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Blumen wurden auf den roten Teppich geworfen, als die beiden Männer winkend an den Menschen vorbei liefen. Beide steckten in Anzügen, die verdammt teuer aussahen, und beide ignorierten die Kinder hinter der Absperrung, die um Autogramme bettelten.

Als ob sie sich Überheblichkeit jetzt schon erlauben dürften.

Nach einer Minute kamen sie vor Aurelia zum Stehen und verbeugten sich tief vor ihr. Wenigstens hatten sie Respekt vor ihr.

Meine Schwester strahlte sie an. Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich von ihnen begeistert war, aber ich war es irgendwie nicht. Der eine, etwas kleinere, nahm Aurelias Hand und drückte einen sanften Kuss darauf. Alle jubelten.

"Sir Tobias", begrüßte sie den Handkuss-Typen und nickte ihm leicht zu. "Und Sir Gregor", fuhr sie an den anderen gewandt fort. "Wie schön, Sie hier Willkommen zu heißen."

Die Jungen, die immer noch mit dem Rücken zum Publikum standen, stellten sich rechts und links von der Prinzessin auf und verneigten sich nun vorm Volk. Die Kameras fingen jede Bewegung ein.

"Sir Tobias und Sir Gregor aus Saxen!", verkündete Aurelia laut und lautes Klatschen ertönte. Die beiden stellten sich etwas hinter mir und Chris auf einer Erhebung auf.

Das zweite Auto war bereits vorgefahren und ein dunkelhäutiger und ein dicklicher Junge waren bereits auf dem Weg zu den Stufen des Palastes. Der dunklere hatte keinen Anzug an wie die Erwählten aus Saxen und der neben ihm, sondern nur ein Hemd und eine Hose mit Hosenträgern. Entspannt lief er auf uns zu, während der andere Junge so aussah, als wolle er sich gleich übergeben.

Beide wurden so begrüßt wie ihre Vorgänger, wobei ich erfuhr, dass der dunkelhäutige David und der andere Laurin hieß. Sie kamen aus Auria.

Von den nächsten Jungen konnte ich mich an einen erinnern; Zariah aus Falina lächelte auch jetzt nicht. Sein Partner, Aaron, grinste dafür breit in jede Kamera und schüttelte einigen Leuten am Rand des Teppichs die Hand.

Bei den nächsten Kandidaten wechselte Aurelia ihre Taktik und nannte ihre Namen bereits, als sie noch am Anfang des Teppichs waren. Das machte es auch mir leichter, mich an sie zu erinnern; zumindest an ein paar.

Matthäus und Eric aus New Bavaria sagten mir relativ wenig, außer dem Fakt, dass Matthäus als Erster erwählt worden war.

Aus Little Italy kamen Pepe und Marlon. Während Pepe mit seinem italienischen Temperament die Menge zum Jubeln brachte, hielt sich Marlon grinsend im Hintergrund.

Bei dem bunten Haufen fragte ich mich wirklich, wie Aurelia unter ihnen den Richtigen finden wollte.

Chris neben mir streckte sich immer wieder, um einen besseren Blick auf die Neuankömmlinge zu erhaschen und ich beobachtete ihn amüsiert dabei.

Jonas und Francesco von Enden hätten Brüder sein können. Sie beide waren blond, vielleicht ein Meter achtzig groß und hatten die gleiche Gangart.

Cassian aus Central Hellenburg hatte lange, braune Haare, verbeugte sich vor Aurelia tiefer als alle vor ihm und stellte Matt mit seiner bloßen Anwesenheit völlig in Schatten.

Wann Rick wohl kommen würde?

Zayn und Nathaniel aus Jordans widmeten sich lange den Zuschauern, schüttelten Hände und unterschrieben sämtliche Dinge. Doch während Zayn einen sündhaft teuren Anzug trug, hatte Nathaniel gerade einmal ein Hemd und eine Hose an, die an den Beinen etwas zerschlissen war. Er musste eine 6 oder 7 sein.

Ich musterte ihn, als er vor Aurelia stehen blieb und sich lächelnd verbeugte. Wie viele Jungen aus den unteren Kasten wohl gezogen worden waren?

Mein Blick ging zu den Autos der Erwählten, von wo nun drei junge Männer auf einem kamen.

"Unser Dreiergestell aus German London - Quentin, Ben und Bruce!", verkündete Aurelia und wie bei jeder Verkündigung herrschte Begeisterung.

Quentin war breit gebaut und sah aus, als ob er außer Sport gar nichts anderes machen würde, während Ben ein rundes Gesicht und Bruce ziemlich feminin aussah. Er erinnerte mich an Benjamin, denn auch er hatte nur ein besonderes Detail an sich - eine bunte Socke, die frech aus seinem rechten Schuh hervorlugte.

Mit ihnen war es Halbzeit. Die Erwählten aus neun Provinzen standen bereits bei uns, acht würden noch folgen. Erstaunlicherweise war ich noch nicht eingeschlafen; ehrlicherweise war ich sogar gespannt darauf, alle Erwählten zu erblicken.

Manche schienen ja sogar ganz nett zu sein.

Aus Antaden waren Peters und Fion gekommen. Fion hätte, passend zu seinem Namen, wirklich eine gute Fee abgegeben. Vielleicht konnte ich Aurelia überreden, ein Theaterstück im Casting einzubauen, in denen welche vorkamen.

So könnte ich auch Rick eins auswischen.

Joel und Rassmus aus Brudence, einer meiner liebsten Distrikte im Land, waren ziemlich unterschiedlich. Joel legte eine Eleganz an den Tag, welche ich selten bei Männern gesehen hatte, während Rassmus auf halben Weg stolperte. Alle Kameras richteten sich auf ihn und er tat mir jetzt schon leid.

Chris kicherte dagegen.
Fast hätte ich es ihm gleich getan, einfach nur, weil es sich so niedlich bei ihm anhörte, doch in diesem Moment stieg Rick aus einem Wagen, auf dem groß das Wappen Berlins pragte, und mir war zum Kotzen zumute. Vermutlich sah ich gerade so aus wie Laurin vorhin.

Er lief, mit einer Hand in der Hosentasche, die andere gehoben, um den Menschenmassen zuzuwinken, über den roten Teppich, als ob er nie etwas anderes getan hätte. Marvel versuchte es ihm gleichzutun, aber der blonde Junge scheiterte maßgeblich daran.

Niemand hätte Rick nachahmen können.

Als er vor Aurelia stehen blieb, nahm er seine Hand aus der Tasche und verbeugte sich wie die anderen, doch Aurelias Nicken fiel dieses Mal kürzer aus. Wenigstens etwas.

Er wandt sich von ihr ab und kam in meine Richtung. Mit Schrecken fiel mir auf, dass die obere Reihe des Plateaus für die Erwählten voll war - was bedeutete, dass er fast direkt hinter mir stehen würde.

Okay, atmen.

Nicht hinschauen, Bess. Nicht hinschauen.

Ich schaute hin. Doch Rick schenkte mir keinen einzigen Blick. Ich verlor ihm aus meinem Sichtfeld, und keine fünf Sekunden später stand er hinter mir. Er hätte mich berühren können, wenn er gewollt hätte.

Ich biss die Zähne zusammen.

Ich war die Prinzessin.
Ich schaffte das.

Die Schwester ; a selection story | 1. FassungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt