Kapitel 28

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Jacks Sicht

Ich bereue diese Scheiße. Also nicht Ella, aber das ich nicht nein gesagt habe, als sie mich gebeten hat zum nächsten Familienessen mitzugehen. Hätte ich das nicht gemacht, dann wäre noch alles gut und wir könnten noch länger im Verborgenen zusammen sein, ohne das Rey es weiß. Hätte, hätte... Jetzt ist es zu spät. Was für ein Mist.

Ich wollte das alles verdrängen. Vergessen was Rey mir gedroht hat und einfach noch einen schönen Abend mit Ella haben. Aber nein. Sie wollte einfach nicht locker lassen und dann sogar allein sein.
Das war der Punkt für mich bei dem ich realisierte, dass dieser Scheiß hohe Wellen schlägt und ich es nicht weiter verdrängen kann. Es hat jetzt schon zu einem Bruch geführt. Das weiß ich, aber ich will es trotzdem nicht realisieren.

Es zerriss mich innerlich Ella so unglücklich zu sehen, doch wenn ich ihr Reys Worte erzählt hätte, wäre sie nur noch unglücklicher. Ich wollte sie doch nur vor der Wahrheit beschützen.

Auf dem Weg nach Hause umklammere ich das Lenkrad und versuche die Wut zu unterdrücken. Was nicht wirklich funktioniert. In diesem Moment hasse ich Rey. Die ganzen Versuche der letzten Wochen mir schön zu reden, dass er bestimmt ein toller Dad für Ella ist, verfliegen. So rasant wie mein Tempo. Ich breche alle Geschwindigkeitsrekorde. Das wütende Hupen ignoriere ich. Sollen sie doch auch wütend sein. Dann bin nicht nur ich es.

Ist mir egal ob das gerade selbstsüchtig ist oder nicht. Ich war viel zu lange der Gute, der Nette. Ich brauche eine Pause von dem ganzen Mist.

Doch die will man mir nicht gönnen. Mein Handy klingelt. Die Hoffnung das es Ella ist, verpufft und hinterlässt ein dumpfes Pochen. Ich drücke Finn weg. Aber er ist hartnäckig. Wie immer. Kann er es nicht einmal lassen? Ich will einfach meine Ruhe!

Nach dem fünften Mal schalte ich es aus und lasse es im Wagen liegen. Zu Hause gehe ich schnurstracks in meinen Kraftraum. Mich verausgaben hilft immer. Ein Heilmittel für alles. Der Schmerz meiner Muskeln wird den in meinem inneren überdecken.

Ich lade mir mehr auf als üblich auf und zwinge mich über meine Grenzen. Es tut weh, aber ich habe nichts dagegen. Von weitem höre ich die Tür. Der Schlüssel wird umgedreht. Ich ignoriere es solange, bis Finn direkt vor mir steht.

Er soll sich bloß sein mitleidigen Blick verkneifen. Denkt er ich will sein Mitleid? Das kann mir getrost gespart bleiben. Es ist wohl mehr als offensichtlich, dass ich gerade allein sein will. Sogar er sollte das schnallen.

„Lief wohl nicht so gut.“

Ach was er nicht sagt. Darauf muss ich wohl nicht erst antworten. Habe ich auch gar keine Lust darauf.

Er verschwindet endlich wieder aus meinem Blickfeld und ich kann wieder ungestört weiter machen. Finn schaltet seine Musik über die Boxen an. Irgendeinen Rap. Mir egal. Dann setzt er sich auf die Hantelbank neben mir und fängt auch an zu trainieren.

Erst bin ich darüber genervt. Dann ignoriere ich ihn.

Keine Ahnung wie lange ich schon hier bin, aber meine Muskeln protestieren jetzt schon in den Erholungsphasen, als wäre selbst das Blut in meine Arme zu pumpen zu anstrengend.

Ich gebe auf. Die Gewichte knallen auf die Halterung. Langsam bin ich dankbar das Finn da ist. Tut gut nicht allein zu sein. Und solange er nicht redet, hält sich die Wut in Grenzen.

Finn hört auch auf zu trainieren. Außer der Musik ist es Still. Zwei Lieder lang liegen wir einfach da. Und dann bin ich endlich bereit Finn die ersten Brocken zu erzählen. Ich stoppe vor dem alleinigen Gespräch mit Rey.

Ich schließe die Augen und fange wieder an. Meine Stimme ist brüchig, aber wir beide schenken dem keine Beachtung. Finn lässt mich einfach erzählen.

„Er ist ein Arschloch“, sagt er nach meiner Erzählung nüchtern.

„Du hast es auf den Punkt gebracht.“

„Und was hast du jetzt vor?“

„Keine Ahnung.“

Finn setzt sich auf und sieht mich durchdringend an. „Ich weiß das du das jetzt wahrscheinlich nicht hören willst, aber du musst es.“

Ich schnaube, aber wiederspreche ihm nicht. Von mir aus kann er sich auch alles von der Seele reden.

„Eine Frage noch. Glaubst du wirklich das Rey das durchziehen kann?“

„Er hat ein Haufen Kontakte und ist ein angesehener, langjähriger Trainer in der NfL. Die Leute lieben ihn, weil er Siege bringt. Ich denke schon das er die Möglichkeiten dazu hätte.“

Finn nickt langsam. „Dann ist die Sache klar.“

„Ach ja?“

„Ja. Ich fang einfach an. Auch auf das Risiko hin, dass das hier nicht gut ausgeht.“

„Sag einfach was du sagen willst und fang endlich an.“

„Ella hatte Recht mit dem was sie im Auto gesagt hast. Du wirst eine Entscheidung treffen müssen und sie wird damit leben müssen. Du hast sie nicht gefragt, was sie möchte und jede deiner Entscheidungen wird auch sie betreffen. Und sie wird verletzt werden. Und es nicht verstehen.
Aber eigentlich tut sie es ja doch. So wie du dich aufgeführt hast, weiß sie, dass es um etwas größeres geht. Und es wird nicht lange dauern bis sie es raus gefunden hat. Spätestens deine Entscheidung wird es ihr verraten. Und sie hatte mit noch etwas recht. Sie ist eine starke Frau, Jack. Sie braucht keinen Beschützer, sondern einen Mann der sie liebt.“

„Ich liebe sie.“

„Ach ja? Du bist gerade dabei dich zum größten Arschloch zu entwickeln das ich jemals gekannt habe und wir wissen beide, dass das viel bedeutet. Ich bin schon einigen Scheißkerlen begegnet. Du willst beides. Das kann ich verstehen. Das würde ich auch wollen. Und du kannst alles haben. Klar es ist nicht einfach, aber es gibt Möglichkeiten. Aber deine Reaktion zeigt mir zwei Dinge. Entweder bist du noch so wütend, dass du noch nicht über Lösungen nachgedacht hast, die dich aus dieser Zwickmühle befreien, oder – und ich hoffe für dich das ich damit nicht recht habe –  du denkst ernsthaft darüber nach mit Ella Schluss zu machen. Und wenn das stimmt, dann bist du nicht nur dumm so eine tolle Frau wie Ella abservieren zu wollen, sondern auch das größte Arschloch.“

Finn steht auf. „Du weißt das ich dich lieb hab, Jacky, aber du stehst gerade zwischen zwei Abhängen und ich bete für dich, dass du klug genug bist das richtige zu tun.“

Seine Miene ist verbissen und so ernst wie ich sie seit Monaten nicht mehr gesehen habe.

Er steht auf und geht. Lässt mich allein und hinterlässt ein noch größeres Loch in mir.

Reys Worte hallen in meinem Kopf nach. Entweder du lässt meine Tochter in Frieden, oder ich versau dir deine Karriere. Und glaub mir, danach kommst du nicht mehr auf die Füße.

Er hat deutlich gemacht, was er von mir will und ließ mich mit der Entscheidung zurück.

Beziehung oder Karriere.

Ella oder Football.

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