Mikrophon aus der Hand nahm. Auf dem Stuhl neben mir glänzten die Karteikarten auf dem roten Samt.

"Guten Abend." Die Menschen wurden lauter. Ich klatschte mit. Leise, unauffällig, wie es mir beigebracht wurde.

"Eine weitere Woche in diesem gesegneten Land ist vergangen. Eine weitere Woche in Ihrem, als auch in meinem Leben." Sie ließ eine wirkungsvolle Pause; stellte sich auf das Niveau der Bürger, war eine von ihnen. "Unser aller Leben schreitet voran. Und als zukünftige Königin dieses Landes" - ihr Blick huschte zu Mom und Dad - "auch wenn ich hoffe, dass diese Zeit nicht allzu nah ist, brauche ich einen Mann an meiner Seite, der mir als Berater und bester Freund den Weg leiten wird."

Im Raum wurde es still. Sie würde es wirklich tun. Bisher hatte ich die Hoffnung gehabt, sie würde noch einen Rückzieher machen - auch, wenn ich hätte wissen müssen, dass jemand wie Aurelia kein Mensch dieser Sorte war.

"Als Prinzessin ist es jedoch nicht leicht, andere, junge Menschen kennenzulernen." Wie richtig sie doch lag. Rick hatte meinen Blick erhascht und lächelte mich an. Ich musste ein Kichern unterdrücken. "Die meiste Zeit bin ich von Beratern oder Freunden der Familie umgeben - die sind war alle reizend, aber ich glaube, denen bin ich zu anstrengend."

Aurelia war perfekt. Sogar jetzt, wo ich ihren Kopf rattern hören konnte, brachte sie die Menschen zum Lachen.

Die Technik hatte es geschafft, an die Wände rechts und links des Saals Bilder des ganzen Landes zu projezieren - Bilder, die zeigten, wie Menschenmassen auf Plätzen standen und gebannt Aurelias Worten horchten. Man hatte ihnen gesagt, etwas Wichtiges würde passieren; sonst wären es nicht so viele gewesen. Wir würden die Reaktion des gesamten Staates beobachten können.

Chris' Bein hibbelte. Ich sah ihn an und sah seine Aufregung. Der kleine Prinz begegnete meinem Blick und ich hielt ihm meine Hand hin. Seine kleinen Finger schlossen sich darum.

"Liebe Damen und Herren, Kinder, an alle Bürger der Kasten zwei bis acht!"

Ein Gedanke durchzuckte mich; keiner der Kasten sieben und acht würde sich ein Fernsehgerät leisten können. So leichtsinnig war ich nicht.

Aurelia holte tief Luft. Lächelte in alle Kameras gleichzeitig. Sie sah toll aus.

"Bevölkerung der Deutschen Förderation..."

Sie schloss nicht einmal ihre Augen. Sie blickte starr in die Kamera des Hauptkanals, den jeder im ganzen Land empfangen konnte, als sie es verkündigte.

Alle im Saal sprangen auf. Es war ein Wunder, dass nichts umgeschmissen wurde, ein Wunder, dass niemand verletzt wurde. Die Wachen hasteten vor und beruhigten die Menge, während draußen, im ganzen Land, die Menschen die Hände in die Luft warfen und Aurelias Namen riefen.

Auf einigen Sendern würde ihre Ansprache noch Stunden laufen - immer und immer wieder in Dauerschleife. Die Menschen würden weinen, würden ihre Söhne und Brüder zum Amt schleifen und anmelden lassen.

Aurelia sagte noch etwas. Gab bekannt, wie man sich würde bewerben können; ich hörte nicht mehr zu.

Die Hand meines Bruder glitt aus meiner, als er noch mehr herumhampelte. Hannah versuchte, ihn zu beruhigen, legte ihm ihre Hände auf die Schulter und drückte ihn zurück in seinen Stuhl.

Das pure Chaos herrschte. Irgendwo vor den Toren des Palasts rempelten sich Reporter an, das wusste ich. Doch Aurelia stand darüber - sie stand da vorne und lächelte und stellte Chris vor sich, als er seinem Kindermädchen entwich und zu ihr rannte.

Mein Kopf schmerzte. Rick war nirgends zu sehen. Mom und Dad sahen einander stolz an.

In zwei Monaten werden fünfunddreißig Männer die Chance bekommen, in das Schloss einzuziehen und um mein Herz zu kämpfen. Das Casting beginnt in diesem Augenblick.

Die Schwester ; a selection story | 1. FassungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt