Kapitel 34

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Bald kommen wieder positivere und schönere Kapitel. Ich freu mich schon so darauf! 😄😄 Langsam bin ich das Drama leid, aber einmal müsst ihr noch durchhalten.

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Im Auto schließe ich meine Augen und atme tief durch. Kurzentschlossen ändere ich meine Pläne und fahre nicht wieder zu Jack. Ich muss mit Mum reden.

So gut es eben gerade geht schlängle ich mich durch den dichten Verkehr. Es dauert länger als üblich, aber ich komme immerhin heil an. Ich schließe die Tür auf und rufe hallo. So haben es Puis und ich als Kinder immer gemacht als wir von der Schule heim gekommen sind und irgendwie kann ich das nicht ablegen. Aber es stört Mum auch nicht. Sie findet es sogar süß von uns.

„Im Wohnzimmer“

Ich gehe zu ihr und setzte mich. Sie sieht sich eine Kochshow im Fernsehen an, unterbricht sie aber als sie sieht das mich irgendwas sehr beschäftigt.

„Erzähl was ist los? Ist mit Jack alles in Ordnung? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, aber Rey hat gesagt das du bei ihm bist und ich wollte eure gemeinsame Zeit nicht stören.“

„Dann machst du das Gegenteil von Dad.“

„Du warst bei ihm?“

Ich nicke, aber ich kann ihr nicht in die Augen sehen. Sie würde die Wahrheit sofort erkennen.

„Habt ihr euch ausgesprochen?“

„Nein. Ich glaube sogar das alles noch schlimmer geworden ist.“

„Ach Spatz. Gib ihm ein bisschen Zeit. Er muss sich erst daran gewöhnen und irgendwann erkennt er wie sehr Jack dich liebt.“

„Ich hoffe es. So sehr.“

Sie nimmt mich in den Arm und wir schweigen eine Weile.

„Dein Dad hat unrecht. Nicht alle Männer in diesem Business gehen fremd. Ich weiß das sagt er immer und langsam erkenne ich, dass er es damit wirklich ernst meint, aber das ist nicht die Wahrheit. Aber jeder ist vorgeprägt von seinen eigenen Entscheidungen und Erfahrungen.“

Warte! Deutet sie etwa das an was ich glaube? Nein! Sie kann es nicht wissen. Warum wäre sie noch mit Dad zusammen? Wenn sie wüsste das er ihr fremd geht?

Sie streichelt mich ruhig und ich bemerke das ich völlig erstarrt da sitze. Meine Muskeln lockern sich ein wenig, aber ganz entspannen kann ich mich nicht.

„Da gibt es noch mehr, oder? Es ging nicht nur um Jack.“

Ich schüttle den Kopf.

„Du hast gesehen wie er mir fremd geht?“

Ich fahre hoch, um sie anzusehen. In ihren Augen liegt eine Traurigkeit, aber auch Gewissheit. Sie weiß es!

„Woher? Wie? ...  Was?“

„Ich weiß es schon seit langem Spatz.“

Ich steh auf. Ich kann das nicht. Langsam laufe ich auf und ab, versuche das alles zu begreifen. Das ist zu viel für einen Tag! Die ganze Woche ist zu viel! Langsam kenne ich mich aus mit meinem Schockzustand und ich kann mich diesmal früher davon befreien und nachdenken.

„Seit wann?“

Mum sieht weg. Was hat das den zu bedeuten?

„Seit wann Mum?“

„Was meinst du? Seit wann er mich betrügt oder seit wann ich es weiß?“

„Keine Ahnung. Beides?“

Sie seufzt. „Das erste Mal war als Pius vier wurde.“

Ich bleibe erstarrt stehen. Nie und nimmer. Was?

„Er betrügt dich seit über zwanzig Jahren?“ Meine Stimme ist leise. Ich habe keine Ahnung was ich denken soll, was ich fühle. In mir ist nichts. Leere, die mir aber dabei hilft nicht auszuflippen und ruhig zu sein, obwohl diese Ruhe nichts gutes verheißt.

„Setz dich. Das ist eine längere Erklärung.“

„Ist es ok, wenn ich stehen bleibe? Ich kann gerade nicht ... ich kann nicht“

Mum nickt. Dann umschatten ihre Erinnerungen das Leuchten, dass sie sonst ausstrahlt. Sie wird ernst, aber ich entdecke keine Trauer. Vielleicht ist sie schon darüber hinweg. Immerhin sind es schon mehr als 20 Jahre. 20 Jahre! Die Zahl verursacht Panik in mir, also schiebe ich sie weg. Konzentriere mich auf Mum.

„Damals war es noch ein Ausrutscher. Es tat ihm ehrlich leid und er schwor es nie wieder zu tun. Wir lebten noch zehn Jahre in einer glücklichen, wunderschönen Ehe, aber dann wurde er arbeitslos. Du kennst die Geschichte. In der Zeit entfernte er sich immer weiter von mir – von uns. Und ich wusste was los war. Ich sprach ihn darauf an, schrie ihn an, aber es war ihm völlig egal. Er ging und ich hatte solche Angst, dass er nicht wieder kommt. Ihr seit von der Schule gekommen und Rey war immer noch nicht da. Ich war so erleichtert, als er abends auftauchte. Zu euch war er fröhlich und liebevoll, aber mich sah er nicht an. Aber es war ok. Es war ok für mich. Solange er euch gut behandelte war alles in Ordnung. Ich konnte damit leben.“

Eine einsame Träne kullert langsam über meine Wange und kitzelt mich. Ich streiche sie weg und setze mich aufs Sofa zu Mum.

„Warum hast du ihn nicht verlassen? All die Jahre...“

„Ich konnte nicht. Ihr wart noch so klein und ihr brauchtet eine intakte Familie.“

„Aber Mum wir sind jetzt mitte zwanzig. Pius wird bald dreißig. Wir fangen an unsere eigenen Familien zu gründen. Zumindest vermute ich das bei Pius und Mila. Aber was ich eigentlich sagen will ... Wir sind alt genug. Du musst uns nicht mehr beschützen und du musst auch nicht mehr wegen uns mit Dad zusammen sein. Warum? Warum bist du bei ihm geblieben?“

„Ich liebe ihn und es kam mir nie in den Sinn ihn zu verlassen ... Der Gedanke allein zu sein macht mir Angst. Also ja. Ich lebe lieber mit ihm zusammen, als zu gehen.“

„Aber du wärst nicht allein. Wir sind immer für dich da. Wir haben immer ein Zimmer oder ein Bett für dich frei.“

„Das geht nicht Spatz.“

„Du hast das Recht auf ein Leben. Auf Glück. Auf Liebe.“ Langsam höre ich mich verzweifelt an. Sie kann doch nicht alles für ihn aufgegeben. Nicht wenn er so etwas tut...

Mum schüttelt nur den Kopf.

Mir kommt eine Idee. Es kommt mir vor wie Fügung, dass das alles so gut passt.

„Jack und ich ziehen zusammen.“

Mums Augen leuchten auf. Sie lächelt und fällt mir um den Hals. „Das ist so schön! Ich freu mich so!“

Ich schweige kurz und genieße den Augenblick und lasse ihn Mum.

„Danke. Ich weiß das du das jetzt vermutlich nicht hören willst, aber meine Wohnung würde somit frei stehen. Wenn du willst...“

Sie schüttelt traurig den Kopf.

„Ich werde sie erstmal noch nicht kündigen, ok? Du kannst es dir ja überlegen. Meine Wohnung steht jederzeit für dich offen.“

Sie lächt ein wenig. Für mich.

Ich hoffe so sehr sie nimmt das Angebot an. Sie hätte es verdient. Einen Neuanfang.

Ich bleibe noch eine ganze Weile. Wir sehen uns die Kochsendung bis zum Ende an und danach noch einen Film. Wir reden viel und essen nebenher, aber wir sprechen nicht nochmal von Dad. Wir lenken uns beide ab.

Der Gedanke an ihn ist zurzeit nicht schmerzhaft. Ich bin nicht einmal wütend. Da ist nur Leere. Gemischt mit ein wenig Trauer und vielleicht doch ein wenig Wut, aber sonst fühle ich gar nichts. Und vielleicht ist das gut. Ich kann mich in nichts hinein steigern, kann endgültig auf sein Rat und seinen Willen pfeifen und kann so mein Leben weiter leben. So wie ich es möchte, ohne mich von ihm einschränken zu lassen. Vielleicht kann es Mum irgendwann auch.

FootballgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt