28. Always on Time

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14.04.2020

Momentan höre ich Songs aus den 2000er. Ich schwelge in schöne Erinnerungen. Damals habe ich gelebt, zwar kurz aber zufrieden/glücklich und fast lebensfroh. Ich habe mich mit meiner Nachbarin zum Spielen verabredet, habe fröhlich mein Kratzeis vernascht und mir die Tage mit Center Shocks versüßt bzw. "versauert". Ich habe an eine schöne und normale Zukunft geglaubt. Nicht an das, was dann tatsächlich dabei rausgekommen ist.

Wenn ich an damals denke, dann sehe ich eine Frau vor meinem inneren Auge. Eine Frau, die fast schon jeder in meiner Umgebung vergessen beziehungsweise bewusst verdrängt hat. Nennen wir sie hier mal "Katharina". Mein Onkel hat sie uns vor ca. 8-9 Jahren als seine Verlobte vorgestellt. Ich war sofort fasziniert von ihr. Sie war so anders als die Frauen, die ich bisher zu meiner Familie zählen durfte. Für mich repräsentierte Katharina das Bild der Freiheit, der starken Frau. Ihre Tattoos und ihre lebenslustigen Augen sprachen Bände. Ich war schon immer von mutigen und "flippigen" Frauen fasziniert, die sich nichts sagen ließen. Damals hatte ich noch keine Ahnung von Emanzipation und Feminismus.  Aber sie zeigte mir eine Möglichkeit, wie ich meine Zukunft ebenfalls gestalten könnte. Sie war für mich das, was für die meisten die Freiheitsstatue ist.

Ich sagte zu ihr, mit meiner kindlichen und naiven Sprache, dass ich sie als Vorbild sehe. Sie erwiderte, fast schon verlegen, sie sei keinesfalls ein Vorbild.
Zum einen war ich überrascht über diese Aussage, zum einen aber noch positiver gestimmt, als sowieso schon. Sie sah sich nicht als Vorbild, weil sie sich nicht darum geschert oder bemüht hat solches für irgendwem zu werden. Also hieß es, dass ich auch kein Vorbild für irgendwem sein müsse. Ich darf so leben wie ich will und bin, weil Katharina das ja auch "darf". Immerhin komme sie ja aus der gleichen Kultur. Ich war so unglaublich glücklich über diese neu gewonnene Erkenntnis.

Mein Onkel schien glücklich mit seiner Ehefrau zu sein, die Feier war unglaublich schön. Sie kümmerte sich um mich. Verstand mich. Wusste, dass ich nicht dieses anständige Mädchen bin, wofür ich stets gehalten wurde. 

Und dann passierte etwas. Ich weiß bis heute nicht, was genau. Sie ließen sich scheiden. Katharina verschwand für immer aus meinem Leben. Gerüchte machten sich breit. Meine Enttäuschung auch. Meine neu erworbene Freiheit verkroch sich..

Katharina, auch wenn du das hier niemals lesen wirst und nicht mal Katharina heißt, ich denke an dich und hoffe dir geht es gut, wo immer du auch gerade bist. In meiner Erinnerung bist und bleibst du ein wundervoller Mensch. An die Gerüchte glaube ich nicht. Danke, dass du mich geprägt hast. Ich hätte dich so gerne bei mir. Du hast als einzige meine Tränen gesehen.

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