Kapitel 15

24K 802 19
                                    

Das Topspiel. Tigers gegen Lions.

Und ich bin mitten drin. Mein Herz klopft ein bisschen schneller als ich mit Mum an meiner Seite die letzten Stufen zur Lounge hoch steige. Die Musik und der Lärm, den die Zuschauer jetzt schon machen dröhnen in meinen Ohren. Das und der Geruch nach Fastfood und billigem Bier machen Football für mich aus. Meistens kommt noch Dads Geschrei dazu, aber das höre ich im Stadion nicht.

Aber diesmal ist es anders. Kein billiges Bier wird hier getrunken und noch nicht mal die Sitze sind normal. Extra gepolstert. Und überall wo man hinsieht noch mehr Extras.

Eine Bar steht in der Ecke und darüber mehrere Fernseher, die das Spiel übertragen. Ist ja nicht so als fände das Spiel keine fünfzig Meter weiter - zu sehen durch die Fenster - statt. Aber egal. Das nennt man dann wohl Luxus.

Noch ist es ziemlich voll hier, doch ich schätze das die meisten Leute beim Spielbeginn ihre Plätze draußen aufsuchen werden. Trotz der Fernseher.

Mum drängt sich einfach durch die herumstehenden Leute und ich folge ihr unauffällig. Kurz vor der Tür remple ich aber ausversehen eine Schulter, die sich im letzten Moment vor mich geschoben hat. Ich will mich gerade entschuldigen, da dreht sie sich um. Das erste, was ich sehe, sind die langen blonden Haare und dann wird mir auch klar, wer da vor mir steht. Maya.

„Tut mir leid, Maya. In diesem Gedränge habe ich dich einfach zu spät gesehen. Sorry. Wie geht's dir?"

„Hervorragend. Danke" Sie schenkt mir noch ein kleines Lächeln mit stechenden Augen und dreht sich dann wieder um.

Ganz ehrlich. Ich wüsste schon gerne was ich ihr getan habe. Oder warum sie mir noch nicht einmal eine Chance gibt.

„Ella!"

Ich drehe mich suchend um und entdecke Thea. Sie hat die Hände erhoben und umarmt mich sofort.

„Es ist schön dich zu sehen."

„Danke. Schön ein bekanntes Gesicht zu sehen."

Wir lösen uns voneinander und mir fällt Mum wieder ein. Wie vermutet steht sie abseits und sieht uns interessiert an.

„Das ist meine Mum. Mum das ist Thea", stelle ich die beiden vor. Sie lächeln sich an und bezeugen beide wie sehr es sie freut den Anderen kennenzulernen. Das übliche eben, wenn man neue Leute kennenlernt.

Irgendwo wird nach Thea gerufen und nach einem entschuldigenden Blick ist sie auch schon wieder weg.

Sobald wir wieder allein sind, zieht Mum eine Augenbraue nach oben und verlangt stumm nach einer Erklärung.

„Ich hab dir doch vom Restauranttreffen erzählt. Als Jack mich ein paar seiner Freunde vorgestellt hat. Sie war auch da und die Frau, die ich ausversehen angerempelt habe, auch."

„Du meinst das Restauranttreffen, von dem es dieses Bild gibt, bei dem sich dein Dad letztens so aufgeregt hat?"

„Du hast mich erkannt?"

„Also bitte. Ich erkenne doch wohl meine Tochter."

„Aber Dad nicht."

„Der sieht nur was er sehen will. Apropo warst du bei diesem Spaziergang mit dem Hund auch dabei?"

Ich runzle die Stirn so weit es geht und sehe sie fragend an. Wovon redet sie?

„Das heißt wohl nein. Und bevor du fragst, ich folge Jack auf Instagram.

„Du machst was?"

„Ja. Solltest du vielleicht auch. Und warum nicht. Ich will schließlich den Vielleicht-bald-Freund meiner Tochter kennen. Wenn ich ihn schon nicht sehen darf."

Ja... dieses Thema werde ich nicht weiter vertiefen! Sonst lädt sie ihn nur schon wieder zum Essen ein.

Wir kommen nach draußen und laufen dann die Treppe nach unten zu unseren Sitzen. Wir sehen hervorragend und ich saß noch nie so bequem wie hier in einem Footballstadium.
Um uns herum ist noch alles leer und auch das Stadion füllt sich erst jetzt so richtig.

Bis zum Anpfiff wird die Musik immer lauter und die Fans auch. Auch um uns herum füllt es sich jetzt, wie ich vermutet habe. Dann kommen die Mannschaften aufs Feld. Der Jubel wird ohrenbetäubend. Die Fans zeigen was sie können. Darum liebe ich Football.
Die vielen Menschen, die sich noch nie begegnet sind, werden eins. Und unter all dem Jubel spürt man die Freude und die Leidenschaft für das Spiel.

„Das habe ich vermisst."

„Ich auch. Wir waren schon viel zu lange nicht mehr bei einem Spiel dabei. Und es ist einfach nicht das gleiche vor dem Fernseher."

Ich nicke nur noch abwesend, denn Jack kommt jetzt aufs Feld. Und ich habe ihn ja eigentlich schon tausendmal in seinem Trikot und seinen Polstern gesehen, doch live ist es etwas anderes. Er sieht noch besser aus und vor allem noch süßer. Sein Haar ist total verwuschelt, weil er seinen Helm gerade abgenommen hat und jetzt mit den Fingern durch sein Haar fährt. Das konnte ich vor ein paar Tagen auch noch und ich will nochmal! Seine Haare sind so weich und ich liebe es.

Bevor ich noch weiter in Tagträume versinken kann, setzt er den Helm schon wieder auf und ich kann sein wunderschönes Gesicht nicht mehr sehen. Leider.

Von der Seite werde ich angestupst und ich wende mich schweren Herzens von Jack ab und sehe Mum an.

„Dad sieht besorgt aus. Findest du auch?"

Ich sehe an die Seitenlinie und erkenne nur einen Teil von Dad. Er steht gleich an der Linie - so nah wie möglich am Spielfeld. Von außen wirkt er ziemlich ruhig, aber bei näherem hinsehen, erkenne ich das er an seinem Ehering herum spielt und mit dem Fuß rhythmisch auf den Boden klopft.

„Jep. Er ist nervös."

Und so wie ich das sehe, ist das Mum es auch. Ich spreche ihr ermutigend zu und verrenke mir dabei gleichzeitig fast den Hals bei der Suche nach Jack.

Immer wenn er auf dem Feld steht, folgen meine Augen nur ihm. Und so verpasse ich fast das Field Goal und damit unsere erste Führung im Spiel. Das scheint der Startschuss gewesen zu sein für die Mannschaft.
Jack, Finn und alle anderen werden ab jetzt immer stärker und schaffen es immer öfter durch die gegnerische Defense. Beim ersten Quater führen wir mit drei Punkten. Das ist wenig. Sehr wenig.
Das Spiel könnte schnell wieder kippen. Aber die Stärke bleibt und bis knapp vor Abpfiff führen wir mit zehn Punkten. Mum hält es neben mir kaum noch aus. Sie rutscht die ganze Zeit hin und her und ich könnte schwören das sie die Uhr anfleht sich schneller zu drehen.

Wir wissen beide wie wichtig dieses Spiel für Dad ist. Gewinnt er, ist er akzeptiert und wird bejubelt. Verliert er, wird er schon jetzt abgestempelt. Fans sind hart und der erste Eindruck bleibt meistens. Einen verlorenen Ruf wieder herzustellen ist unsagbar schwierig und dafür muss die Siegesserie viele gute Spiele umfassen. Was bei der Konkurrenz in der NfL kein Zuckerschlecken ist.

Letzte Minute. Mum neben mir zählt die Sekunden flüsternd mit. Noch einmal durchbricht Jack die Defense. Er ist schnell und wird immer schneller. Seine Gegner bleiben hinter ihm und er rennt immer weiter. Die Linie ist nicht mehr weit. Von rechts prescht doch noch ein Gegner an, aber er hat keine Chance mehr. Jack überquert die Linie und macht den Touchdown. Er reißt die Arme nach oben und genießt den Jubel der tausenden Zuschauer, die vor laute Euphorie aufgesprungen sind. Finn kommt angerannt. Mit seinem Schwung wirft er Jack fast um als er ihn umarmt. Als sich Finn wieder feiernd von ihm löst und die Fans anstachelt immer lauter zu werden, dreht sich Jack um und nimmt den Helm ab. Und dann winkt er wie versprochen in die Richtung unseres Blocks. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Er hat mich nicht vergessen. Unter all dem Stress, der Euphorie und dem Tunnel, indem er sich in einem Spiel befindet, denkt er trotzdem an mich.
Er lacht und dann legt er die Hand, mit der er gerade noch den Football hielt, an den Mund und schenkt mir einen Luftkuss, bevor er von seinen Mitspielern umgerannt und unter ihnen begraben wird.

Wir haben gewonnen.

FootballgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt