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Der Tag, an dem die Erwählten eintreffen würden, war gekommen.

Am liebsten wäre ich im Bett liegen geblieben, aber das war mir nicht vergönnt geblieben.

Chris zappelte neben mir genauso stark wie ich innerlich, während wir in der Eingangshalle des Schlosses standen. Dad und Mom hatten sich mit Aurelia zurückgezogen, um ihr noch einmal Mut zuzusprechen. Und so stand ich mit meinem Bruder ziemlich verloren da, Hand in Hand, als ob wir auf eine Hinrichtung warteten.

Erst in wenigen Minuten würden wir auf die Stufen vor den Palast schreiten, vor die Mauern, und nur noch eine Absperrung und Wachen würden uns vor Reportern und Schaulustigen trennen.

Der Tag der Ankunft. In weniger als drei Stunden würden 35 Typen in diesen Palast ihre Unterkunft finden.

"Majestät?"

Eine Wache kam auf uns zu. Er verbeugte sich tief, bevor er weiter sprach.

"Sie werden mit dem Prinzen rechts Platz finden. Schaffen Sie es, ihn unter Kontrolle zu halten, sodass er nicht wie bei der Verkündigung zu Prinzessin Aurelia läuft?"

Ich schaute ihn finster an. "Mein Bruder kann sich gut selbst unter Kontrolle halten", meinte ich und drückte seine Hand fester. Die Wache nickte und war so schnell fort, wie sie gekommen war.

Überall wuselten Leute herum, verbesserten das Makeup von Aurelia oder zupften an Kleidern herum. Es war der absolute Ausnahmezustand. Keiner wusste, wie er sich verhalten sollte.

"Du siehst toll aus", meinte Aurelia, die plötzlich neben mir stand. Auch unsere Eltern waren hergekommen.
Also würde es gleich losgehen, dachte ich mir.

"Danke", nuschelte ich und betrachtete sie. Auch sie sah zauberhaft aus. Das grüne Kleid stand ihr ausgezeichnet. Eigentlich stand ihr alles gut. "Du auch." Sie lächelte.

"Das Tor wird geöffnet in einer Minute!", schrie irgendwer und Aurelia wurde nervös.

"Hör zu, Bess, es tut mir leid, was mit Rick passiert ist! Ich hoffe, du weißt, dass ich ihn zu keinem Zeitpunkt in Erwägung ziehen werde!" Sie schaute mich ernst an, doch es war mir egal.
Scheinbar.

"Mach, was du für richtig hälst, Aurelia. Er steht jetzt unter deiner Flagge." Sie nickte leicht. Trotzdem wusste ich, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen würde, bevor sie ein Date mit Rick organisieren würde. Und tief im Herzen war ich ihr dankbar dafür.

"30 Sekunden!"

Jemand kam hastig auf uns zugerannt. Er verbeugte sich hastig, wobei ihm braune Strähnen vor die Augen fielen.

Levi Wicher. Wer sonst.

"Majestät? Ihr Mikrophon." Er drückte es Aurelia in die Hand, die sich mit einem lustigen Gesichtsausdruck daran zu erinnern versuchte, woher sie ihn kannte. Sie kam nicht drauf.

"Danke", murmelte sie nachdenklich, während Levi sich auch vor mir verbeugte. Als er aufschaute, lächelte er mich kurz an. Jetzt war ich kurz verwirrt.

Wieso lächelte er mich an?

"10 Sekunden!"

Er riss seine Augen auf, warf Chris nur einen hastigen Blick zu und verschwand dann irgendwo. Ich schluckte meine Irritation hinunter und setzte ein Lächeln auf.

"Die Wache, die dich bei meiner Kitzelattacke retten wollte", flüsterte ich Aurelia zu, dessen Miene sich lockerte. Sie verzog sich manchmal, wenn sie nachdachte.

Dann öffneten sich die zwei großen Türbögen und der Lärm von draußen brach über uns hinein. Mit Chris an meiner rechten Hand und Aurelia links neben mir schritten wir an die frische Luft.

Es waren mehr Reporter, als ich je in meinem Leben gesehen hatte, mehr als bei der Bekanntmachung von Chris' Geburt. Ein Blitzlichtgewitter hieß uns willkommen und ich versuchte zwanghaft, meine Augen offen zu halten, um auf den Fotos nicht schlecht auszusehen. Das hatte das heute aufgesetzte Augenmakeup nicht verdient.

Ein langer roter Teppich schlängelte sich vor uns durch die Menge, umzäunt von vielen Wachposten. Am Ende, dort, wo die Straße war, standen siebzehn große Wagen. Sie hatten außer dem aufgedruckten Wappen ihrer Provinz nichts Außergewöhnliches an sich, doch ich wusste, dass sie unheimlich stark geschützt sein mussten.

Chris und ich drifteten nach rechts ab, Mom und Dad nach links, während Aurelia bis an die Stufen, die hinunter zum Volk der Deutschen Förderation führten, herantrat. Einige Berater und andere wichtige Angestellte stellten sich hinter uns auf, doch ich konnte keinen Blick zurückwerfen, um nach bekannten Gesichtern zu suchen.

Aurelia badete sich in der Aufmerksamkeit. Auch, wenn heute der Fokus auf den Erwählten liegen sollte, wusste hier doch eigentlich jeder, dass dieser Vorsatz sinnlos war. Die Menge jubelte, hielt Plakate in die Höhe. Es kam selten vor, dass wir ihnen direkt gegenüber standen.

"Liebes Volk der Deutschen Föderation!"

Alle rasteten aus und wurden gleichzeitig mucksmäuschenstill. Fast hätte ich gestaunt. Lüge. Ich staunte.

"Zwei Monate ist es nun her, seit ich diese Selection angekündigt habe! So viel Zeit ist vergangen, in der wir uns sehr viel Arbeit gemacht haben, damit die Erwählten es möglichst gut bei uns haben!"

Klatschen. Natürlich musste ich auch sanft die Hände aufeinander prallen lassen. Sobald ich damit fertig war, ergriff ich sofort wieder Chris' Hand.
Ich brauchte jetzt einen Halt.

"Mein Vater liebt es, lange Reden zu halten, ich nicht, da möchte ich ehrlich sein. Und außerdem bin ich aufgeregt."

Ein Lachen ging durch die Reihen, und Aurelia kicherte leicht. Eine Prinzessin kicherte nicht. Sie musste wirklich nervös sein.

"Deshalb sind sie hier: die Erwählten!"

Jetzt raste die Menge wirklich vor Begeisterung. Die Berater traten wieder ab und verschwanden im Schloss, um den Erwählten Platz zu machen. Toll, 35 Fremde würden gleich hinter mir stehen.

Ich fragte mich, warum wir die Eröffnung nicht so feierten wie Maxon in Illeá. Aber Dad wollte die Selection ja so starten, wie er damals.

Die Türen des ersten Autos öffneten sich. Saxen, ließ das Wappen schließen. Zwei junge Männer traten heraus. Ich kannte ihre Namen nicht, aber die Menschen schrien begeistert.

Herzlich Willkommen beim Casting, Bess. Möge das Chaos beginnen.

Wie recht ich doch hatte.

Die Schwester ; a selection story | 1. FassungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt