Kapitel 16

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Es ist jetzt ungefähr zwei Stunden her, dass ich beim Spiel war. Die Euphorie und das Klingeln in den Ohren ebben langsam ab. Der Rest der Energie schwirrt immer noch in meinem Körper und ich will irgendwas machen, aber draußen regnet es in strömen und da will ich definitiv nicht raus. Also irgendwas indoor. Gerade liege ich auf der Couch und habe so einen tollen Blick durch die ganze Wohnung.

Naja, vielleicht könnte ich ein wenig umräumen. Ich bin den immer gleichen Ausblick sowieso langsam überdrüssig. Abwechslung wäre super. Mit meinem neuen Ziel schwinge ich meine Beine motiviert über die Lehne und schnapp mir im gehen mein Handy. Schnell scrolle ich durch ein paar Pinterest-Listen von mir und bleibe an meiner „Deko"- Liste hängen. Ich suche bei Langeweile gern nach Inspiration, die ich in 100 Jahren vielleicht mal wieder brauche ... oder gar nicht.

Ich drehe die Musik laut auf und fange dann an meine Zimmerpflanzen umher zu schieben und zusammen zu stellen. Jetzt stehen jeweils drei neben meiner Couch und neben der Tür zum Schlafzimmer. Ich sortiere meine Vasen und Blumen um und gehe dann dazu über meine Küche aufzuräumen.

Da der Berg an Tellern das schlimmste ist, fange ich damit an. Ich drehe die Musik lauter, damit meine Nachbarn mich nicht mitsingen hören und fange dann an zu spülen.

Ich habe kaum angefangen, da unterbricht die Musik und es klingelt nur noch. Ich zucke bei der Lautstärke kurz zusammen und auch weil mein Standart Klingelton in dieser Lautstärke einfach schrecklich schrill ist. So schnell wie möglich, um dem Klingeln ein Ende zu setzen, trockne ich mir meine Hände notdürftig ab und nehme dann den Anruf an.

„Hey" Jacks tiefe, angenehme Stimme kommt aus dem Lautsprecher und ich werde auf einen Schlag nervös. Ich hasse Telefonate. Da gibt es zu viele peinliche Pausen und Gestotter. Ich hasse es die andere Person nicht sehen zu können, während ich mit ihr rede. Aber um Jacks Stimme hören zu können, ist das okay.

„Hi. Was machst du gerade? Ich schalte um auf Videochat. Ist das ok?"

„Ähm ja klar", er hört sich überrascht an, aber nicht zu abgeneigt.

Auch wenn ich für Jack telefonieren würde, muss ich das ja nicht, wenn ich mehr haben kann. Und mir die Gelegenheit ihn und seine für mich funkelnden Augen entgehen zu lassen, wäre mehr als dumm.

Ich schalte also auf Video um und lehne mein Handy an die hinter dem Waschbecken, damit ich weiter spülen kann. In seinem Bild kann ich nur verschwommene Füße sehen. Offenbar geht er gerade.

„So"

Jetzt wird das Bild wieder schärfer und ich kann ihn sehen. Er läuft immer noch. Im Hintergrund erkenne ich Autos. Ziemlich schicke und somit bestimmt auch kostspielige. Vielleicht läuft er gerade über einen Parkplatz.

„Was machst du? Und wo bist du denn?", frage ich ihn leicht lachend.

„Hatten gerade noch eine Besprechung mit unserem Trainer, aber jetzt hat er uns entlassen und ich kann endlich nach Hause. Dachte ich ruf dich auf dem Weg zum Auto noch an."

„Du bist süß! Aufregender als bei mir. Ich spüle."

Jack fängt an zu lachen.

„Was denn?"

„Du spülst und willst aber Videochatten?"

„Ja warum den nicht? So bin ich. Live und in natura"

„Wie fandest du das Spiel, wenn du mich mal live und in natura sehen konntest?"

„Spannend. Und ziemlich eng. Danke für den Kuss."

„Gern. Mach ich das nächste Mal wieder."

Gott, ist er süß!

„Ist das nächste ein Auswärtsspiel oder ein Heimspiel?"

„Auswärts. Leider."

„Weit weg?"

„Andere Seite des Landes, also ja."

„Schade. Ich glaube nicht, dass mich mein Boss für ein Footballspiel fliegen lässt."

„Ha. Ja...meiner schon"

Wir lachen zusammen und gleichzeitig bin ich auch total erleichtert, dass er kein Problem damit zu haben scheint, dass mein Dad nun sein neuer Trainer ist. Wenn er sogar Witze darüber machen kann, ist es kein großes Thema für ihn. Puhh...Und ich dachte schon das könnte nicht gut ausgehen.

„Ich werd dir am Fernseher zusehen."

Jack schenkt mir ein Lächeln und sieht dann etwas neben seinem Handy an. Kurz darauf öffnet eine Autotür und ich sehe ihn in einem Sportwagen sitzen.

„Was für ein Auto ist das? Sieht nicht wie das Auto aus mit dem wir an den See gefahren sind."

„Lamborghini. Ich weiß total protzig und nicht nötig, aber mir gefällt er und ich wollte schon als kleines Kind so ein Auto fahren."

„Ist es auch giftgrün?"

„Verdammt nein. Das wärs noch. Nein mein Traumauto gibt es nur in einer Farbe. Rot"

„Uhhh. Du meinst dieses glänzende rot?"

„Ganz genau. Die Verkäuferin empfahl mir dazu den richtigen Nagellack in der gleichen Farbe. Weißt du wie verwirrt ich war! Was hätte ich den darauf antworten sollen? Danke. Werde ich mir gleich kaufen und mir meine Nägel passend lackieren. Gute Idee."

„Finn hätte es sicher gefallen."

„Oh ja. Der hätte mich bis in alle Ewigkeit damit aufgezogen. Der hätte seinen Spaß gehabt."

„Das wäre doch mal eine gute Geschenkidee zu seinem nächsten Auto. Kaufst ihm einfach den passenden Nagellack dazu."

„Perfekt"

„Oh bitte sag mir dann wie er reagiert hat."

„Du kannst es ihm ja auch selber schenken."

„Oh ja, dann müssen wir ihn jetzt nur noch dazu überreden ein neues Auto zu kaufen."

„Wär auch ein toller Aprilscherz."

„Spielt ihr euch welche?"

„Ist Tradition geworden. Wir haben noch sanft angefangen, aber in den letzten zwei Jahren ist es ausgeartet. Die meisten haben sich zusammen getan und haben sich dann auf die Lauer gelegt. Nirgends war man sicher. Nicht mal in der Dusche. Am 1. April kommt keiner zum trainieren, aber es sind trotzdem alle da."

„Was habt ihr diesen April gemacht?"

„Eine Menge. Finn war einmal nicht der König der Streiche. Theo hat ihn dieses Jahr geschlagen. Und zwar haushoch. Er wurde ein paar Wochen davor Vater und hat ein haufen Babyspielzeug in Silas Spind gesteckt, die ihm dann entgegen flogen. Gefolgt von einer Flasche Milch, die am Boden zersprungen ist. Danach waren Silas Schuhe erstmal ruiniert. Und Silas und seine Schuhe ... heikles Thema! Du hättest sein Gesicht sehen müssen! Mann war der wütend."

„Was hat Finn gemacht?"

„Lauerte in der Dusche. Erst erschreckte er alle damit, dass er irgendeinen dieser uralt Schlager von Andrea Berg abspielte und das in einer Lautstärke, die die Duschkabinenwände zum vibrieren brachten. Und die Umkleide überflutete er halb, sodass die die voraus gegangen sind alle auf der Nase landeten. Naja eigentlich auf dem Arsch. Das Gefluche hat man durch den ganzen Flur schallen hören."

Jack startet den Moter. „Also. Fertig mit abspülen?"

„Ja warum?"

„Weil ich dich abhole. Bin gleich da."

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